Privatisierung der Wasserversorgung:Schlecht für den Geldbeutel, schlecht für die Nase

Die neue EU-Richtlinie zur Wasserversorgung setzt falsche Signale. Beobachter befürchten, dass von ihr ein neuer Privatisierungsschub ausgehen könnte. Zwar wird keine Kommune zur Privatisierung genötigt, aber Kommunen, die partout nicht wollen, müssen sich juristische Finessen einfallen lassen.

Ein Kommentar von Heribert Prantl

Die Schlacht bei Waterloo war Napoleons letzte Schlacht; seitdem steht die Redewendung "ein Waterloo erleben" als Synonym für die totale Niederlage, für die Katastrophe. So eine Katastrophe haben die Menschen in der Stadt Grenoble erlebt, als dort vor gut zwanzig Jahren die kommunale Wasserversorgung privatisiert wurde. Die Verträge waren dreckig; das Wasser war nicht sauber, dafür aber teuer. Am besten flossen die Schmiergelder. Die private Wassercompagnie verdiente sich dumm und dämlich. Das Wasser heißt auf Französisch l'eau - das Desaster von Grenoble wurde deshalb mit dem schönen Wortspiel "Waterleau" bedacht.

Ähnliche Erfahrungen, nicht immer so desaströs, gibt es anderswo auch, in London beispielsweise; dort wurde viel verdient, aber nichts in die Leitungen investiert; sie verrotteten. Potsdam hat den Vertrag mit dem französischen Wasserversorger wieder gekündigt, als die Wasserpreise in den Himmel stiegen. Der erste erfolgreiche Bürgerentscheid in Berlin richtete sich vor zwei Jahren gegen die Teilprivatisierung der Berliner Wasserversorgung.

Bei diesem Thema gibt es zwei Spontanreaktionen: erstens, den Griff zum Geldbeutel, um ihn festzuhalten; zweitens den Griff zur Nase, um sie zuzuhalten. Es riecht nicht alles gut, was fließt. Das ist der Hintergrund für die wütenden Proteste gegen die geplante "Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Konzessionsvergabe".

Sie ist hundert Seiten dick und hochkompliziert; EU-Bürokraten reden sich den Mund fransig, um zu beteuern, dass davon kein Privatisierungszwang und auch keine solche Gefahr für die Wasserversorgung ausgehe. Aber Bürgermeister und Landräte, die ihre Schreckerlebnisse mit der Privatisierung der Daseinsvorsorge schon hinter sich haben, glauben das nicht - sie sind ja noch immer dabei, ihre alten Privatisierungsfehler zu korrigieren und privatisierte Stadtwerke, Verkehrsbetriebe etc. wieder zu kommunalisieren.

Unwillige Kommunen müssen sich juristische Finessen einfallen lassen

Die neue EU-Richtlinie soll unter anderem Anti-Korruptionsregeln in die Privatisierung der Wasserversorgung bringen, zu der Griechenland und Portugal von der EU-Troika gezwungen wurden. Es gibt die Befürchtung, von der Privatisierung dort könnte ein neuer Privatisierungsschub für die Nordländer ausgehen. Um diese Ängste zu beruhigen, wurden noch einige Änderungen in die Richtlinie hineinverhandelt.

Gewiss: Keine Kommune wird von der EU-Richtlinie zur Privatisierung genötigt; aber Kommunen, die sie partout nicht wollen, müssen sich nun juristische Finessen einfallen lassen; denn Brüssel macht das eigentlich Selbstverständliche (dass öffentliche Güter in öffentliche Hand gehören) kompliziert. Die Richtlinie setzt falsche Signale. Sie blinkt markt- und neoliberal. Brüssel gelingt es nicht, das abzustellen.

Die Juristen in ganz Europa besinnen sich derzeit auf die alten gemeinsamen Rechtsgrundlagen; sie fußen auf dem römischen Recht. Dort gab es die "res extra commercium" - die Dinge, die dem Kommerz entzogen waren. Man sollte sich daran erinnern. Das Wasser gehört dazu.

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