Rainald Goetz im Interview:Das Recht ist die Niederlage der Vernunft

Rainald Goetz

Seit "Irre", dem ersten, im Jahr 1983 publizierten Roman, hat Rainald Goetz all seine Bücher im Suhrkamp-Verlag veröffentlicht. In diesem Jahr ist dort der Roman "Johann Holtrop" erschienen.

(Foto: dpa)

Weihnachtsgeschichte mit Antrag auf Schriftsatznachlass: Ein Gespräch mit dem Schriftsteller Rainald Goetz über den Suhrkamp-Verlag, den Anspruch auf Gewinn und die Aufgabe des Verlegers.

Von Thomas Steinfeld

SZ: Der Suhrkamp-Verlag ist existenziell bedroht, durch einen Konflikt zwischen Mehrheits- und Minderheitsgesellschafter, der vor Gerichten ausgetragen wird. Wie sollten in diesem Konflikt die Autoren des Verlags agieren? Bisher hört man vor allem Sympathieerklärungen für Ulla Unseld-Berkéwicz. Reicht das?

Goetz: Jeder reagiert auf seine Art, das gibt bei Suhrkamp ein ziemlich buntes Bild. Es ist jedenfalls ein festhaltenswertes Datum, dass bisher kein einziger Autor des Verlags sich für Barlach ausgesprochen hat. Barlach hat sich zwar mit seinem eigenen Geld, wie er in der FAZ betont hat, einen ziemlich großen Teil des Verlags gekauft, aber keine den Verlag weiterentwickelnden Ideen eingebracht, im Gegenteil. Mit seinen Klagen hat er die Arbeit des erfolgreichen, jetzt per Feststellungsurteil vom Gericht abberufenen Führungstrios des Hauses systematisch erschwert, behindert, im Moment ja praktisch unmöglich gemacht. Ich sehe da einen Widerspruch zu den wirtschaftlichen Interessen seines Investments, die er angeblich vertritt. Er schädigt ja den Verlag auch wirtschaftlich, weil er die Aktivitäten der Führung von Suhrkamp blockiert, mitten im berühmten Weihnachtsgeschäft. Das ist schon ganz schön irr.

Sie sind in Berlin zu den Gerichtsterminen gegangen. Interessiert Sie der Suhrkamp-Streit als literarischer Stoff? Als Auskunft zur Lage der öffentlichen Auseinandersetzung? Gäbe diese Geschichte etwas her für einen guten Text über die Gegenwart?

Mich interessiert der Rechtsstreit. Warum bildet sich der Sachbefund, dass der Verlag hervorragende Arbeit macht, im Recht nicht ab? Interessant sind ja bei jedem Streit die Details. Bei der mündlichen Verhandlung hier in Berlin, Mitte Oktober, wurden zwei Stunden lang die in endlosen Schriftsätzen schon dargelegten Argumente öffentlich live ausgetauscht. Das war absolut faszinierend. Leider war es auch sehr deprimierend, weil schon unübersehbar war, dass das egal wie richtige Verhalten des Verlags in den streitigen Punkten, Villa, Mietvertrag, Abberufungsbeschlüsse etc., rechtlich angreifbar ist. Dass also ein Urteil gegen den Verlag ziemlich wahrscheinlich ist. Auch der fast grotesk weitreichende Vergleichsvorschlag des unsicheren, unsympathischen Richters Gieritz hat schon in diese Richtung gedeutet.

Die Presse berichtet ausreichend genau über diese Dinge, aber man steigt einfach intellektuell ganz anders ein, wenn man sich selber der Situation und den dort agierenden Leuten von Angesicht zu Angesicht aussetzt. Deshalb gehe ich so gern ins Gericht, ins Parlament, in die Universität, to pimp my mind sachwärts. Warum ist das Recht so unvernünftig? Was heißt die Erfahrung, die man dauernd macht, speziell im Straßenverkehr: das Recht ist die Niederlage der Vernunft? Außerdem sind diese Konfliktlinien zwischen Recht und Wirtschaft, Vernunft und Recht, Geld und Wahrheit und so weiter allgemein gesellschaftliche Groß- und Grundkonflikte, extrem aktuell.

Der Suhrkamp-Verlag ist seit dem Tod Siegfried Unselds 2002 durch eine Reihe spektakulärer Krisen gegangen. Suhrkamp wurde darüber zu einer Art "Soap-Opera" der literarischen und intellektuellen Welt. Haben Sie eine Erklärung für diese Kette aus öffentlichem Ärger?

Es gab viel realen Ärger intern, der eigentlich gar nicht öffentlich war. Aber durch die besondere Stellvertreterposition, die Suhrkamp hat, wurde jeder Konflikt überstark beobachtet und debattiert. Der Verlag hat über die Person von Siegfried Unseld außerdem auch immer sehr persönlichkeitsstarke Leute angezogen und vereint, oft in prekärer Konstellation. Und natürlich gab es auch zu Zeiten von Siegfried Unseld viele Konflikte und Weggänge im Ärger, auch in den späteren Jahren. Achternbusch, Fichte, Kroetz. Ich sehe mich noch bei Unseld im Zimmer stehen und bei einem Streit über mein Theaterstück "Festung" auf die Bände der stw-Wissenschaftsreihe zeigen und ausrufen: "Wegen dieser Bücher bleibe ich bei Suhrkamp!" Denn Unseld wollte mich dazu provozieren, dass ich, beleidigt von seiner Kritik, den Verlag verlasse. Statt dessen habe ich mir in einer großen Lektoratssitzung von ihm seine Einwände erklären lassen und dann eine Neufassung von "Festung" geschrieben. Das Folgestück "Jeff Koons" verdanke ich auch Unselds Kritik. So etwas hat ihm Spaß gemacht, mir auch. Die schönste Art von Loyalität ist interner Streit, Weiterentwicklung gemeinsam an der streitig ausgetragenen Differenz von Sichtweisen. Das hat bei Suhrkamp Tradition.

Von außen beobachtet wird daraus etwas Unschönes. Und das sehr wenig schöne Narrativ für die Beobachtung solcher sich lang hinziehender Konflikte ist eben die Soap. Das meint einen gewissen Unterhaltungswert der Sache. Den kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Meine Sehnsucht in Gruppe ist absurderweise, weil ich gleichzeitig so gerne streite, dennoch immer Harmonie. Jeder einzelne Weggang von Suhrkamp hat mich betrübt, über all die Jahre hin. Ich habe mir oft vorgestellt, was Suhrkamp wäre, wenn alle noch da wären, die gegangen sind. Joachim Unseld, Gottfried Honnefelder, Günter Berg, Bodo Kirchhoff, Daniel Kehlmann, sogar der scheußliche Walser, Reich-Ranicki und wer nicht noch alles. Dann hätten wir mit den Kehlmann-Gewinnen die Reinhard-Anteile gekauft. Barlach würde bei Suhrkamp einen Bildband über seinen Großvater machen dürfen. Und die jetzt streitige Villa könnte ganz dem Verlag gehören, anstatt dass er in ihr nur zur Miete seine Räume hat.

Der Umzug des Verlags nach Berlin wurde auch mit dem Argument begründet, die Stadt habe sich zum kulturellen Zentrum Deutschlands entwickelt. Zu den Folgen gehört auch die Villa der Verlegerin in Nikolassee, um die nun gestritten wird. Was bedeutet für Sie die "kulturelle Repräsentanz" des Verlages?

Ich habe tolle Veranstaltungen dort erlebt, "kulturelle Repräsentanz" heißt bei Suhrkamp ja lebendige Intellektualität. Ich finde auch die Villa genau richtig. Sie zeigt den Geist der Gegenwart, das hat etwas Spektakuläres, Provokatives. Das passt zur Verlegerin, so wie der etwas karge Sachlichkeitsstil des Frankfurter Suhrkamp- Hauses zu Unseld und seiner Zeit gepasst hat. Ich finde die Weitsicht der Verlagsführung bemerkenswert, mit der sie den Berlin-Umzug betrieben haben. Die Analyse, die sie gemacht haben, hat sich als richtig herausgestellt. Der Verlag hat sich hier auf absolut faszinierende Weise erneuert, verjüngt und hochinteressant politisiert, zugleich wirtschaftlich stabilisiert. Vielleicht ist der Verlag im Moment sogar wieder innerlich lebendiger als zu Unselds Spätzeiten ab den mittleren 90er Jahren, vielleicht sogar wichtiger.

Die Polemik gegen die Verlegerin hat in der Villa ein ausdrucksstarkes Bild. Aber in Wirklichkeit ist diese Villa der Ausdruck davon, dass die Verlegerin ihre Rolle gefunden hat. Sie ist eine Besitzer-Verlegerin. Das gibt es nicht mehr oft bei einem Publikumsverlag dieser Größe. Es gibt den Beck-Verlag, und Benedikt Taschen fällt einem ein, der seinen Kunst-Verlag so glamourös und glorios führt, wie es nur ein Besitzer-Verleger kann. Jetzt wurde die Hanser-Nachfolge bekanntgegeben, Lendle folgt auf Krüger. Angestellte Verlagschefs führen inzwischen fast alle wichtigen mittelgroßen Verlage. Aber nur die Personalunion von Besitz und operativer Verantwortung ermöglicht das ganz besondere Verleger-Charisma, das zu Suhrkamp gehört.

"Rendite ist nicht das primäre Geschäftsziel"

Siegfried Unseld hat das gelebt. Er steckte seine Kraft in eine Gemeinschaft von Autoren, war das persönliche Zentrum seines mittelständischen Unternehmens. Ist dieses Modell - der energetische Einzelne und sein Haus - in der Gegenwart noch lebbar?

Ich hoffe es sehr, weil es für Verlage ein gutes Modell ist. Ulla Unseld-Berkéwicz hat ja genau dieses Erbe angetreten. Dazu gehört übrigens auch die rechtlich jetzt so strittige Vermischung von Privatem und Geschäftlichem. Denn Privates und Geschäftliches in sich zuinnerst zu vermischen, ist die Essenz des Verlegerberufs, die Jobbeschreibung Verleger. Auch in der Realität des Handelns müssen Geschäftliches und Privates beim Verleger verbunden sein und dauernd ineinander übergehen. So die Seite des Tatsächlichen, der Praxis. Aber wie wird das bilanziell abgebildet? Für die Steuer, für den Geschäftsbericht der Gesellschaft. Ich kann mir sehr gut vorstellen, welchen irrwitzig aufwendigen Beleg- und Dokumentationsanforderungen ein Betrieb von der Größe Suhrkamps unterliegt, der nicht nur der Steuer gegenüber korrekt, sondern auch noch einem feindlich gesinnten Mitbesitzer gegenüber unangreifbar verfahren muss. Und das über Jahre hin. Es könnte durchaus sein, dass das real unmöglich ist. Dass man also auf die Beseitigung des Mitbesitzers hinarbeiten muss, oder, das wäre natürlich besser, der Feindschaft.

Dass Suhrkamp in den vergangenen Jahren (mit Ausnahme von 2010, durch den Verkauf von Immobilien und Archiv) stets Verluste gemacht hat, ist bekannt.

Das stimmt doch gar nicht! "Ist bekannt": wer sagt das? Können Sie die Bilanzen denn lesen und bewerten? Die Verlagsführung hat ganz andere Dinge dazu gesagt. Demnach hat der Verlag in den letzten Jahren auch im operativen Geschäft Gewinn gemacht. Ich kann das gar nicht überprüfen. Aber mit welcher Freude angestellte Journalisten jetzt die billigsten Phrasen des ökonomischen Sachverstands nachplappern und sich zu eigen machen, ist extrem lächerlich. Speziell Richard Kämmerlings hat sich da in der Welt hervorgetan: "schlechtwetterfeste Kostenstruktur", "ökonomische Vernunft", "sehr viel Geld verbrannt", "große Sorgen" etc. Ein Schwachsinn!

Der Vorwurf der Misswirtschaft dient Hans Barlach als Hauptargument gegen die gegenwärtige Geschäftsführung. Immer wieder wird vom "fehlenden Bestseller" geredet. Wie sehen Sie die ökonomische Realität des Unternehmens?

Diesen Vorwurf hat Barlach erhoben, seit er vor sechs Jahren Anteile am Verlag gekauft hat. Jetzt hat er im Spiegel wieder eine "auskömmliche Rendite" angemahnt, von "einem mittelfristigen Renditekorridor von 5 bis 15 Prozent" gesprochen. So redet kein vernünftiger Investor. Offenbar hat Barlach Schwierigkeiten, das Unternehmen, in das er sich eingekauft hat, und die ganze Branche gerade unter ökonomischem Gesichtspunkt zu verstehen. Publikumsverlage machen deutlich weniger Rendite, drei Prozent, vier Prozent.

Es ist auch gar nicht das primäre Geschäftsziel von Suhrkamp, Rendite zu erwirtschaften und so irgendjemandem ein "auskömmliches" Auskommen zu verschaffen, auch nicht dem Mitbesitzer. Der Verlag hat den selbstgestellten Auftrag, sich selbst zu erhalten. Das heißt, ökonomisch so erfolgreich zu sein, dass er sein hochkomplexes Programm jedes Jahr neu finanzieren kann. Das ist schwierig genug. So hat Unseld das Haus geführt. Und genau damit hat die jetzt seit fünf Jahren amtierende Geschäftsführung den Verlag stabilisiert: ökonomisch Selbsterhaltung, geistig Expansion.

Ein solches Programm braucht eine auch populär erfolgreiche Seite und manchmal einen Bestseller. In den 80er- Jahren hat ein einziges Buch von Isabel Allende ein ganzes zweites Haus neben dem alten Verlagsgebäude eingespielt. Und auch jetzt würde ein Bestseller helfen. "We need 2nd bestseller", hat der frühere Barlach-Gefährte Grossner, der sich später das Leben genommen hat, in seinen sms-Botschaften direkt nach der angekündigten Übernahme 2006 gefordert. Der Spiegel brachte damals einen sehr lustigen Artikel, der den ganzen Irrsinn der Neuinvestoren zeigte. Katharina Hacker stand mit ihrem Buchpreis-Sieger-Buch "Die Habenichtse" damals auf Platz eins. Später gab es Tellkamps "Der Turm". Jetzt länger nichts. Ja, wir sind tendenziell zu marginal, das ist eine Schwäche. Da sind die anderen, wie Rowohlt, Hanser, Kiepenheuer, Fischer, etwas besser. Aber wir haben in unsere Marginalität an vielen Stellen neu investiert, was langfristig wahrscheinlich auch ökonomisch die erfolgreichere Strategie ist als die stumpfe Reduktion von Kosten, die Barlach fordert.

Zur juristischen Realität gehört die Existenz eines Minderheits-Gesellschafters. Die gegenwärtigen Konflikte sind an die Person Hans Barlach gebunden. Davor gab es Konflikte mit Joachim Unseld und Andreas Reinhart. Sind diese Vorgeschichten von Bedeutung?

Ja, es wurde immer zu schnell und zu viel prozessiert. Und zwar von allen Beteiligten. Die Anwälte raten immer zu, sie leben nicht nur davon, sie lieben das auch, auch in auswegloser Lage weiter zu argumentieren und darauf zu hoffen, dass der Gegenseite irgendwann ein gravierender Verfahrensfehler unterläuft. Dass irgendjemand irgendetwas übersieht, dass die berühmte Nichtigkeit irgendwelcher Beschlüsse festgestellt werden kann. Im jetzt gegen den Verlag ergangenen Schadensersatz-Urteil wird mehrmals "Dr. Joachim Unseld" mit "Dr. Siegfried Unseld" verwechselt. Nicht weiter schlimm, man versteht, was gemeint ist. Es ist halt ein Fehler, Fehler passieren. Dem Gericht, dem Mehrheitsgesellschafter, dem Wirtschaftsprüfer. Aber es ist eine todtraurige Taktik, die Gegenseite in einem Konflikt die ganze Zeit darauf zu belauern, dass ihr ein rechtlich relevanter Fehler unterläuft.

Das Recht ist eine ziemlich herrliche Sache, der Rechtsstreit nicht. Er darf im Konflikt nur die Ultima Ratio sein. Gleichzeitig müssen außergerichtliche Verhandlungen laufen. Alle großen Firmen, die professionell Rechtsstreitigkeiten führen müssen, sind nebenher in Vergleichsverhandlungen mit der feindlichen Gegenseite. Man muss die menschlichen Dinge zurückstellen können. Ich habe da immer Friede Springer vor Augen, wie sie mit Kirch, der ja auch ihr Haus feindlich übernehmen wollte, umgegangen ist: freundlich, konziliant, aber in der Sache zielstrebig und erfolgreich. Jetzt hat sie ihren Ritter, der ihr das ermöglicht hat, Verlagschef Döpfner, auch noch zum Besitzer-Verleger gemacht, indem sie ihm paar Anteile geschenkt hat, für ein paar zig Millionen Euro. Das finde ich einfach großartig souverän und richtig.

Es gibt im Zivilprozess keinen Sieger, am Schluss verlieren alle. Ich habe mir das im Esra-Prozess über Jahre hin ganz aus der Nähe angeschaut. Oder Kirch, der seinen Prozess gegen die Deutsche Bank jetzt gewonnen hat. Nur leider ist er schon seit eineinhalb Jahren tot. Er erfährt nichts mehr von diesem Spättriumph, hat sich aber die letzten zehn Jahre seines Lebens im Rachefeldzug gegen diesen nichtigen Breuer verzehrt. Es ist eine Tragödie, ein großer Stoff, ein Horror. Nein, man muss die Konflikte anders lösen.

"Orientierung auf Rechtsstreit bringt Destruktivität hervor"

Wie denn?

Zuallererst indem man sich das klarmacht. Indem man die Zielsetzung aufgibt, vor Gericht Recht zu bekommen, in der Weise, wie man glaubt, es stehe einem zu. Der Wirklichkeitsnachbau des Rechts ist defizitär. Ein Verlag wie Suhrkamp lässt sich nicht gleichzeitig sachgerecht vernünftig und rechtlich unangreifbar führen. Außerdem bringt die Orientierung auf den Rechtsstreit in beiden Parteien Destruktivität und böse Absichten hervor. Das ist schlecht, das behindert die konstruktiven Energien, die man zur Führung der Gesellschaft braucht.

Auch wenn Barlach mit seinen Kosten bisschen übertreibt, von 60.000 bis 70.000 Euro pro Monat hat er in der FAZ gesprochen, er drängt ja die gleichen Kosten dem Verlag auf, der ihm auch gehört. Auch da muss man an der wirtschaftlichen Vernunft von Barlach zweifeln. Offenbar geht es um was anderes, um irgendetwas Menschliches. Dem muss man sich gedanklich zuwenden.

Peter Handke nennt Hans Barlach einen abgrundbösen Unhold. Schon jetzt ließe sich leicht eine Anthologie mit Barlach-Beschimpfungen zusammenstellen. Wären Sie darin gern vertreten?

Gern. Wenn es der Wahrheitsfindung dienen würde. Aber das glaube ich nicht. Wahrscheinlich müssen wir auf Barlach zugehen. Wir müssen ihm den Streit, den er mit allen Mitteln zu erzwingen versucht, zugestehen. Er hat öffentlich ja nur Unsinn erzählt über den Verlag, über seine Pläne. Da ist es schwer, ihm die menschliche Anerkennung als Gegenüber zuzubilligen. Sie steht ihm im Kontakt unter Anwesenden aber zu. Diese Situation müsste herbeigeführt werden, dass man sich gegenübersteht. Auch wenn alle immer wieder sagen, das geht nicht, man kann mit dem nicht reden.

Es gibt nur schlimme Geschichten über ihn, und wenn man ihn sieht, glaubt man sie alle. Die blaue Blumenhändler-Rolex, das schütter gewellte, mittelbraun getönte Haar, die dicke, glasig gespannte Sonnenstudiohaut im Gesicht. Ich habe ihn in einer Prozesspause angesprochen, was er seine Anwälte da für einen wahrheitswidrigen Unsinn erzählen lässt. Da reagiert er wie ein stumpfer Automat, redet sofort von seinen Rechten, die er ja nur in Anspruch nimmt. Er ist auch noch ein Wimp, nicht nur ein Rechtsquerulant, ein Feigling, ein unsicherer Mensch. Aber egal! Wir selber sind ja auch alle leicht kontaktgestört, unoffen, überobsessiv. Alles Dinge, die man im Interesse der Sache mal probeweise zur Seite drängen könnte.

Hans Barlach hat den vom Verlag vorgeschlagenen Vermittler Michael Naumann abgelehnt. Könnte jemand anderer vermitteln? Oder ist doch nur eine Auflösung der Gesellschaft mit anschließender Rekonstruktion des Suhrkamp- Verlags sinnvoll?

Wer vermitteln könnte, weiß ich nicht. Eine Auflösung und Rekonstruktion würde absurde Energien verschlingen. Man müsste den berühmten Schlussstrich ziehen unter die Vergangenheit und neu anfangen. Zuerst die Rechtstatsachen anerkennen, dann die davon geschaffene Situation. Dann das Recht beiseite legen und sich Barlachs Forderungen geben lassen. Dann erwägen, was davon anerkannt werden könnte, dann verhandeln. Ihm gehört zwar mehr als ein Drittel des Verlags, aber nicht die Mehrheit.

Vielleicht müsste man ihn aber tatsächlich als erstes zu einer dieser Verlagsveranstaltungen in die Villa in der Gerkrathstraße einladen. Dass er endlich auch einbezogen ist und dabei sieht, wie vernünftig das Geld, das da ausgegeben wird, eingesetzt ist. Welchen Vermittler schlägt denn Barlach eigentlich vor?

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