Neues von David Bowie:Rückkehr des Herzogs

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David Bowie beim Glastonbury Festival im Juni 2000. (Foto: DPA)

David Bowie nimmt die Retromania wörtlich und veröffentlicht nach zehn Jahren Pause einen altmodischen neuen Song über Berlin. Wie konsequent sich David Bowie in diesem Frühjahr selbst zu einer historischen Figur stilisieren wird, ist erstaunlich.

Von Andrian Kreye

Wenn man sich in den letzten Jahren mit David Bowie traf, dann begegnete man einem sehr schön gealterten Herren, der sein exaltiertes Rockstar-Charisma gegen eine charmante Lässigkeit eingetauscht hatte und es offensichtlich genoss, fernab der Öffentlichkeit viel Zeit zu haben. Über Popmusik redete er eigentlich nicht mehr so gerne. Er unterhielt sich lieber über Kunst, über die Konservativen in seiner Wahlheimat Amerika oder über Nahostpolitik. Er hatte ja auch seit 2003 keine neue Musik mehr aufgenommen, weswegen sich die Nachricht, dass er am Dienstag in der Früh klammheimlich eine neue Single im Netz veröffentlicht hat gerade nach allen Regeln des "viral" verbreitet.

Wenn er dann doch noch über Popmusik sprach, machte er sich gerne über die zwanghaften Nostalgiezyklen lustig und über die alten Avantgarden, die über die Jugend schimpfen. Und dann erzählte er von den Fabriketagen in Brooklyn, in denen er grandiose neue Musik gehört hatte, und über Jack Kerouac, der schon über die angeblich ahnungslosen Kids geschimpft hatte, als Bowie sich im Hippie-London der Sechzigerjahre noch langhaarig an der Liedermacherei versuchte.

So ganz der Nostalgie entziehen konnte sich Bowie natürlich nie. Als heute 66-jähriger gehört er zu der Generation Stars, die über die Classic-Rock-Sender und Neuauflagen ihrer eben schon klassischen Alben ein ordentliches Einkommen haben. Aber wie konsequent sich David Bowie in diesem Frühjahr selbst zu einer historischen Figur stilisieren wird, ist doch erstaunlich.

Anachronistisch wirkende Videokunst

Da ist zunächst mal die besagte Single, die den Titel "Where Are We Now" trägt. Die wird von einem Video begleitet, das der Videokünstler Tony Oursler im Stil seiner Arbeit "The Watching" für die Documenta von 1991 inszeniert hat, bei der er abgefilmte Gesichter auf Stoffpuppen projizierte, und das nun genau so anachronistisch wirkt, wie man sich das von Videokunst der Achtzigerjahre erwartet.

Bowie singt dazu eine Ballade, in der er sich an das Westberlin erinnert, in dem er Mitte der Siebzigerjahre die Alben "Low" und "Heroes" aufnahm. Da sitzt er noch einmal im Nachtklub "Dschungel", ist erstaunt, dass man heute eine Bahn zum Potsdamer Platz nehmen kann, und beschwört den Moment, als an der Bösebrücke der erste Grenzübergang der DDR geöffnet wurde.

Im März wird dann ein neues Album erscheinen, das den Titel "The Next Day" tragen wird. Produziert hat Tony Visconti, mit dem Bowie seit 1969 immer wieder zusammengearbeitet hat. Die Single klingt deswegen auch wie klassischer Bowie. Über einem sparsamen, leicht pathetischen Schlagzeug bauen sich weit ausklingende Gitarrenakkorde und synthetische Streicher zu jener Sorte Crescendo auf, das schon seinen Hit "Heroes" zu einem so unwiderstehlich emotionalen Reißer machte.

Ein Rückschritt, der Zeit voraus

Dass sich David Bowie treu bleibt und dabei an seine grandiosen "Thin White Duke"-Jahre anschließt, als er Mitte der Siebzigerjahre seine theatralische Phase hinter und seine musikalisch unentschlossenen Superstarzeit noch vor sich hatte, ist sympathisch. Nach dem dritten oder vierten Anhören gewinnt der spröde Song auch, vor allem wenn man sich gerne an das alte Westberlin erinnert. David Bowie macht ja gar keinen Hehl daraus, dass er hier an einem Alterswerk arbeitet. Dazu gehört auch, dass er in Ourslers Projektion eher an Jean-Louis Trintignant in Michael Hanekes "Liebe" erinnert, als an das androgyne Sexsymbol der Siebzigerjahre.

Mit dem wird sich ab dem 23. März dann eine große Ausstellung im Victoria & Albert Museum in London beschäftigen. 300 Kostüme, Skizzen und Objekte werden da zu sehen sein. Die meisten aus den Inszenierungen seiner frühen Kunstfiguren wie Ziggy Stardust und Aladdin Sane.

Es soll dezidiert keine Musikausstellung sein, auch wenn Sennheiser die Klanginstallationen konstruieren wird. Zusammengestellt haben die Schau die beiden Kuratoren der Theaterabteilung des ehrwürdigen Museums. Das wird dem frühen Bowie sicherlich gerecht. So wird die Inszenierung des Pop in einer Ausstellung auch schlüssiger sein. Die meisten Musikausstellungen erinnern doch zu sehr an den Besuch eines "Hard Rock Cafes". In jedem Fall ist Bowie selbst mit solch einem Rückschritt der Zeit mal wieder voraus. Denn man kann nicht konsequenter mit der Retromania umgehen, als sich selbst buchstäblich zu musealisieren. Und wenn man die Jugend nicht beschimpft, darf man sich ja auch auf den eigenen Ideen ausruhen.

© SZ vom 09.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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