Prozess um gestohlenen Störtebeker-Schädel:Kopfloser Klau

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Eben noch im Museum, dann schon auf der Grillparty: Der Schädel des Piraten Klaus Störtebeker ging mehr als 600 Jahre nach seinem Tod noch einmal auf Reisen. (Foto: dpa)

"Aus Blödsinn" sollen drei Männer 2010 den angeblichen Totenkopf des legendären Piraten Klaus Störtebeker gestohlen haben. Vor Gericht in Hamburg enthüllen die mutmaßlichen Räuber, was sie mit der Reliquie anfingen: So kam das morbide Diebesgut als Mittel gegen Depressionen zum Einsatz - und als Gag auf einer Grillparty.

Von Jens Schneider, Hamburg

Wenn der Himmel tief hängt über der Alster und die Wolken eine dichte Wand bilden, kann einen schon die Schwermut packen. Vielleicht ist das ja wirklich die Erklärung für den grotesken Diebstahl, der die Hamburger Öffentlichkeit vor fast drei Jahren ein klein wenig in Aufregung versetzte. Zumindest ist die Begründung ähnlich unterhaltsam, wie die Legenden, die sich um das Diebesgut ranken.

Es geht um den angeblichen Schädel des Piraten Klaus Störtebeker, der im Januar 2010 aus dem Museum für Hamburgische Geschichte gestohlen wurde. Er habe den Schädel gar nicht geklaut, erklärte einer von drei Angeklagten vor dem Amtsgericht Hamburg-Mitte. Störtebekers Kopf sei ihm zur Verwahrung gegeben worden. Er habe ihn zuhause auf einen Schrank gelegt, und gehofft, damit "aus meiner depressiven Phase zu kommen".

Ob es geholfen hat, weiß man nicht. Aber als sicher kann gelten, dass diese und andere Aussagen - wie der ganze Diebstahl - der Hamburger Reliquie erst zu großem Ruhm verholfen hat. Es soll Hamburger gegeben haben, die bis dahin gar nicht von dem Schädel wussten.

Robin Hood von der Waterkant

Entdeckt wurde das nachweislich Jahrhunderte alte Stück schon 1878 bei Bauarbeiten für die Speicherstadt, die heute im Gebiet der Hafen-City liegt. Damals entstand die Legende, es handle sich um Störtebekers Schädel. Denn am Grasbrook soll der Anführer einer Piratenbande enthauptet worden sein. Um sein Leben ranken sich tolle Geschichten, die - wie es sich für eine Legende gehört - gern ausgeschmückt erzählt werden. Bei manchen hat Störtebeker den Ruf eines Robin Hood von der Waterkant.

Der Freibeuter soll Hamburgs Kaufleuten arg zugesetzt haben, bis er vor Helgoland nach einer Seeschlacht gefangen wurde. Es heißt, dass er am 20. Oktober 1401 geköpft wurde. Vorher soll Hamburgs Bürgermeister versprochen haben, dass allen Piraten das Leben geschenkt würde, an denen Störtebeker ohne Kopf vorbei laufen könnte. Angeblich schaffte er zwölf Meter, das hätte elf seiner Männer gerettet. Aber der Bürgermeister habe, so wird die Erzählung erst rund, sein Versprechen gebrochen.

Am 10. Januar 2010 war der Schädel jedenfalls plötzlich weg. Bald stellte sich heraus, dass er zwar hoch versichert, aber in seiner Vitrine kaum gesichert war. Die Diebe konnten ihn leicht mitnehmen, wie es heißt, während der Öffnungszeiten. Die Polizei rief eine große Fahndung aus. Eine Belohnung wurde versprochen. Und als der vermeintliche Piratenschädel im März 2012 plötzlich wieder da war, erklärte Museumsleiterin Lisa Kosok, sie sei überglücklich: "Die ganze Stadt war bestürzt über den Diebstahl". Das Museum gewährte zwei Tage freien Eintritt.

Warum der Schädel überhaupt gestohlen wurde, weiß bis heute niemand. "Aus Blödsinn" hieß es mal am Rande des Prozesses, bei dem ein 38 und ein 50 Jahre alter Mann wegen des Diebstahls angeklagt sind, während ein Dritter sich wegen Hehlerei verantworten muss. Zwei von ihnen bestreiten die Vorwürfe, der dritte äußerte sich nicht.

"Damals soll ja ständig geköpft worden sein"

Immerhin erfuhr das Gericht vom 40 Jahre alten Angeklagten Jonny J., dass der Schädel eines Tages bei einer Grillparty aufgetaucht sei. Sein Freund habe "das Ding aus einer Tüte geholt", voller Stolz. Er selbst habe schließlich dafür gesorgt, dass der Schädel zur Polizei kam. Mit Hehlerei habe das nichts zu tun.

An diesem Freitag werden die Plädoyers und das Urteil erwartet. Die Anwältin von Jonny J. fordert einen Freispruch. Ihr Mandant habe nichts Böses getan, sagt Leonore Gottschalk-Solger. Überhaupt sei der Prozess eine Posse, weil niemand nachweisen könne, dass das Relikt auch wirklich Störtebekers Schädel sei. Die Verteidigerin stellte vergeblich den Antrag, die Echtheit prüfen zu lassen. Für das Museum steht fest, dass es sich in jedem Fall um einen historisch bedeutenden Schädel handelt.

Die Frage kann für das mögliche Strafmaß wichtig sein. Gottschalk-Solger zweifelt die Bedeutung an. "Damals soll ja", sagt sie, "ständig geköpft worden sein."

© SZ vom 07.12.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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