Im Kino: "Bildnis des Dorian Gray":Der Teufel trägt Bart

Eine Versuchung wird man nur los, indem man ihr nachgibt: Colin Firth träufelt dem schönen Dorian Gray das Gift der Obsession ins Ohr - und macht ihn zur Marionette seiner Inszenierung.

R. Gansera

Die nächste Glanzrolle für Colin Firth: Als Single Man ist er gerade in den Kinos zu sehen, mit der bewegenden Darstellung eines Menschen, der in Liebestrauer und Weltschmerz zu versinken droht. Nun spielt er - am anderen Ende der Typenskala - einen Zyniker und Verführer, und wieder ist er brillant. Lord Henry Wotton - das ist der Teufel in Oscar Wildes klassischer Fabel vom Teufelspakt des bildschönen Dorian Gray, der sich ewige Jugend verschaffen will.

Spiel mit den Eitelkeiten

Schauspieler lieben Bösewichter: Mephisto, Richard III, Jago. Es sind die komödiantisch glanzvolleren Parts. Das Böse fasziniert - als blendende Versuchung, als raffiniertes Maskenspiel, es ist Performance pur. Der Böse verführt, spielt mit den Eitelkeiten, macht alle zu Marionetten seiner Inszenierung. Lord Henry Wotton zeigt sich darin als Meister, und Colin Firth hat sichtlich Vergnügen an den schlangenzüngigen Sentenzen des Lords. "Eine Versuchung wird man nur los, indem man ihr nachgibt!", solche Bonmot-Giftpfeile schießt er ab, einen nach dem anderen, als wäre er selbst "Prinz Paradox" - wie Oscar Wilde sich einmal titulierte.

Besonders raffiniert geht er in der Atelier-Szene zu Werk, wo der noch arg naive Dorian (Ben Barnes) die Lebensechtheit seines Porträts bestaunt. Da träufelt der Lord ihm das Gift der Obsession ins Ohr, den Dreiklang von Jugend, Schönheit und Vergnügen - bis der junge Beau sein Gemälde-Abbild mit einer Mischung aus Neid und Eifersucht betrachtet und murmelt: "Vielleicht sollte ich meine Seele an den Altar des Teufels nageln!" In diesem Moment hält der Lord ein Rosenblatt in die Kerzenflamme - und sein Blick wird zum Ausdruck wilden Triumphes.

Parker bleibt der Vorlage treu

Der Regisseur Oliver Parker kennt sich im Universum Oscar Wildes bestens aus. Zwei seiner Theaterstücke brachte er in werkgetreuen, kostümwirbelnden Adaptionen auf die Leinwand: Ein perfekter Ehemann (1999) und Ernst sein ist alles (2002). Wildes einzigen Roman, der 1891 erschien, transformiert er nun kecker, verpasst ihm den Look eines klassischen Hammer-Horrorfilms und erlaubt sich sogar die Erfindung eines Schlussakts, der eine im Roman nicht vorhandene Figur ins Spiel bringt: Emily (Rebecca Hall), Lord Henrys Tochter. Man kann Parker vorwerfen, dass er hier die Horror-Effekte übertreibt - aber die Emily-Figur überzeugt, weil sie die zentrale Frage nach der Korrumpierbarkeit von Jugend und Unschuld noch einmal neu und überraschend stellt.

Parker bleibt dem Geist der Vorlage treu, konzentriert sich gebührend auf das Herzstück der Erzählung, das Duell zwischen Dorian und Lord Henry. Keine andere der zahlreichen Adaptionen des Romans hat das so klar herausarbeitet: wie sich die anfängliche Bewunderung des Lords für Dorians Schönheit und Jugend in eine Zerstörungswut verwandelt. "Ich beneide Sie. Für Sie ist alles möglich. Sie besitzen die einzigen zwei Dinge, die begehrenswert sind: Jugend und Schönheit", gesteht Lord Henry, als er dem Zwanzigjährigen, der in London das Erbe seines Großvaters antritt, zum ersten Mal begegnet.

Exzess und Taumel

Der weltgewandte Lord führt den Naivling in die High Society ein, impft ihn mit einer Attitüde aus Verachtung und Überlegenheit. Er scherzt: "Um meine Jugend zurückzugewinnen, würde ich alles tun - außer Gymnastik treiben, früh aufstehen oder ein ehrbarer Mensch werden!" Dann bringt er Dorian dazu, seine Jugend und Schönheit rücksichtslos als Machtmittel einzusetzen. Das ist der eigentliche Sündenfall. Denn Jugend und Schönheit entfalten ihren Zauber nur dann, wenn sie absichtslos und unschuldig in Erscheinung treten. Dorian erweist sich als korrumpierbar, weil er nicht nur Adonis, auch Narziss ist.

In ihrem Song "Narcissist" reimten The Libertines: "Wouldn't it be nice to be Dorian Gray, just for a day?". Mit seinen Drogen-Eskapaden bewies ihr Sänger Pete Doherty dann, dass er wirklich Dorian Gray sein wollte - nicht nur für einen Tag. So wird Selbstverliebtheit zur Droge, mündet in Rücksichtlosigkeit und Abstumpfung. Dorian Gray versinkt in Exzess und Taumel, sein Narzissmus macht ihn Lord Henry gefügig. "Ein unmoralischer Mann bewundert nichts mehr als die Unschuld", heißt es einmal. Er bewundert sie und versucht sie zu zerstören. So spielt Colin Firth diesen Schurken: als grandiose Faszinationsgestalt, die weniger erschreckt als in Bann zieht.

DORIAN GRAY, GB 2009 - Regie: Oliver Parker. Buch: Toby Finlay. Kamera: Roger Pratt. Musik: Charlie Mole. Mit: Ben Barnes, Colin Firth, Ben Chaplin, Rebecca Hall. Concorde, 118 Minuten.

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