Merkel bei Tagung zum Donauraum:Wenn ein Fluss zur Marke werden soll

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Sogar die Bundeskanzlerin reist an: 600 Politiker und Verbandsvertreter aus den Anrainerstaaten entwerfen auf einer Tagung in Regensburg Ideen für einen prosperierenden Wirtschaftsraum. Dabei wird auch über eine gemeinsamen Vermarktung nachgedacht.

Wolfgang Wittl

Angela Merkel warb auf dem Donauforum für eine intensive regionale Zusammenarbeit. Horst Seehofer wertete den Besuch als "Ritterschlag". (Foto: Armin Weigel/dpa)

Dass die Donau ein verbindendes Element ist, wird spätestens klar, als Horst Seehofer und Angela Merkel gemeinsam in ihren Erinnerungen kramen. Der bayerische Ministerpräsident berichtet, wie er als Ingolstädter Bub 150 Meter neben dem Fluss aufgewachsen ist. Die Bundeskanzlerin erzählt, wie sie zu Zeiten des Eisernen Vorhangs bei einer Fahrt entlang der Donau sehnsüchtig in Richtung Griechenland blickte und dachte: "Da möchtest du einmal hin."

Mittlerweile war Merkel bekanntlich nicht nur einmal in Griechenland, und nicht jeder Besuch hat ihr zuletzt Freude bereitet. Doch an ihrer Leidenschaft, für ein gemeinsames Europa zu werben, hat sich für die Kanzlerin nichts geändert, das macht sie beim ersten internationalen Jahresforum zur europäischen Donauraumstrategie deutlich: Europa habe allen Grund, sich angesichts seiner Probleme und weltweiter Konkurrenz zusammenzutun, sagt die Kanzlerin.

Etwa 600 Politiker und Verbandsvertreter haben in den vergangenen zwei Tagen in Regensburg versucht, eine Art Bilanz zu ziehen, welchen Nutzen die im vergangenen Jahr verabschiedete Donauraumstrategie bisher gebracht hat.

"Keine Wundertüte ohne Inhalt"

Auf den ersten Blick könnte man glatt den Eindruck gewinnen, im mondänen Fürstlichen Schloss St. Emmeram besteht dieses Europa aus Menschen in dunklen Anzügen, einem Kauderwelsch verschiedener Sprachen, einem Sammelsurium von Workshops oder aus Prospekten über Wanderwege in Ungarn. Doch das wäre natürlich eine sehr oberflächliche Betrachtung.

Europa sei "nichts Abstraktes" und auch "keine Wundertüte ohne Inhalt", sagt Bayerns Europaministerin Emilia Müller, sondern es "behandelt konkret Fragen zur Zukunft". Eine Antwort auf solche Fragen könnte lauten, die Donau zu einer Dachmarke für weltweite Vermarktung zu entwickeln, wie EU-Regionalkommissar Johannes Hahn erklärt.

Angela Merkel holt in ihrer Rede etwas weiter aus, betont die grundsätzlichen Errungenschaften des heutigen Europas: Freiheit, Friede und wirtschaftlicher Wohlstand, der künftig in allen Regionen verankert werden müsse, damit Europa international wettbewerbsfähig bleibe. Das funktioniere nur über eine länderübergreifende Zusammenarbeit. Auch deshalb hält die Kanzlerin regionale Kooperationen für so wichtig, nicht zuletzt wegen ihrer vielen Projekte fernab der Politik.

Mit 115 Millionen Einwohnern deckt der Donauraum fast ein Viertel der europäischen Bevölkerung ab, Deutschland ist mit Bayern und Baden-Württemberg in die Strategie eingebunden. Die Zusammenarbeit umfasst Projekte zu Umweltschutz, Kultur, Wissenschaft, Sicherheit, Energie und vor allem zu wirtschaftlichen Fragen.

Geschenke sind von der Kanzlerin an diesem Tag nicht zu erwarten, auch wenn Seehofer diese Hoffnung leise vorgebracht hatte. Im Gegenteil: Europa müsse lernen, sich an getroffene Beschlüsse zu halten, mahnt Merkel. Auch dafür könne die Donauraumstrategie ein gutes Beispiel sein.

Seehofer trägt es mit Fassung, auch ohne finanzielle Zusagen wertet er Merkels Besuch als "Ritterschlag" für den Donauraum. Selbst Bayern könne noch von anderen lernen, scherzt er. EU-Regionalkommissar Hahn sieht in der Strategie gar einen "Meilenstein", um allen Menschen in Europa eine Perspektive auf gleichwertige Lebensbedingungen zu geben, von denen letztlich auch wohlhabende Exportnationen wie Deutschland profitierten.

Im Streit um den Ausbau der Donau zeigte sich die Kanzlerin diplomatisch. Sie wisse das Anliegen bei Seehofer und Verkehrsminister Ramsauer in guten Händen, sagte sie den etwa 100 Ausbaugegnern, die vor dem Schloss demonstrierten. Jedes Land müsse sich heute gut überlegen, ob es der Wirtschaft Vorrang vor der Umwelt geben wolle. Die Aufgabe kluger Politik sei es, scheinbar unvereinbare Dinge zusammenzubringen. Prägnanter äußerte sich EU-Kommissar Hahn: Nicht die Flüsse müssten sich den Schiffen anpassen, sondern die Schiffe den Flüssen.

© SZ vom 29.11.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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