Auma Obama im Interview:"Geschäfte auf Augenhöhe funktionieren noch nicht"

Bekannt wurde Auma Obama, weil sie die Halbschwester des US-Präsidenten ist. Sie leitet die von ihr initiierte Sauti Kuu Foundation. Ein Gespräch über Fehler in der Entwicklungspolitik in Afrika, pauschale Urteile und den Teufelskreis der Armut.

Von Silvia Liebrich und Hans von der Hagen

Die Kenianerin Auma Obama, 52, hat einen berühmten Bruder. Sie ist die Halbschwester des alten und neuen US-Präsidenten Barack Obama. In Deutschland ist sie deshalb ein gefragter Gast in Diskussionsrunden und Talkshows. Immerhin hat sie 16 Jahre hier gelebt und auch studiert. Sie arbeitete dann einige Jahre als Ostafrika-Koordinatorin der Hilfsorganisation Care in Kenia, mittlerweile leitet sie mit der Sauti Kuu Foundation eine eigene Stiftung. Im Interview mit der Süddeutschen Zeitung erklärt sie, warum Hilfe zwar oft gut gemeint ist, aber wenig bringt. Gar nicht gern hat sie es, wenn man sich nach ihrem Bruder erkundigt. Gefragt haben wir trotzdem.

SZ: Frau Obama, warum wollen Sie eigentlich nicht auf Ihren Bruder angesprochen werden?

Auma Obama: Was denken Sie? Ich komme hierher, um mit Ihnen über meine Arbeit zu reden. Und Sie fragen nach meinem Bruder. Wenn ich Sie nach Ihren Geschwistern fragen würde, hat das doch nichts mit ihrer Arbeit oder dem Thema zu tun.

Wir reden gerne über unsere Familien.

Ich bin auch stolz auf meinen Bruder. Aber wenn es um ihn geht, führen wir ein ganz anderes Gespräch. Und die meisten Interviews, die ich zusage, haben mit meiner Arbeit zu tun.

Also zu Ihnen: Sie haben 16 Jahre hier in Deutschland gelebt. Wie viel Deutschland steckt noch in Ihnen?

Ich würde nicht sagen, dass in mir Deutsches steckt, vielmehr dass ich, wenn ich in Deutschland bin, mich nicht fremd fühle. Ich spreche die Sprache und kann mit den Menschen umgehen.

Sie haben einmal gesagt, ihre persönliche Charta sei in Deutschland entstanden.

Nicht entstanden. Mein Plan vom Leben hat sich hier entscheidend weiterentwickelt. Ich habe einen starken Willen und wusste schon mit acht Jahren, was ich wollte. Aber erst, als ich mit 19 Jahren hierher gekommen bin, konnte ich das ausleben. Meine Ideen sind hier gereift - vor allem der Drang, den Menschen in meiner Heimat in Kenia zu helfen. Die Jugendlichen dort müssen das Land voran bringen.

Sie haben über das Thema Arbeit in Kenia und Deutschland ihre Doktorarbeit geschrieben. Was können Deutsche von Ihrem Heimatland lernen?

In Deutschland hängen das Lebensgefühl der Menschen und der Rang in der Gesellschaft entscheidend von der beruflichen Stellung des Einzelnen ab. In Kenia ist das anders. Man identifiziert sich nicht allein über Arbeit, sondern auch über Familie, Kinder, Herkunft, die eigene Kultur und Traditionen. Die Arbeit kann jederzeit verlorengehen. Was bleibt dann noch?

Wie prägen Ihre Erfahrungen in Europa nun Ihre Arbeit in Kenia?

Die Zeit in der Ferne hat mir die Möglichkeit gegeben, mein Zuhause und mich selbst anders zu sehen. Das ist sehr wichtig.

Entwicklungshilfe einfach abschaffen?

Viele Jahre lang bestimmte die Diskussion über die Entwicklungshilfe das Verhältnis zwischen europäischen und afrikanischen Ländern. Hat die Entwicklungshilfe am Ende mehr geschadet als genutzt?

Leider hat man lange Zeit bei uns den armen Menschen 'geholfen', ohne zu verlangen, dass sie auch für sich selbst etwas tun. Dadurch haben die ärmsten der Armen gelernt, dass sie selbst nichts tun müssen - es kümmert sich ja jemand anders um ihre Probleme. Das ist ein großer Fehler. Jeder Mensch ist selbst dafür verantwortlich, was in seinem Leben passiert. Das versuche ich bei meiner Arbeit mit den jungen Leuten zu vermitteln.

Also Entwicklungshilfe abschaffen?

Inzwischen wird ja von Entwicklungszusammenarbeit gesprochen. Aber ein entscheidender Fortschritt ist das noch nicht. Wichtig ist die Art der Zusammenarbeit. Es wird immer noch zu wenig mit den Menschen gesprochen, darüber, was sie wirklich brauchen und ob die von außen identifizierten Nöte auch tatsächlich Probleme sind.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Die Jugendlichen, mit denen ich auf dem Land arbeite, sind arm. Aber ganz ehrlich betrachtet, sind viele Familien arm, weil sie nicht wissen, wie sie vorhandene Ressourcen richtig nutzen, um finanziell zu profitieren. Den Menschen muss gezeigt werden, wie sie das tun können, damit sie sich selber helfen können.

Es fehlt also die Hilfe zur Selbsthilfe?

Nein. Es geht darum, mit den Leuten Klartext zu reden. Tut was!

Wer soll so mit ihnen reden?

Es ist egal, ob die Kritik aus Deutschland oder Kenia kommt. Wenn man die Leute mit Samthandschuhen anfasst, kommt man nicht weit. Doch genau das wird gemacht, wenn es um Afrika als Kontinent geht. Man fürchtet sich, Klartext zu reden. Es wird nur wenig erreicht.

China investiert stark in afrikanischen Ländern. Die Volksrepublik ist an Rohstoffen interessiert und schließt Partnerschaften. Profitieren die afrikanischen Länder am Ende mehr davon als von der Entwicklungshilfe westlicher Länder?

Egal, wie man das nennt, es hat immer mit Wirtschaft und Profit zu tun. Jeder will für sich das Beste herausholen. Wenn eine deutsche Firma einen Auftrag in Kenia bekommt, hilft das der deutschen Wirtschaft. Wir bringen den Jugendlichen deshalb bei, gründlich zu hinterfragen, auf was sie sich einlassen. Es soll ein beidseitiges Geben und Nehmen sein. Sie müssen hinterfragen, was sie davon haben. Nur wenn sie das verstehen, handeln sie auch im eigenen Interesse und können Verantwortung für sich selbst übernehmen.

Es geht um Geschäfte auf Augenhöhe?

Ja. Aber Geschäfte auf Augenhöhe, das funktioniert in der Regel noch nicht. Projekte in der Entwicklungszusammenarbeit holen immer noch zu wenig Rat von ihren Zielgruppen und den einheimischen Experten vor Ort.

Das klingt frustriert.

Überwiegend gibt es nur das eine Bild von Afrika, von Armut. Eine Auma Obama, beziehungsweise eine gebildete Schicht von Afrikanern, gibt es nicht in diesem Bild. Deswegen muss man auch nicht mit ihr reden. Hinzu kommt, dass die gebildete Oberschicht in afrikanischen Ländern oft mit einer korrupten Elite gleichgesetzt wird, die ihr eigenes Land ausnimmt. Dabei sind das meistens ganz normale Leute. Sie arbeiten hart um ihre Erfolge, genauso wie im gehobenen deutschen Mittelstand. Es wird aber immer pauschalisiert.

Wird nicht gerade die Leistung der Frauen in Afrika häufig unterschätzt?

Das bestimmt! Aber hier darf auch nicht pauschalisiert werden. Afrika ist sehr groß. Welche Regionen meinen Sie genau?

Nehmen wir Ghana, Kamerun, Elfenbeinküste oder das südliche Afrika. Die Arbeit in der Landwirtschaft wird dort vor allem von Frauen erledigt.

Sie haben also den Eindruck, dass die Frauen die ganze Arbeit machen und die Männer nichts tun?

"Es geht darum, mit den Leuten Klartext zu reden"

So hart war das nicht formuliert.

Ich finde es unglaublich gefährlich, gerade wie Sie mich das fragen. Es zeigt, was für ein limitiertes Bild Sie von Afrika als Kontinent haben. Ich kenne Jungs, die sehr hart arbeiten, um ihre Familie zu versorgen. Aber von diesen tollen Männern wird selten geredet, weil man sich immer auf die Frauen fokussiert, die bestimmte Arbeiten machen.

Ist der Eindruck, dass Frauen oft mehr leisten, also völlig falsch?

Es stimmt, die Frauen machen die meiste Arbeit in der Landwirtschaft in den Ländern, die Sie aufgezählt haben. Das hat aber mit der Kolonialgeschichte zu tun. Als Länder wie England, Frankreich oder Deutschland Afrika unter sich aufteilten, wurden die Männer gezwungen, in die Stadt zu gehen oder auf Plantagen zu arbeiten. Die Frauen blieben im Dorf zurück und mussten alle Tätigkeiten übernehmen. Die Männer durften ihre Familien nur selten besuchen. Aus der Arbeit zu Hause haben sie sich dann rausgehalten. An dieser Rollenverteilung hat sich bis heute nichts geändert. Hinzu kommt die Tatsache, das Jungs bevorzugt in die Schule geschickt werden, wo das Bildungswesen sie auf einen Job im Büro vorbereitet. Arbeit in der Landwirtschaft wird als letztes Mittel, als Versagen gesehen, wenn man in der Stadt keinen Job findet.

Wie können Sie diese Rollenmuster aufbrechen?

Das ist nicht so einfach. Viele Kulturphänomene bremsen den Wandel.

Im Westen wird derzeit der große Aufschwung des afrikanischen Kontinents gefeiert. Was spüren sie davon?

Wir hören und lesen viel darüber. Es findet auf jeden Fall statt. Es kommen auch viele Geschäftsleute nach Kenia. Nur: Die meisten Menschen auf den Straßen in Nairobi und anderswo merken nicht viel davon. Von dem sogenannten Aufschwung profitiert nur ein ganz kleiner Prozentsatz der Bevölkerung.

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