Bakterien:Leben in den Wolken

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Hagelkörner, hier die Hinterlassenschaften eines Sturms in der Schweiz, enthalten überraschend viele Lebensformen. (Foto: Reuters)

Es gibt Mikroben in Tausenden Metern Tiefe am Meeresgrund, in giftigen Schwefelquellen, im Erdboden und in Lebewesen. Aber auch hoch über dem Erdboden existieren Bakterien. In Hagelkörnern lassen sie sich nachweisen.

Von Katrin Blawat

Wo auf der Welt haben sich Mikroben nicht schon überall breitgemacht: In Tausenden Metern Tiefe am Meeresgrund zum Beispiel, in giftigen Schwefelquellen, im Erdboden sowie in Körpern der meisten anderen Lebewesen.

Geht es jedoch in höhere Sphären, werden die Hinweise auf Bakterien dünner. Wie sieht es zum Beispiel in Wolken aus?

Darüber war bislang eher wenig bekannt - auch deshalb, weil Mikrobiologen kaum Wege fanden, ihre Forschungsobjekte aus derart unsteten und schwer erreichbaren Gebilden wie Wolken herauszufischen.

Dabei muss es gar nicht so kompliziert sein, wie ein internationales Team um Tina Santl-Temkiv von der dänischen Universität Aarhus gezeigt hat. Die Wissenschaftler warteten einfach einen heftigen Hagelsturm ab, wie er am Nachmittag des 25. Mai 2009 über der slowenischen Hauptstadt Ljubljana tobte. Dann sammelten die Forscher 42 Hagelkörner ein und begannen ihre Analysen ( Plos One, online). Das Ergebnis sei "ein bislang beispielloser Einblick in die mikrobiologische Zusammensetzung von Sturmwolken".

Zwar war schon zuvor bekannt, dass Wolken Bakterien enthalten. Doch was diese Lebewesen dort tun, ob sie sich vermehren, verändern oder vielmehr in einer Art Dornröschenschlaf am Himmel dämmern, war weniger klar. Santl-Temkiv und ihre Kollegen zeigten nun: In Sturmwolken leben Mikroben, die normalerweise auf Pflanzen vorkommen. Irgendwie gelangen die Bakterien offenbar in Tausende Meter Höhe - und das so regelmäßig, dass die Forscher sie in einigen Fällen sogar als "typische Bewohner der Wolken" bezeichnen.

Sturmwolken über Namibia. Solche Wolkengebilde enthalten häufig Hagelkörner. Fallen diese zur Erde, lassen sich darin Bakterien nachweisen. (Foto: Nina Ražen)

Bodenbakterien hingegen waren in den Hagelkörnern eindeutig in der Minderheit. Auch diese Erkenntnis erstaunte die Wissenschaftler. Ebenfalls in den Hagelkörnern fanden sich nämlich organische Verbindungen, die als Energiequelle für Bakterien dienen. Diese stammten jedoch zumeist aus dem Erdreich. Also müssten Erdmikroben doch eigentlich auch in Wolken im Vorteil - und in der Mehrzahl - sein, wo doch dort ihre Nahrung überwiegt.

Doch vermutlich bringen Pflanzenmikroben bessere Voraussetzungen mit, die es ihnen ermöglichen, in dem extremen Lebensraum einer Sturmwolke zu überdauern. Zum Beispiel produzieren viele der in Wolken entdeckten Pflanzenbakterien rötliche Pigmente, die besonders gut vor starker UV-Strahlung schützen. Außerdem sind sie sehr anpassungsfähig, was ihre Nahrungsquellen angeht. Auch wenn diese in Sturmwolken insgesamt nur in Spuren vorhanden sind, macht das nichts.

Anhand ihrer Analysen schätzen die Forscher, dass in einem Milliliter Wolkenwasser zwischen 1500 und 430.000 Bakterien leben. Das gilt in der Mikrobenwelt als eher geringe Besiedelungsdichte. Dass die verschiedenen Bakterientypen in luftiger Höhe miteinander um ihre Nahrung wetteifern, ist somit unwahrscheinlich.

© SZ vom 24.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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