Magazin der Feiernden: "Hate":Kein Blatt vor dem Mund

Im Szenemagazin Hate lassen die feiersüchtigen Autoren ihren Hass auf alles los, was ihnen in die Quere kommt. Finanziert durch Party.

Johannes Boie

Irgendwann wird die Party zum Lebensgefühl. Dann ist es an der Zeit, den Wahnsinn der Nächte auf gedrucktem Papier zu verewigen. So haben sich das ein paar Berliner Feiersüchtige um die Grafikerin Nina Scholz, den freien Autor Jonas Gempp und den Studenten Robert Härtel gedacht. Deshalb sie haben das Magazin Hate erfunden. Für Menschen, die ihr Leben nicht in den Clubs der Hauptstadt verbringen, ist das Blatt ein Einblick in die Partykultur und ein Beweis, dass die Masse der Feiernden vielleicht weiter denkt und tiefer gräbt, als man ihr unterstellen würde.

Magazin der Feiernden: "Hate": "Genervt von an Anzeigenkunden orientierter Themenfindung" gründeten Berliner Feiersüchtige ihr eigenes Magazin:Hatewill schrecklich böse sein.

"Genervt von an Anzeigenkunden orientierter Themenfindung" gründeten Berliner Feiersüchtige ihr eigenes Magazin:

Hate

will schrecklich böse sein.

(Foto: Foto: oh)

Die Autoren, die ihr Geld als freie Mitarbeiter bekannterer Blätter, wie taz, Spex, De-Bug oder Welt verdienen, seien "genervt von an Anzeigenkunden orientierter Themenfindung", sagt Robert Härtel, der die Werbung für das Magazin besorgt. Also lassen sie alle drei Monate in Hate ihren Hass los auf was auch immer ihnen in die Quere kommt: Antoine de Saint-Exupéry ("Der kleine Prinz") terrorisiere die bildungsbürgerliche Gesellschaft mit Gutmenschen-Aphorismen, schreibt ein Autor. Ein anderer besucht den Wald der Selbstmörder in Japan, ein dritter verlacht alle jene, die Jahre nach ihm das Internet entdecken: "Twitter fuck you."

Besonders gern mag es die Redaktion, der nachgesagt wird, dass Drogen im Schaffensprozess eine ebenso große Rolle spielen wie Schreiben, wenn sich andere Menschen demaskieren. Da gibt es zum Beispiel in Heft Nummer Drei das Interview mit dem Altkommunisten Klaus Steiniger, der einst der jüngste Staatsanwalt der DDR war. In Hate vervollständigt er den Satz "Die DDR war das bessere Deutschland, weil..." mit "...sie dem deutschen Kapital in einem Drittel Deutschlands für 40 Jahre Macht und Eigentum entzogen hat". Und sagt: "Die Stasi war ein ganz normaler Geheimdienst wie ihn heute jeder Staat hat." Die Demaskierung des Altkommunisten hätte auch ohne die kleinen Infotexte gut funktioniert, die bei Hate zum Konzept gehören. Der aus dem Buch "Generation-X" geklaute Kunstgriff macht das ohnehin bis zur Unlesbarkeit gestaltete Heft noch unruhiger.

Das Hate-Magazin kommt über eine Auflage von 2 500 Exemplaren nicht hinaus. Und ist doch ein Beispiel dafür, wie ein Printprodukt von Wirtschafts- und Medienkrise vollkommen unberührt bleiben kann. Weil die Redaktion ohnehin niemals genügend Anzeigen bekommt und sich überdies das Recht behalten will, jederzeit Werbung aus inhaltlichen Gründen abzulehnen, finanziert sie ihr Blatt mit dem, was sie am besten kann: Die Partys, auf denen Redaktion und Leser gemeinsam in einem leerstehenden Gebäude im Berliner Stadtteil Friedrichshain feiern, sind in der Szene noch beliebter als das Magazin selbst.

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