Sexismus-Debatte in der FDP:Warum Brüderle seinen Fehler eingestehen muss

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Solange Brüderle schweigt, lähmt er nicht nur sich. Er zwingt auch seine FDP-Kollegen zur Solidarität.

(Foto: dpa)

An der FDP lässt sich studieren, wie eine Partei nicht reagieren sollte, die in Bedrängnis geraten ist. Solange Fraktionschef Brüderle schweigt und die Liberalen in der Sexismus-Debatte nur Journalisten angreifen, werden sie nicht zum Kern ihres Problems vordringen. Sie erwecken den Eindruck, dass sie blind geworden sind für das, was Anstand und politische Klugheit gebieten.

Ein Kommentar von Stefan Braun, Berlin

Man kann derzeit an der FDP gut studieren, wie eine Partei, die in Bedrängnis geraten ist, nicht reagieren sollte. Sie fühlt sich ungerecht behandelt, sie schlägt um sich. Und sie verliert das Gefühl dafür, was sie eigentlich tun müsste.

Sicher, die Liberalen stecken im Mist fest. Das macht den Umgang mit Krisen nicht leichter. Der Überraschungserfolg von Niedersachsen scheint zu verpuffen. In keiner der ersten Umfragen geht es nach oben. Und die Sexismus-Vorwürfe gegen ihren neuen Spitzenmann Rainer Brüderle machen alles noch schwerer. Da kann es nicht überraschen, dass die FDP erst mal eine Burg baut.

Sie schart sich um Brüderle. Sie beschimpft den Stern und dessen Autorin. Sie schafft sich damit sogar ein neues Gemeinschaftsgefühl gegen den Feind draußen. Doch was auf den ersten Blick verständlich erscheint, ist auf den zweiten Blick vor allem gefährlich.

Der Zeitpunkt der Veröffentlichung ist nicht Illegitim

Die Liberalen erwecken nämlich den Eindruck, dass sie blind geworden sind für das, was Anstand und politische Klugheit gebieten. Die FDP kann sich natürlich darüber aufregen, dass das Magazin die Vorwürfe jetzt ins Blatt hebt. Illegitim freilich ist das nicht, immerhin hat die FDP Brüderle zu ihrem Spitzenkandidaten erkoren. Solange die FDP in dieser Geschichte nur Journalisten angreift, wird sie nicht zum Kern ihres Problems vordringen.

Dieses Problem heißt nicht Stern; es heißt Gleichgültigkeit. Durch den Umgang der FDP mit den Vorwürfen ist der Eindruck entstanden, der kompletten Führung sei es egal, ob das Verhalten Brüderles an jenem Abend vor einem Jahr verletzen konnte, vielleicht auch verletzt hat und jedenfalls nicht noch einmal passieren sollte.

Für eine Partei, die so gerne für Toleranz und einen respektvollen Umgang zwischen den Menschen wirbt, für eine Partei, die Anstand, Bürgerrechte und Aufklärung auf ihre Fahnen schreibt, wirkt die Wurschtigkeit in dieser Frage wie ein Gift, das die eigenen Werte angreift. Mag sein, dass die Freien Demokraten es irgendwie schön finden, mal wieder geschlossen aufzutreten. Aber ihr eigentlicher Feind in dieser Angelegenheit sind sie selbst.

Es verlangt Größe, einen Fehler einzugestehen

Solange Brüderle schweigt, lähmt er nicht nur sich. Er zwingt auch seine FDP-Kollegen in eine Solidarität, die ihnen jede Beteiligung an der Debatte über Sexismus und einen gleichberechtigten Umgang zwischen den Geschlechtern unmöglich macht, ohne belächelt zu werden. Selbstverständlich verlangt es Größe und Souveränität, einen Fehler einzugestehen. Aber ein solches Eingeständnis von Brüderle ist unausweichlich, wenn er für seine FDP das Klischee von der unsensiblen Männertruppe noch einmal brechen möchte.

Im Übrigen könnte die Partei Souveränität und Größe überhaupt gut gebrauchen. Davon hat es in den drei Jahren schwarz-gelber Koalition und ihrer Krisen viel zu wenig gegeben. Es gibt auch in der Politik Momente, in denen das Eingeständnis eines Fehlers keine Schwäche ist, sondern zu einer Stärke werden könnte. Ob Brüderle dazu bereit ist, kann nur er entscheiden.

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