Tutzing:Bedingt behindertengerecht

Bahnhof Tutzing wird nur teilweise barrierefrei ausgebaut

Gerhard Summer

TutzingKlingt gut, stimmt aber nicht so ganz: Der Bahnhof in Tutzing wird Ende dieses Jahres barrierefrei sein, verkündet die Deutsche Bahn, und genauso ist es auch auf der Homepage der Gemeinde nachzulesen. Tatsächlich aber wird die Endstation der S 6, die ICE-Halt und zugleich wichtiger Knotenpunkt auf den Strecken in Richtung Garmisch/Mittenwald und Penzberg/Kochel ist, nur partiell behinderten- und seniorengerecht ausgebaut, wie der Tutzinger Bürgermeister Stephan Wanner auf Nachfrage einräumt. Die Bahn sieht ihre Pflicht mit der Installation zweier Aufzüge am Haus- und am Mittelbahnsteig erfüllt, denn auf diese Weise entsteht ein barrierefreier Zugang vom östlichen Haupteingang der Station aus. Wer aber von der Westseite des Bahnhofs kommt, egal ob er in der Nähe wohnt oder sein Auto auf dem Park & Ride-Platz entlang des Beringerwegs abgestellt hat, muss entweder um das Gebäude herumlaufen oder doch wieder Treppen steigen, um beispielsweise zur S-Bahn zu gelangen.

Einen dritten Lift an dieser Stelle zu bezahlen, wäre nämlich Sache der Kommune. Doch der DB zufolge würde die Anlage brutto 423 000 Euro kosten, so die Kalkulation von Anfang 2011 - und Tutzing ist finanziell klamm. Wanner zufolge hat die Bahn immerhin eine Nachrüstung in ihren Plänen berücksichtigt. Damit könnte die Gemeinde, wenn sie später Geld übrig haben sollte, problemlos den Lift an der Westseite des Bahnhofs einbauen lassen.

Finanziell günstigere Möglichkeiten, gehbehinderten Menschen, Müttern mit Kinderwagen oder Senioren mit schweren Koffern das Treppensteigen zu ersparen, scheiden offenbar aus. Eine Rampe "würde wahnsinnig lang", sagt Wanner, weil sie nur sechs bis acht Prozent Steigung haben dürfte. Auch ein nur 15 000 bis 20 000 Euro teurer Treppenplattformlift, wie ihn der FDP-Bundestagsabgeordnete und Architekt Sebastian Körber bei einem Ortstermin im Juli 2011 vorgeschlagen hatte, ist aus Sicht des Bürgermeisters keine Lösung. Denn der Behindertenbeauftragte der Gemeinde, Oskar Harte, rate von solchen Anlagen ab, weil die Menschen das in der Praxis nicht annehmen würden und die Verletzungsgefahr hoch sei, so Wanner. Körber hingegen glaubt nach wie vor, dass sich ein Treppenplattformlift eignen würde. Die Bahn setze solche Aufzüge bereits an einigen Stationen ein, etwa in der Stadt Brühl im Rheinland. Das Problem sei, dass sich der Konzern, der sich bei seinen Anlagen nicht an die Bauordnung und sonst gültige Normen halten müsse, gern um solche Investitionen herumdrücke, so Körber.

Der "partiell barrierefreie" Ausbau des Bahnhofs Tutzing beginnt am 1. März 2013 und wird voraussichtlich bis 12. November dieses Jahres dauern. In sieben Bauphasen sollen die Perrons an die Einstiegshöhe der Züge angepasst, der Mittelbahnsteig an Gleis 2 und 3 neu errichtet und Ausstattung, Beleuchtung und Blindenleitsystem erneuert werden. Außerdem sind eine neue Bahnsteigunterführung mit Treppen zum Mittelbahnsteig und zum Bahnhofsvorplatz und natürlich der Einbau von zwei Aufzügen geplant. Wie Wanner sagt, werde sich am Ende zeigen, wie der neue Bahnhof mit Handicap an der Westseite angenommen wird. Möglich sei ja durchaus, dass sich die Leute darauf einstellen. Wenn nicht, "muss man an das Thema noch mal rangehen".

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