Uran:Rechenspiele um die Zukunft

Wie lange reichen die Ressourcen der Erde noch? Industriefreunde und Umweltschützer schätzen diese Frage äußerst unterschiedlich ein. Besonders deutlich zeigt sich das beim Uran.

Frank Grotelüschen

Atomkraftwerke laufen mit Uran - bekanntlich eine endliche Ressource auf der Erde. Nur: Wie groß sind die Vorkommen, die der Planet noch zu bieten hat?

Uran: Kleine Menge, große Wirkung: Jede dieser kleinen Uran-Kugeln liefert so viel energie wie eine Tonne Kohle.

Kleine Menge, große Wirkung: Jede dieser kleinen Uran-Kugeln liefert so viel energie wie eine Tonne Kohle.

(Foto: Foto: AP)

Die Antworten weichen sogar dann dramatisch voneinander ab, wenn man sich an zwei verschiedene Ministerien wendet. Laut Bundeswirtschaftsministerium reicht das Uran noch für mehr als 240 Jahre. Das Bundesumweltministerium hingegen sieht die Vorkommen bereits in 65 Jahren erschöpft.

"Beide Zahlen sind im Grunde richtig", sagt Joachim Ohnemus, Geschäftsführer der Uran-Anreicherungsanlage Urenco in Gronau, es komme darauf an, welche Vorräte man bei seinen Abschätzungen in Betracht zieht. Das Umweltressort beschränkt sich in seiner Prognose auf die heute bekannten Lagerstätten.

Diese bergen rund 4,7 Millionen Tonnen Uran, die zu einem Preis von maximal 80 Dollar pro Kilogramm abbaubar wären. Bei einem Weltjahresverbrauch von derzeit etwa 68.000 Tonnen wären diese Reserven in etwa 65 Jahren erschöpft.

Das Wirtschaftsministerium macht eine andere Rechnung auf. Zum einen berücksichtigt es zusätzlich eine Million Tonnen an Reserven, deren Abbau aufwendiger ist und bis zu 130 Dollar pro Kilogramm kosten würde - was übrigens dem aktuellen Uran-Handelspreis entspricht.

Außerdem rechnet es damit, dass weitere zehn Millionen Tonnen abbaubares Uran in der Erde stecken - sogenannte spekulative Ressourcen, die zwar heute noch nicht entdeckt sind, die es aus grundsätzlichen geologischen Erwägungen aber geben müsste.

"Ihre Existenz gilt unter Geologen als sicher", sagt Ulrich Schwarz-Schampera von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover. "Wir gehen davon aus, dass man diese spekulativen Ressourcen auch fördern kann."

Auf diese Weise werden aus den 4,7 Millionen Tonnen des Bundesumweltministers die 16 Millionen Tonnen des Wirtschaftsministers. Aber: "Man müsste dann Lagerstätten mit schwachen Urankonzentrationen ausbeuten", sagt Greenpeace-Mitarbeiter Mathias Edler. "Dadurch steigen Landschaftsverbrauch und Umweltzerstörung."

Würde man außerdem die Kernkraft ausbauen und die Zahl der Reaktoren weltweit von derzeit 436 verdoppeln, würde sich die sogenannte Reichweite des Urans entsprechend halbieren.

Doch wenn ein Rohstoff knapp und damit teuer wird, lohnen sich plötzlich Maßnahmen, die vorher unwirtschaftlich waren. "Bislang entziehen wir dem Natururan beim Anreichern nur etwa die Hälfte des eigentlichen Spaltisotops Uran 235", sagt Ohnemus.

"Sollte der Preis steigen, würden sich aufwendigere Methoden lohnen, mit denen sich deutlich mehr Uran 235 gewinnen ließe." Damit ließen sich Hunderttausende Tonnen abgereichertes Uran, die heute auf Halde liegen, ein zweites Mal ausbeuten .

Ähnliches gilt für 22 Megatonnen Uran, die die Geologen in Phosphaten vermuten und die künftig bei der Gewinnung des Düngemittels als Nebenprodukt abgezweigt werden könnten - theoretisch genug, um die Atommeiler der Welt für weitere 300 Jahre zu befeuern.

Fein aufgelöst in den Ozeanen dürften sogar mehrere Milliarden Tonnen Uran stecken. Japan hat 2008 in einem Großversuch gezeigt, dass sich das Schwermetall aus dem Meerwasser filtern lässt. Zwar funktioniert das Prinzip, das so gewonnene Uran kostet aber Hunderte Dollar pro Kilogramm.

Da bei einem Kernkraftwerk die reinen Brennstoffkosten relativ niedrig sind - der Löwenanteil der Investitionen fließt in Bau und Betrieb -, könnten sich die Betreiber aber mit einem hohen Uranpreis arrangieren.

"Sobald die Nachfrage und damit auch der Preis steigt, lohnen sich neue Explorationen, und man kann Vorkommen abbauen, deren Förderung sich vorher nicht gelohnt hat", sagt BGR-Experte Schwarz-Schampera.

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