Bildungsforscher Bos über Iglu und Timss:"Wir Pädagogen sind alle Robin Hood"

Studien IGLU und TIMSS 2011

Wilfried Bos ist der Direktor des Instituts für Schulentwicklungsforschung (IFS) und Leiter der Studien Iglu und Timss.

(Foto: dpa)

International immer noch vorne dabei, aber deutlich zurückgefallen: So lautet das deutsche Ergebnis in den internationalen Grundschüler-Studien Timss und Iglu. Was ist jetzt zu tun? Studienleiter Wilfried Bos spricht im Interview mit Süddeutsche.de über die besondere Förderung der Schwachen und die Vernachlässigung von Talenten.

Von Roland Preuß

Timss und Iglu - die beiden internationalen Leistungsstudien haben die Aufmerksamkeit diese Woche auf die Grundschüler gelenkt. Timss testete das Können in Mathematik und Naturwissenschaften, hier fielen die deutschen Grundschüler trotz konstanter Leistungen vom jeweils 12. Platz auf Rang 16 (Mathe) und 17 (Naturwissenschaften) zurück. Im Lesen belegten sie nach Platz 9 vor sechs Jahren nurmehr den 17. Platz.

Leiter des deutschen Studienteils ist Professor Wilfried Bos, Chef des Dortmunder Instituts für Schulentwicklungsforschung. Der einstige Sozialpädagoge und Deutschlehrer beschäftigt sich seit Jahren mit Leistungstests und hatte auch die vorherige Untersuchungen 2006/2007 geleitet.

SZ: Wie sehr freuen Sie sich über das Ergebnis? Die deutschen Grundschüler sind zwar international im oberen Drittel geblieben, aber haben sich im Gegensatz zu anderen Ländern nicht verbessert, im Lesen sogar etwas verschlechtert.

Bos: Ich muss da an 2001 denken, das Jahr des Pisa-Schocks. Damals hieß es, die mäßigen Resultate der 15-Jährigen lägen an den schlechten Grundschulen. Dann aber zeigte der Test der Viertklässler: die Grundschulen sind im besten Leistungsdrittel. Damals haben wir uns alle darüber gefreut. Deshalb freue ich mich auch jetzt. Auch wenn man natürlich Schwächen erkennt.

Wo sind die größten Mängel?

Dass es so viele Grundschüler gibt, welche die Mindestanforderungen in Lesen, Mathe und Naturwissenschaften nicht erfüllen. Das ist etwa jeder fünfte. Außerdem der Rückstand der Kinder aus Migrantenfamilien. Die haben zwar deutlich zugelegt, sind aber immer noch zu weit zurück. Da müssen wir weiter daran arbeiten. Und der Abstand der Kinder aus unteren sozialen Schichten. Da hat sich seit 2001 nichts geändert.

Die Bundesländer haben viel getan für die Sprachförderung - war das vergebens?

Nein, das zeigt langsam aber sicher Wirkung. Sonst wären wir bei dem Zuwachs an Kindern aus Zuwandererfamilien ja nicht auf dem selben Niveau geblieben. Was will man erwarten? Die Programme sind ja erst in den letzten drei bis vier Jahren richtig angelaufen.

Aber die Leistungen haben stagniert, während andere gute Länder wie Russland nochmals deutlich zugelegt haben.

Ich würde nicht von Stagnation sprechen, wir haben unter schwierigeren Bedingungen unser hohes Niveau gehalten. Mir reicht das aber trotzdem nicht.

Offenbar hapert es auch an der Talentförderung, die Gruppe der Spitzenschüler in Deutschland ist relativ klein. Ist der Fokus zu sehr auf die Schwachen?

Natürlich, das liegt aber auch an unserer Profession. Wir Pädagogen sind alle Robin Hood, das ist unser Ethos. Das Problem mit leistungsschwachen Schülern sind die Lehrer angegangen, da gerieten Talente aus dem Blick. Da müssen wir jetzt ran.

Auch mit eigenen Fördergruppen für leistungsstarke Kinder?

Wir werden wegen der sinkenden Zahl von Schülern mehr Lehrer zur Verfügung haben, etwa wenn eine vierzügige Grundschule nur noch drei Klassen pro Jahrgang hat. Dann hat die Schule die Möglichkeiten, Schwache besser zu fördern. Aber sie sollte auch die Besten rausholen, und eigens was mit denen machen.

Welche Instrumente sollten die Grundschulen jetzt einsetzen?

Sie sollten noch mehr individuell fördern. Die Ganztagsschulen müssen weiter ausgebaut werden, denn nur die bieten die Potenziale, Schüler zugewanderter Eltern zum Lernen anzuregen. Das Umfeld haben die zuhause häufig nicht. Allerdings nutzen viele Ganztagsschulen ihre Potentiale noch nicht so aus, wie es möglich wäre.

Wenn die deutschen Grundschulen im Vergleich zu Gymnasium oder Realschule international besser abschneiden, sollte man die Schüler dann nicht länger dort unterrichten?

Das ist eine politische Entscheidung. Aber ich denke nicht, dass dies zentral ist. Es kommt auf die Qualität des Unterrichts an, nicht auf die Struktur.

Was raten Sie den Eltern, wie können die am besten ihr Grundschulkind fördern?

Sie sollten sich aufs Lesen konzentrieren, mit den Kindern zusammen lesen, mit ihnen über die Geschichten sprechen, nachfragen, gemeinsam zur Bibliothek gehen. Lesen ist die Schlüsselkompetenz für alles, die Grundlage aller Bildung.

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