Zelltherapie an Mäusen:Plötzlich hören sie wieder

Forschern ist es gelungen, Sinneszellen im Innenohr von Mäusen wachsen zu lassen. Anschließend konnten die zuvor stocktauben Tiere wieder einige Geräusche wahrnehmen.

Von Christina Berndt

Wenn es knallte, zuckten die Mäuse zusammen. Das freute die Wissenschaftler, denn ihre Versuchstiere konnten offenbar wieder hören. Dabei waren sie kurz zuvor noch stocktaub gewesen. Nun reagierten sie auf zuschlagende Türen, berichten die Otlogen um Albert Edge von der Harvard Medical School (Neuron, Bd. 77, S. 58, 2013). Sie hatten an den Tieren eine neuartige Behandlungsmöglichkeit gegen Taubheit erprobt. Mit Hilfe eines Medikaments brachten sie einfache Zellen aus dem Innenohr dazu, sich in Sinneszellen zu verwandeln, die für das Hören zuständig sind.

An diesen Haarsinneszellen mangelt es Schwerhörigen oft. Die feinen Härchen sind grundlegend für das Hören: Wenn sie von Schallwellen in Bewegung gesetzt werden, wird ein elektrisches Signal erzeugt, das an das Gehirn weitergeleitet wird. Allerdings regenerieren sich Haarsinneszellen nicht, wenn sie einmal verloren gegangen sind. Und Bedrohungen für die feinen Härchen gibt es genug: Sie können durch Lärm, Gifte, Infektionen und manche Medikamente, aber auch schlicht durch das Älterwerden zugrunde gehen.

Den Forschern aus Harvard gelang es nun, mit Hilfe eines Hemmstoffes, das Signalmolekül Notch im Innenohr lahmzulegen. Damit haben sie Einfluss auf das Schicksal der Stützzellen genommen, die die Haarsinneszellen umgeben, aber nichts mit dem Hören zu tun haben. Die Stützzellen entwickelten sich fortan zu Haarsinneszellen. Erstmals sei eine solche Umwandlung bei einem erwachsenen Säugetier gelungen, freut sich Albert Edge. "Es zeigt, dass es prinzipiell möglich ist."

Hirnscans hätten zudem bestätigt, dass die Mäuse etwas hörten - auch wenn die Verbesserung nicht groß gewesen sei. Die Tiere konnten nach der Therapie keineswegs normal hören.

Grundsätzlich seien solche Eingriffe in die Zellentwicklung "eine phantastische Regenerationsmöglichkeit", sagt die HNO-Ärztin Athanasia Warnecke von der Medizinischen Hochschule Hannover, die sich mit einem ähnlichen Forschungsgebiet beschäftigt. Allerdings sei bei vielen Patienten das Gewebe in der Region vernarbt. Sie hätten nicht nur die Haarsinneszellen, sondern auch die Stützzellen verloren.

Auch Edge betont, dass es noch ein weiter Weg sei, bevor diese Forschung vielleicht einmal Menschen helfen könne. Bisher können Hörhilfen und Cochlea-Implantate die Schwerhörigkeit mindern; eine Behandlung der Ursache gibt es aber nicht.

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