Gewalt gegen Jugendlichen:Rosenheimer Polizeichef zu Bewährungsstrafe verurteilt

Prozess gegen Rosenheimer Ex-Polizeichef

Er soll einen Schüler misshandelt haben: Im Prozess gegen den ehemaligen Polizeichef von Rosenheim, Rudolf M. (rechts), hat der Staatsanwalt eine Bewährungsstrafe gefordert.

(Foto: dpa)

Er schlug den Kopf eines gefesselten Schülers gegen die Wand, trat und ohrfeigte ihn: Das Landgericht Traunstein hat den vom Dienst suspendierten Rosenheimer Polizeichef zu elf Monaten auf Bewährung verurteilt. Damit behält der 51-Jährige seinen Beamtenstatus.

Von Hans Holzhaider, Traunstein

"Ich habe mich 30 Jahre für die Werte dieser Gesellschaft eingesetzt; nun stehe ich mit meiner Familie vor dem existenziellen Abgrund" - diesen Appell hatte Rudolf M., ehemals Leiter der Polizeiinspektion in Rosenheim, den Richtern und Schöffen der 2. Strafkammer am Landgericht Traunstein mit in ihre Urteilsberatung gegeben.

Ganz so schlimm kam es für den 51-jährigen Polizeidirektor dann doch nicht. Das Gericht verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von elf Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wird, und blieb damit weit unter dem Antrag von Staatsanwalt Martin Unterreiner, der eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und neun Monaten gefordert hatte.

Rudolf M. nahm das Urteil mit steinerner Miene entgegen, innerlich aber dürfte er aufgeatmet haben. Ein Monat mehr, und er wäre automatisch aus dem Beamtenverhältnis ausgeschieden und hätte damit auch seine Pensionsansprüche verloren.

Einen "vollkommen unverständlichen Wut- und Gewaltausbruch" hielt der Vorsitzende Richter Erich Fuchs dem Angeklagten vor. Durch solche Handlungen werde "das Ansehen der Polizei geschädigt und das Vertrauen der Bevölkerung beeinträchtigt". Rudolf M. habe "seine Machtbefugnisse missbraucht", so etwas, sagte der Richter, dürfe einem erfahrenen Polizeibeamten, zumal in einer so herausgehobenen Vorbildfunktion, nicht passieren.

Kniestöße und Ohrfeigen

Der Vorfall, über den in Traunstein verhandelt wurde, hatte sich an einem Samstagabend auf dem Rosenheimer Herbstfest im Sommer 2011 zugetragen. Die Vorgeschichte dürfe nicht unerwähnt bleiben, sagte Richter Fuchs. Der 15-jährige Florian K. (Name geändert) hatte zusammen mit zwei Freunden eine Gruppe von Volksfestbesuchern angepöbelt und auch tätlich angegriffen.

Der Jugendliche war nach dem Genuss von zwei Maß Bier erheblich angetrunken. Zwei Polizeibeamte nahmen ihn an Ort und Stelle fest und fesselten ihm die Hände auf dem Rücken. In dieser Situation schaltete sich Polizeichef Rudolf M. persönlich ein und führte zusammen mit einem Kollegen den Jungen zur Wiesenwache.

Florian K. regte sich auf, fragte nach dem Grund der Festnahme und drohte mit einer Anzeige. Diese Äußerungen, so der Richter, seien in Anbetracht der Situation "hinnehmbar" gewesen. Rudolf M. hingegen traktierte den Jugendlichen mit Kniestößen ins Gesäß und versetzte ihm zwei Ohrfeigen.

Polizeichef muss sich Disziplinarverfahren stellen

Was sich danach auf der Wiesenwache abspielte, wurde vom Angeklagten und dem Geschädigten ganz unterschiedlich geschildert. Der Ex-Polizeichef schilderte, er habe dem Jungen, der mit dem Gesicht zur Wand vor einer Bank stand, lediglich einen leichten Stoß in den Rücken versetzt, damit der sich auf die Bank setzen sollte. Dabei sei Florian K., von ihm völlig unbeabsichtigt, mit dem Gesicht gegen die Wand geprallt.

Der Jugendliche dagegen berichtete, er habe schon auf der Bank gesessen, als M. ihn an den Schultern hochgerissen, ihn umgedreht und mindestens dreimal mit dem Kopf gegen die Wand geschlagen habe. Unbestritten waren nur die Folgen: Ein Schneidezahn brach ab, die Lippe platzte auf, Florian K. blutete stark. Die Version des Polizeichefs wurde von mehreren Kollegen gestützt, Florians Erzählung dagegen wurde von seiner Mutter und deren Freundin bestätigt, die aussagten, sie hätten den Vorgang selbst beobachtet.

"Die Kammer lässt es dahingestellt, wer sich hier, milde ausgedrückt, geirrt hat", sagte der Vorsitzende Richter. Alle Aussagen seien, für sich genommen, plausibel gewesen, alle Zeugen hätten einen glaubwürdigen Eindruck gemacht.

Den Ausschlag hätten die Aussagen der Sachverständigen gegeben. Nach deren Darstellung rührten Florians Verletzungen von mindestens zwei Gewalteinwirkungen her. Für eine andere Herkunft der Verletzungen gebe es aber keinerlei konkreten Hinweis, sagte der Richter.

Mindestens zweimal mit dem Gesicht gegen die Wand

Das Gericht hatte mehrere Zeugen der vorangegangenen Schlägerei vernommen; alle hatten bekundet, dass Florian K., als er von den Polizisten abgeführt wurde, äußerlich unverletzt war. Auch die Blutspuren an der Wand in der Wiesenwache sprächen dafür, dass Florian mindestens zweimal mit dem Gesicht gegen die Wand geschlagen wurde, sagte der Richter.

Aber selbst wenn man der Darstellung des Angeklagten folgen würde, müsste man von einer vorsätzlichen Körperverletzung ausgehen. "Wer eine gefesselte Person in den Rücken stößt, muss damit rechnen, dass diese gegen die Wand fällt."

Ob Rudolf M. nach dieser Verurteilung im Öffentlichen Dienst verbleiben könne, habe nicht das Gericht zu entscheiden, sagte Fuchs. Allerdings sei die Strafe so zu bemessen, dass ein sozial integrierter Täter "nicht aus der sozialen Ordnung herausgerissen wird". Rudolf M. wird sich nun noch einem Disziplinarverfahren stellen müssen.

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