Präsidentschaftswahlkampf 2016:Madame Clinton hat die Karten in der Hand

Tritt sie noch einmal an? Ein gemeinsames Interview mit Barack Obama nährt Spekulationen, dass Hillary Clinton 2016 Präsidentin werden möchte. Doch die scheidende Außenministerin kann sich mit ihrer Entscheidung Zeit lassen - und damit die parteiinternen Konkurrenten lähmen.

Von Reymer Klüver

Natürlich ist es Kaffeesatzleserei. Aber nichts macht mehr Spaß. Also: Will Hillary Clinton 2016 tatsächlich Nachfolgerin von Barack Obama werden? Die Spekulationen haben einen neuen Höhepunkt erreicht, nachdem der Präsident wenige Tage nach seiner zweiten Vereidigung Seit' an Seit' mit seiner scheidenden Außenministerin ein Interview im Weißen Haus gab - und sie dabei über den grünen Klee lobte.

Die Frage lässt sich ganz schnell und eindeutig beantworten: Ja, natürlich wäre Hillary Clinton gerne die erste Präsidentin der Vereinigten Staaten. Es wäre die Krönung einer bemerkenswerten Karriere. Und, für diese Erkenntnis muss man nicht allzu viel Küchenpsychologie betreiben: Es wäre ein persönlicher Triumph für Clinton nach all den Erniedrigungen, denen sie ausgesetzt war, als ihr Mann im Weißen Haus regierte, und nach der demütigenden Niederlage im Präsidentschaftsvorwahlkampf 2008, als sie glaubte, das Ticket fürs Weiße Haus schon in der Hand zu halten.

Doch die eigentliche Frage ist eine andere: Wird Hillary Clinton wirklich antreten? Und da fällt die Antwort nicht ganz so eindeutig aus.

Erschöpft und doch auf den Punkt bereit

Zum einen: Wer Hillary Clinton im vergangenen Jahr erlebt hatte, schon vor ihrem Zusammenbruch im Dezember, dem war eines klar: Diese Frau braucht eine Auszeit. Zwei Jahre erbarmungsloser Wahlkampf und weitere vier Jahre als Außenministerin ohne Rast haben an ihr gezehrt. Clinton ist eine Kämpferin, sie ist unglaublich willensstark und zäh. Aber selbst sie ist ans Ende ihrer Kräfte gekommen. Mit 65 Jahren, so darf man annehmen, ist sie sich der Grenzen ihrer Kräfte sehr wohl bewusst.

Wenn man aber zum anderen ihren Auftritt vor den Ausschüssen des US-Kongresses in der vergangenen Woche beobachtet hat, weiß man nicht nur, wie viel politisches Talent in ihr steckt. Sie hat vielmehr demonstriert, welche Energieleistung sie jederzeit aufzubringen imstande ist. Keiner in der Runde der Senatoren und Kongressabgeordneten war ihr annähernd gewachsen.

Biden, Warner, Cuomo: Sie alle müssen warten

Wenn sie will, steckt sie alle in die Tasche. Es war sozusagen ihre Abschiedsvorstellung im Kongress: Aber mit diesem fulminanten Auftritt hat sie gleichzeitig zu verstehen gegeben, dass sie noch keineswegs die Absicht hat, ins politische Rentnerdasein abzutreten.

Warum sollte sie auch? Laut Umfragen ist sie derzeit die beliebteste US-Politikerin. Und noch dazu verheiratet mit Amerikas beliebtesten Ex-Politiker. Sie hat einen engen Kreis loyaler und hochqualifizierter Mitarbeiter um sich geschart, die wissen, wie man Präsidentschaftswahlkämpfe organisiert. Diese könnte sie jederzeit mobilisieren. Zudem hätte sie mit ihren Beziehungen und denen ihres Mannes zu den wichtigsten Geldgebern der Demokraten nicht die geringsten Schwierigkeiten, die Abermillionen für den Präsidentschaftswahlkampf aufzubringen. Und, wer kann das schon sagen: Sie hat zumindest jetzt den Segen des gegenwärtigen Amtsinhabers.

Doch Hillary Clinton wird jetzt überhaupt noch nichts entscheiden. Sie wird vielleicht im Stillen die Voraussetzungen für einen neuen Anlauf aufs Weiße Haus schaffen, damit sie im Falle eines Falles antreten könnte. Aber in diesem - und wahrscheinlich noch nicht einmal im nächsten - Jahr wird sie sich nicht erklären. Clinton ist in einer komfortablen Situation: Solange sie keine Klarheit schafft, passiert nicht viel.

Joe Biden weiß, dass er gegen sie keine Chance hätte

Andere werden sich in Stellung bringen. Vizepräsident Joe Biden scharrt schon mächtig mit den Füßen. Aber er hat erkennen lassen, dass er gegen Clinton nicht antreten würde (weil er weiß, dass er keine Chance hätte). Oder die Politiker der nächsten Generation: der biedere, aber erfolgreiche Gouverneur von Maryland, Martin O'Malley, der smarte Senator Mark Warner aus Virginia, der Bürgermeister von Los Angeles, Antonio Villaraigosa, oder der New Yorker Gouverneur Andrew Cuomo, Sprössling eines demokratischen Politikerclans. Aber auch sie werden warten, bis Clinton sich erklärt hat (vor allem würden sie kaum Geldgeber für ihren Wahlkampf finden).

Clinton muss sich also jetzt noch gar nicht entscheiden. Und sie ist zu sehr Profi, als dass sie diese Situation nicht zu nutzen verstände. Zugleich weiß sie aber auch, wie schnell sich die Winde in der Politik drehen. Schon vor sechs Jahren sah es so aus, als könnte ihr keiner das Wasser reichen. Doch dann kam bekanntlich alles anders.

Deswegen wird sie in Ruhe die politischen Entwicklungen in Amerika abwarten und sich nicht voreilig entscheiden. Hillary Clinton for President 2016? Bis dahin werden noch viele Kaffees zu trinken sein.

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