RTL-Show "Alle auf den Kleinen" mit Oliver Pocher:Müder Marathon

Für eine fast vierstündige Spielshow holt RTL Oliver Pocher aus dem Vorruhestand bei Sky zurück. Der Comedian hält sich elegant im Hintergrund und die Zeit zwischen Sonja Zietlows Zoten zieht sich unerträglich in die Länge. Obwohl das vertraute Konzept anderswo durchaus erfolgreich ist.

Eine TV-Kritik von Lena Jakat

"Der Bub, also Fernsehen wär' nichts für ihn", sagt Sandra Unger. Die Arbeitsvermittlerin aus Leipzig sagt das über Oliver Pocher. In Oliver Pochers Fernsehshow. Das ist witzig gemeint, kommt aber nicht so rüber. Zumal man der Dame schon nach den ersten zehn von insgesamt 225 Sendeminuten am liebsten laut "jenau" zurufen würde. Die Spielshow heißt "Alle auf den Kleinen" und soll RTL den letzten Freitag vor dem Start des Dschungelcamps retten.

Eigentlich hatte man ja gedacht, der blonde Niedersachse mitsamt seinen "Meine Frau ..."-Witzen sei für immer im Nirvana des Bezahlsenders Sky verschwunden, wohin er seinem 20 Jahre älteren Ex-Co-Moderator Harald Schmidt im August 2011 vorausging. Doch nichts da. "Wahrscheinlich habt ihr ihn nur übersehen!", würde Sonja Zietlow wohl sagen. Sie moderiert das vierstündige Debakel, für das RTL Pocher aus seinem "Samstag Live!"-Rententeil zurückgeholt hat.

In 15 Spielen tritt ein Pocher im Smoking gegen Jobcenter-Beamtin Sandra Unger und zwei weitere Herausforderer (einen Polizisten aus Baden-Württemberg und einen Arzt aus Göttingen) an, von denen jeder 100.000 Euro gewinnen kann. Klettern, Kicken, Raten. Kommt Ihnen bekannt vor, von einer Sendung, durch die Pocher selbst mal als Außenreporter hopste? Quatsch, Stefan Raab würde sich nie freiwillig als "der Kleine" bezeichnen lassen.

So überzeugend wie Steinbrück als Robin Hood

Weil Pocher inzwischen 34 Jahre alt ist, verheiratet und Vater dreier Kinder, ist das männliche Blondchen-Image, das des naiven Lausbubs aus "Rent a Pocher" zwar ungefähr so überzeugend wie Peer Steinbrück als Robin Hood. Weil Pocher aber in den vergangenen 14 Jahren Fernsehkarriere nicht so viel anderes gelernt hat, will RTL offenbar noch ein letztes Mal versuchen, ob da nicht doch noch was rauszuholen ist.

Also haben sich die Macher der Sendung auf die Körpergröße des Comedians kapriziert. Denn Pocher ist schließlich klein, sehr klein. Auch wenn unklar bleibt, wie klein - 1,73 Meter schreibt RTL in seiner Ankündigung, 1,69 Meter sagt die 1,77 Meter große Zietlow. Damit die Zuschauer trotzdem die Idee hinter "Alle auf den Kleinen" verstehen, wird allein in den ersten zwei Minuten der Sendung fünfmal auf Pochers angebliche Körperkleinheit angespielt.

Zwischen Pochers Niesen und Zietlows Zoten

Die schlechten Witze sind fast ausschließlich Sonja Zietlow vorbehalten. In eine glitzernde Ethno-Tunika gewandet, die aussieht wie aus dem Versandkatalog, darf sie sich schonmal für den Dschungel - wo sie sich augenscheinlich wohler fühlt als im stilisierten Boxring des RTL-Studios - warm moderieren. Mit Sätzen wie "Gegen drei zu verlieren mag ja noch okay sein, aber gegen eine Frau ..."

Wer wegen des "Pocher" im Titel der Sendung eingeschaltet hat, wird enttäuscht. Der nämlich spricht wenig und spaßt noch weniger. Nur ganz selten darf der Kandidat ätzen oder wenigstens (im Schwitzkasten des Profi-Wrestlers Demolition Davies) ein bisschen ächzen. Gags, die diesen Namen verdienen, gibt es höchstens eine Handvoll pro Stunde. Doch das Publikum ist gut konditioniert, es klatscht und grölt, selbst wenn der ach so liebenswerte Blondschopf nichts anderes tut als zu niesen. Zwischen Pochers Niesen und Zietlows Zoten ziehen sich die eineinhalb Stunden bis zur ersten Werbeunterbrechnung so sehr in die Länge, dass vor allen GfK-Quotenmess-Geräten, die dann noch registriert werden, die Fernbedienungsbediener eigentlich längst eingeschlafen sein müssten.

Etwas lebhafter sind da die #aadk-Diskussionen bei Twitter. Sauer stößt vielen Zuschauern die winzige Ähnlichkeit zur Prosieben-Erfolgsshow "Schlag den Raab" (#sdr) auf. "Hat was von Schlag den Raab in der Totensonntags-Version", kommentiert etwa @DonSchulze. Noch bevor Zietlow ihre rhetorische Frage: "Sie fragen sich sicherlich, woher die Ideen für all die tollen Spiele stammen" stellen kann, ist in dem sozialen Netzwerk die Antwort längst gefunden: "Die Spiele, die bei #sdr abgelehnt wurden, gibt's heute bei #aadk", twittert @molossus23. "Die #sdr Spiele die @ProSieben zu doof waren hamse bei ebay vertickt. RTL hat auf sofortkauf geklickt", meint @brummipilot.

Pocher in einem Dickdarm aus Stoff

Als dann auch noch Max Giermann ins Studio kommt, "Deutschlands bester Imitator", wie Zietlow sagt, wird es wirklich absurd. Das Körper-Karaoke des Komikers ist das zehnte Spiel des Abends. Und das unterhaltsamste. Berühmt wurde Giermann als Alter Ego nicht von Pocher, sondern, genau: von Stefan Raab. Und so sorgt ein Raab-Double für die lustigsten sieben Minuten des Abends.

Am Ende steht der Mediziner Knut Höhler um Mitternacht mit dem Preisgeld in der Tasche schon im Flitterregen, während Oliver Pocher noch in einem Dickdarm aus Stoff steckt. Das passt zwar zum Titel der Sendung. Doch so richtig interessiert das auch nicht mehr. Vielleicht sollte sich Pocher tatsächlich noch einmal mit der Kandidatin aus Leipzig unterhalten.

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