Polizeiaktion bei der "Augsburger Allgemeinen":Wer ist Berndi?

Rechtmäßig oder völlig unverhältnismäßig? Das Amtsgericht bewilligt wegen eines vergleichsweise harmlosen Foren-Beitrags die Durchsuchung bei der "Augsburger Allgemeinen". Im Netz braute sich daraufhin ein Sturm der Entrüstung zusammen - die Kommentatoren sehen die Pressefreiheit in Gefahr.

Von Karoline Meta Beisel und Stefan Mayr

Ist es nun eine Provinzposse oder tatsächlich ein Schlag gegen die Pressefreiheit, wie es seit Montagabend überall im Netz zu lesen ist? Das Zitat, das die Aufregung ausgelöst hat, klingt im Vergleich zu manch anderer Beschimpfung im Internet jedenfalls harmlos. "Dieser Ullrich verbietet sogar erwachsenen Männern ihr Feierabendbier ab 20.00 Uhr, indem er geltendes Recht beugt und Betreiber massiv bedroht!"

Mit diesen Worten beschwerte sich Leser "Berndi" im Internetforum der Augsburger Allgemeinen über den Augsburger Ordnungsreferenten Volker Ullrich, weil dieser zuvor den Tankstellen in der Stadt verboten hatte, nach acht Uhr abends Alkohol an Fußgänger zu verkaufen. Eine unschöne, aber alltägliche Beschimpfung, eigentlich nicht der Rede wert, sollte man meinen. Doch der CSU-Politiker erstattete Strafanzeige wegen Beleidigung - und lenkte damit zusätzliche Aufmerksamkeit auf die Kritik an seiner Person.

Grund für die Aufregung: Um den Urheber der vermeintlichen Verunglimpfung zu ermitteln, beantragte die Staatsanwaltschaft Augsburg beim Amtsgericht einen Durchsuchungsbeschluss - und bekam diesen bewilligt. Mit dem Beschluss sprachen die Ermittler bei der Redaktion der Augsburger Allgemeinen vor, und diese händigte am Montag den Klarnamen des Users "Berndi" aus. Nicht freiwillig: Die Staatsanwaltschaft beschlagnahmte die Daten. Zu einer Durchsuchung oder gar einer Razzia kam es aber nicht.

Den Beschluss dazu gab es aber, und deswegen muss das Augsburger Amtsgericht sich jetzt die Frage gefallen lassen, ob das Vorgehen rechtmäßig war. Die Geschäftsführerin des Bayerischen Journalistenverbands, Jutta Müller, zweifelt in einer ersten Einschätzung schon daran, ob die Äußerung überhaupt eine strafrechtlich relevante Ehrverletzung oder nur eine zulässige Meinungsäußerung war. Aber selbst wenn: Rechtfertigt das die Durchsuchungsanordnung für die Redaktionsräume?

Bei Rüpeleien im Netz ist es normalerweise so, dass der Foren-Betreiber den betreffenden Eintrag löschen muss, wenn er von ihm erfährt - von sich aus oder weil sich ein Betroffener beschwert. Das hatte auch die Augsburger Allgemeine in diesem Fall getan. Ob der Betreiber darüber hinaus auch die Identität des Nutzers offenlegen muss, entscheiden die Gerichte von Fall zu Fall.

Sonderregeln für die Presse

Nun kennt die Strafprozessordnung für die Presse aber an mehreren Stellen Sonderregeln, auch veröffentlichte Leserbriefe profitieren als redaktionell aufbereitete Information von diesem Schutz. Muss man ein Forum, das eine Zeitung auf ihrer Webseite anbietet, genauso bewerten? "Ganz bestimmt", sagt Martin Schippan, Rechtsanwalt für Medienrecht aus München: "Die Pressefreiheit umfasst ja die ganze Betätigung der Presse, und nicht nur den streng redaktionellen Teil."

Aber auch wenn man das nicht so sieht: Eine Durchsuchung betrifft die Redaktion in jedem Fall, egal, wonach die Staatsanwaltschaft in den Räumen sucht. Und genau das ist auch der Grund, warum die Kommentatoren bundesweit empört sind: Die Durchsuchungsanordnung sei völlig unverhältnismäßig gewesen. Auf der einen Seite die vom Grundgesetz geschützte Pressefreiheit und das Recht auf Unverletzlichkeit der Redaktionsräume, auf der anderen Seite eine allenfalls leichte Beleidigung.

Der Pressefreiheit muss der größtmögliche Schutz eingeräumt werden, das sagen die Gerichte bis hin zum Bundesverfassungsgericht (etwa in der Entscheidung um die Durchsuchung der Redaktionsräume des Cicero) immer wieder. Die Durchsuchung dagegen, so nennt es Martin Schippan, ist das "schärfste Schwert, das die Justiz in der Hand halten kann".

Der geschmähte Politiker ist angesichts des enormen Medienechos mittlerweile ein wenig zurückgerudert und räumt ein, "dass ich vielleicht ein bisschen gelassener hätte reagieren können". Er wolle sich nun mit "Berndi" an einen Tisch setzen und das Thema aussprechen. "Wenn sich die Person entschuldigt, werde ich auch die Anzeige fallen lassen", sagt Ullrich. Damit will Ullrich offenkundig die Diskussion schnellstmöglich beruhigen: Der Politiker tritt bei der kommenden Bundestagswahl im Wahlkreis Augsburg erstmals als CSU-Direktkandidat an. Die Augsburger Allgemeine hat angekündigt, rechtliche Schritte wegen des Durchsuchungsbeschlusses zu prüfen.

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