Schwimmen: Viertes Gold für Phelps:Schnellboot mit Funken

Mit dem packendsten Endspurt der WM besiegt Michael Phelps über 100 Meter Schmetterling den aufmüpfigen Milorad Cavic - und rückt die Verhältnisse in der Schwimm-Welt wieder zurecht.

Josef Kelnberger, Rom

Im Wasser können durchaus Funken fliegen. Im modernen Schwimmen ist das möglich, vor allem, wenn Michael Phelps und der Serbe Milorad Cavic über 100 Meter Schmetterling gegeneinander antreten. Bei den Olympischen Spielen in Peking hatte Cavic den Amerikaner mit eindeutigen Worten und Gesten herausgefordert und beinahe besiegt - er selbst ist immer noch überzeugt, die Zeitnahme, die ein Hundertstel Vorsprung für Phelps auswies, habe einen Fehler begangen und ihm den Sieg in Peking geraubt.

Schwimmen: Viertes Gold für Phelps: Michael Phelps bejubelt seinen Sieg über 100 Meter Schmetterling.

Michael Phelps bejubelt seinen Sieg über 100 Meter Schmetterling.

(Foto: Foto: AFP)

Diese Meinung tat er auch bei der Weltmeisterschaft in Rom kund. Aber damit nicht genug. Er machte sich über den Anzug von Michael Phelps lustig und bot an, ihm ein modernes Modell zu kaufen, damit er gegen ihn eine Chance habe. Und im Halbfinale ließ der Serbe den Worten auch Taten folgten. 50,01 Sekunden schwamm er, Michael Phelps war als Weltrekordler entthront und in seinem Halbfinale 47 Hundertstel langsamer. Würde der Amerikaner im Endlauf noch einmal so eine Klatsche einstecken müssen wie über die 200 Meter Freistil gegen Paul Biedermann?

Michael Phelps war ganz persönlich herausgefordert. Die 100 Meter Schmetterling sind seine Lieblingsstrecke, auf der hat er sich viele Jahre mit Landsmann Ian Crocker duelliert. Erst bei den US-Meisterschaften vor einigen Wochen hatte er sich den Weltrekord zurückgeholt - und nun schien ihn Cavic am Wickel zu haben. Das ließ er sich nicht gefallen. Es hat bei dieser Weltmeisterschaft wohl keinen packenderen Endspurt gegeben als jenen von Michael Phelps an diesem Samstag um zehn Minuten vor sieben. Er flog wie ein Schnellboot an den führenden Serben heran und an ihm vorbei.

49,82 Sekunden, Weltrekord. Cavic schlug als Zweiter in 49,95 Sekunden an. Wie von Sinnen jubelte der Amerikaner, zupfte an seinem Anzug, deutete mit dem Zeigefinger an: Hier ist die Nummer eins! Den Serben würdigte er keines Blickes, und als der ihm gratulieren wollte, wandte er sich ab. Cavic musste ihm den Handschlag am Ende aufzwingen.

"Das war das aufregendste Rennen, das ich jemals bestritten habe", sagte Michael Phelps. Er habe jeden einzelnen Blick der 15.000 Zuschauer gespürt, "das ist es, wofür wir diesen Sport treiben." Auch Milorad Cavic schwärmte von der Kulisse. Man habe die Zuschauer im Wasser gespürt, sagte er. Schwimmerisch hatte er sich nichts vorzuwerfen. Er war zwei Zehntel schneller als im Halbfinale angegangen, er wusste, er brauchte einen großen Vorsprung, um Phelps zu schlagen. "Aber bei der Wende war er viel zu nah dran an mir, da wusste ich, dass es schwer wird", sagte der Serbe. "Ich habe alles gegeben, aber er war unglaublich. Michael Phelps ist Michael Phelps und tut, was er tut. Man kann ihm nicht böse sein, auch wenn er einem nicht die Hand schüttelt."

Da musste sogar der kriegerisch gestimmte Amerikaner bei der Pressekonferenz lächeln. Er brauche eben die Herausforderung, dann sei er am stärksten, sagte er. "So ticke ich eben." Nach den 200 Meter Schmetterling und den beiden Freistilstaffeln hat er nun vier Titel gewonnen, und an diesem Sonntag wird in der Lagenstaffel wohl die Nummer fünf hinzukommen. Aber der Sieg über Cavic war ihm wohl der wichtigste - und eine Wiedergutmachung für die Niederlage gegen Paul Biedermann über 200 Meter Freistil. Der Deutsche habe ihn "zerstört", sagte der Amerikaner, und er kann sich wohl auf einiges gefasst machen, wenn die beiden wieder aufeinandertreffen.

Biedermanns besonderes Erlebnis

Paul Biedermann hatte gestern einen Einsatz der besonderen Art. Zusammen mit der Italienerin Federica Pellegrini führte er die Delegation der Schwimm-WM an, die vom Papst empfangen wurde. Er überreichte Benedikt XVI. ein T-Shirt der deutschen Mannschaft und eine Mütze, in die sein Name eingestickt war. "Besser als zehn Goldmedaillen" sei das Erlebnis gewesen, schwärmte Biedermann, der von sich sagt, er sei nicht gläubig.

Am Abend sah er das Duell von Michael Phelps gegen Milorad Cavic und fragte sich wohl, warum der Amerikaner gegen ihn nicht in dieser Form schwamm. Grund zum Jubeln hatte Biedermann auch, denn die deutsche Lagenstaffel der Frauen gewann Bronze. Daniela Samulski, Sarah Poewe, Annika Mehlhorn und Britta Steffen waren mit ihrer Zeit von 3:55,79 Minuten chancenlos gegen China (3:52,19) und Australien (3:52,58). Dabei schnappte China den Australierinnen nicht nur den Titel, sondern auch den Weltrekord weg.

Für Britta Steffen war es bereits die dritte Medaille nach dem Silber in der 100-m-Freistilstaffel und ihrem Sieg über die 100 Meter Freistil am Freitag. Als Schlussschwimmerin erlebte sie eine gehörige Schrecksekunde: Sie hatte das Gefühl, sie sei zu früh losgesprungen und entschuldigte sich hinterher bei den Teamkolleginnen: Sie würden wohl disqualifiziert werden. Aber dann ging doch alles gut. Zuvor war Steffen über 50 Meter Freistil in 24,28 Sekunden hinter der Australierin Cate Campbell (24,08) und Weltrekordhalterin Marleen Veldhuis aus den Niederlanden (24,20) als Dritte ins Finale eingezogen. "Es ist noch ein kleines bisschen mehr drin", meinte Steffen vor dem Abschluss dieser WM am Sonntag: "Eine weitere Medaille wäre klasse."

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