CDU:Partei ohne Kern

Personell ausgebrannt, schwach in den Großstädten: Kanzlerin Merkel bringt der CDU zwar Sympathie, für erfolgreiche Landtagswahlen ist das aber zu wenig. Die Parteispitze hat in den letzten Jahren vieles über Bord geworfen, was wichtig war, von der Atomkraft bis zur Wehrpflicht. Die Bürger wissen nicht mehr, wofür die Christdemokraten stehen.

Ein Kommentar von Jens Schneider

Es waren doch nur 334 Stimmen in Hildesheim. Wenn die an die CDU gegangen wären, müsste David McAllister jetzt nicht traurig sein. Zu gern trösten sich die Christdemokraten mit solchen Sätzen, so, als hätten sie die Wahl in Niedersachsen nicht richtig verloren. Aber das haben sie - wie viele andere. Nun wird bald der ganze Norden rot regiert. Es wäre ihr nächster Fehler, wenn die CDU sich darüber hinwegtäuschen wollte, dass es für die Malaise Gründe gibt, die im Norden genauso zu spüren sind wie in Düsseldorf.

Sie sind ein Spiegel der CDU-Probleme in fast allen Ländern. Dort bringt der beruhigende Pragmatismus der Kanzlerin zwar Sympathie, aber zieht bei Landtagswahlen nicht genug. Dort wiegt es schwer, wenn die Wähler nicht wissen, wofür diese CDU steht. Ihre Spitze hat die Partei in den letzten Jahren entkernt, vieles über Bord geworfen, was wichtig war, von der Atomkraft bis zur Wehrpflicht. Sie hat viel über ihre Schwäche in den Großstädten nachgedacht, aber sich kaum erneuert.

Und wo sie moderne Politik versucht, konterkariert sie das selbst: In Niedersachsen hat McAllisters Regierung viel für den Ausbau von Kita-Plätzen getan. Aber was hilft das, wenn die CDU als Partei des Betreuungsgeldes erscheint. Ständig wirken Christdemokraten in den Ländern wie Gejagte, die - auch bei der Energiewende - vollziehen, was oben entschieden wurde, halb überzeugt, somit nicht überzeugend. So stehen sie nur noch für politisches Verwalten. Die CDU war nie eine Partei der intellektuellen Diskurse. Früher hatte sie aber brillante Provokateure, einen Kurt Biedenkopf, einen Heiner Geißler. Nun ist keiner in Sicht, der ein Experiment wagen würde wie Ole von Beust Schwarz-Grün in Hamburg.

Die CDU ist personell ausgebrannt

Die Leere macht sie unattraktiv für Leute, die mehr wollen als eine Karriere. Die CDU ist personell ausgebrannt, das merkt sie als Erstes in der Breite. Wo mittelfristig keine Regierungsmacht zu verteilen ist, reicht die Kraft nur zum Kampf um Pöstchen. Nur wer das erträgt, bleibt. Das ist exemplarisch in Bremen, auch in Kiel, wo die Basis sich den Luxus gönnte, Landeschef Jager halbherzig zu unterstützen. Jetzt kommt nach verzweifelter Suche ein Kandidat, den kaum einer kennt.

All das steht auch für die fehlende Lernfähigkeit der CDU nach Niederlagen, vor allem in Ländern, in denen sie sich für die natürliche Regierungspartei hält. Zu gern glaubt man an Pech oder böse Umstände. Wer aber - auch in Niedersachsen - genau hinschaut, wird zum Beispiel schnell auf ihr schlechtes Abschneiden in den Großstädten stoßen. Das lässt sich mit ihrem Auftreten und ihrer Politik erklären. So versuchte die CDU - ein Beispiel - nicht mal halbherzig, eine tiergerechte, ökologische Landwirtschaftspolitik umzusetzen, wie sie viele Großstädter von ihr erwarten.

Auch hat die Partei ihren Spitzen-Mann zu sehr als lieblichen Provinzler präsentiert. McAllister war zu oft der frühere Schützenkönig von Bad Bederkesa, zu wenig moderner Regierungschef. Im Moment steht den Christdemokraten noch ihr verletzter Stolz zu sehr im Weg, das zu erkennen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: