Politiker und Plagiate:Der Titeljäger

Gründer der Plattform VroniPlag Martin Heidingsfelder

Sieht sich als Teil des Ganzen: VroniPlag-Gründer Martin Heidingsfelder.

(Foto: dpa)

Die Jagd nach Plagiaten macht er zu Geld: Martin Heidingsfelder lässt sich dafür bezahlen, dass er die Dissertationen von Politikern auf wissenschaftlichen Betrug hin untersucht. Mit der Seite Politplag nimmt er die Kandidaten der Bundestags-und Landtagswahlen 2013 ins Visier.

Von Max Biederbeck, Berlin

Einen fünfstelligen Betrag - so viel bot ein Kunde Martin Heidingsfelder, wenn er Dr. Angela Merkel ein Plagiat nachweist. Wie weit er mit der Überprüfung ist, will er jedoch nicht sagen. Momentan habe er einfach zu viele andere Jobs. "Die Anzahl meiner Aufträge ist so groß, dass ich sie derzeit kaum überblicken kann", sagt er. Heidingsfelder ist professioneller Plagiatjäger. Menschen zahlen ihm Geld damit er die wissenschaftliche Arbeit von Politikern überprüft. Die Aufträge kommen von Privatpersonen, großen Medienhäusern aber auch aus dem "politischen Umfeld".

Bislang erledigten Internetaktivisten diese Arbeit meist anonym und auf freiwilliger Basis. Ihre Funde beendeten politische Karrieren: Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg gab seinen Doktortitel aber auch das Amt des Verteidigungsministers ab. Am Samstag wurde nun auch der Rücktritt von Annette Schavan bekannt, nachdem der Fakultätsrat der Universität Düsseldorf ihr am Dienstag den Doktortitel aberkannt hatte. Dabei hatten Internetaktivisten sie nach der Überprüfung ihrer Dissertation sogar in Schutz genommen. Doch Martin Heidingsfelder erhob auf einem angelegten SchavanPlag-Wiki immer wieder Plagiatsvorwürfe gegen die Ministerin.

Er hat aus der Plagiatjagd ein Geschäftsmodell gemacht: Eine erste Analyse der Arbeit kostet bei ihm insgesamt 300 Euro. Dafür besorgt er das Dokument, scannt es ein und überprüft es mit Hilfe einer Plagiatssoftware. Für jeden weiteren Arbeitstag pro mithelfendem Plagiatssucher veranschlagt Heidingsfelder 500 Euro.

Mindestgebot: 20 Euro

Die Motivation seiner Kunden sei dabei unterschiedlich. "Teilweise sind es persönliche Geschichten, teilweise hat es was mit Ehre zu tun, und teilweise wollen die Leute klarstellen, dass jemand schon sein ganzes Leben lang betrügt." Klar ist aber: Sie zahlen teilweise sehr viel Geld, um bekannten Politikern ein wissenschaftliches Plagiat nachweisen zu lassen.

Heidingsfelder Spezialität sind derzeit die mit akademischen Titeln geschmückten Kandidaten der Bundes-und Landtagswahlen 2013. Heidingsfelder hat auf der Mitte Januar eigens dafür eingerichteten Seite PolitPlag eine Liste mit deren Namen online gestellt. Darunter auch Arbeitsministerin Ursula von der Leyen und FDP-Chef Philipp Rösler. Die Plagiatsuche funktioniert nach dem Prinzip des Crowdsourcing: Die Nutzer überweisen Heidingsfelder einen bestimmen Betrag auf sein Konto. Dabei geben den Namen des Kandidaten an, der überprüft werden soll. Mindestgebot: 20 Euro.

Kommt genügend Geld auf eine Person zusammen, beginnt die die Überprüfung der wissenschaftlichen Arbeit. "Wir haben für alle - auch für diejenigen, die sich keinen kompletten Auftrag leisten können - einen Weg gefunden, den einen oder anderen Kandidaten zu prüfen heißt es auf der Webseite. Bereits 80 Doktorarbeiten liegen Heidingsfelder vor, die nach und nach von ihm und seinen drei Mitarbeitern überprüft werden sollen.

Niedere Beweggründe?

Kritiker der anonymen Plagiatsjagd im Netz sehen in der bezahlten Suche wie etwa bei PolitPlag einen Fortschritt. "Das sind vielleicht niedere Beweggründe, die zur Auswahl der Ziele führen, aber schuldig bleibt schuldig", sagt der Plagiatsrechtsexperte Volker Rieble. Auch wenn die Jäger sich anheuern ließen, erzielten sie dennoch objektiv gesehen ein positives Ergebnis für die Wissenschaft. Außerdem falle die Intransparenz von anonymen Netzwerken weg und Anschuldigungen seien klar zuzuordnen.

"Ich muss ja von irgendetwas leben"

Martin Heidingsfelders gehörte früher selbst zu den anonymen Plagiatjägern: Unter dem Nutzernamen "Goalgetter" gründete er im März 2011 die Plattform VroniPlag Wiki, um mit Hilfe einer Gruppe von Internetaktivisten die Plagiate von Politikern aufzudecken. Der Durchbruch gelang, als Wiki-Nutzer die FDP-Politiker Silvana Koch-Mehrin und Jorgo Chatzimarkakis als Abschreiber entlarvten. Damals sprach die deutsche Presse von der neuen Internetdemokratie und der Macht der anonymen Masse. Heidingsfelders Name tauchte in mehreren Internetforen auf.

Er entschied sich, an die Öffentlichkeit zu gehen. Damals betonte er in Interviews, er habe nie finanzielle Interessen gehabt. Als es zu Streit zwischen ihm und anderen Aktivisten kam, beendete er seine Mitgliedschaft. Im November 2011 machte er sich als Plagiatjäger selbständig. Heute sagt er: "Ich brauche sehr viel Zeit für die Plagiatssuche. Ich muss ja von irgendetwas leben."

Seine veränderte Einstellung zum Geld sehen die ehemaligen Mitstreiter bis heute kritisch: "Das ist wieder typisch für ihn, der hofft aus allem etwas herausschlagen zu können", schreibt ein Nutzer im Chat des immer noch anonym betriebenen Wikis von VroniPlag über das neueste Projekt von Heidingsfelder. Er selbst sieht sich als Opfer einer fortlaufenden Kampagne.

PolitPlag wird auch regelmäßig zugespamt. Dabei wäre der Internetunternehmer bereit seinen Gewinn mit anderen Plagiatjägern zu teilen: "Wenn nicht mehr so viele Trolle auf PolitPlag posten, dann können die wirklich interessierten Leute auch gerne wieder mitmachen", sagt er. Und von der Bezahlung könnten die dann auch etwas abhaben.

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