Abercrombie & Fitch verdreifacht Gewinn:Das Geschäft mit dem Körperkult

Das Modelabel Abercrombie & Fitch verdreifacht seinen Gewinn. Investoren zweifeln dennoch an der Strategie, die Aktie sinkt. Denn nicht nur bei den Anlegern ist das Geschäftsmodell, das auf ewiger Jugend und der Ästhetik des Waschbrettbauchs beruht, umstritten.

Von Moritz Koch, New York

Der Abercrombie-Chef weiß genau, was sich gehört. Jedenfalls für seine Angestellten. Wenn Michael Jeffries zu reisen beliebt, standesgemäß im Firmenjet, lässt er sich von ausgewählten Männermodels bedienen. Das Kabinenpersonal hat weiße Handschuhe zu tragen, den Namen seiner Hunde zu kennen (Ruby, Sammy und Trouble) und Anweisungen mit "no problem" zu begegnen. Geschrieben steht das in einem 47 Seiten starken Leitfaden, der in einem Gerichtsverfahren veröffentlicht wurde und tiefe Einblicke in das Innenlebens des amerikanisches Kultlabels gewährt. Wer immer glaubte, der Körperkult und die Extravaganz der Abercrombie-Filialen seien nur Fassade, irrt. Sie sind eine Lebenseinstellung - und wohl nur deshalb immer noch erfolgreich.

Nach einigen Rückschlägen hat Abercrombie & Fitch die Wall Street am Freitag mit guten Zahlen überrascht. Der Gewinn lag im vierten Quartal 2012 deutlich über den Erwartungen: 157,2 Millionen Dollar nach 48,8 Millionen im Vorjahr. Auch der Umsatz stieg um elf Prozent auf 1,47 Milliarden Dollar. Dennoch steht Abercrombie unter Druck, die Aktie fiel, weil der Ausblick enttäuschte. 2013 wird zum Schicksalsjahr der Ladenkette, die Großwildjäger und Hobbyangler einkleidete, bevor Jeffries ihr seinen Willen aufdrückte und nichts blieb, wie es war.

Kein Marketingexperte hätte so ein Konzept guten Gewissens empfehlen können. Abercrombie schlaucht die Kundschaft ganz bewusst, der Einkaufsbummel ähnelt einem Clubbesuch. Mehr als 1000 Läden gibt es inzwischen ein Amerika, Asien und Europa. Fast überall bietet sich das gleiche Bild: Vor dem Eingang lassen halb nackte Männer ihre Muskeln spielen. Drinnen ist es finster, die ausgestellten Kleidungsstücke sind kaum zu erkennen. Dafür dröhnen Elektrobeats aus den Boxen, und Parfümschwaden benebeln die Sinne.

Die Duftmarke, mit der Jeffries seine Läden einsprühen lässt, heißt "Fierce", was sich mit "wild" oder "heftig" übersetzen lässt und damit zumindest die Reaktionen der Anwohner von Abercrombie-Filialen ziemlich genau trifft. Gerade in Deutschland häufen sich die Beschwerden über die Penetranz des Parfüms. In Hamburg gab es Streit, das Bezirksamt rückte zur Geruchsprobe aus. Inzwischen hat sich der Lockstoff weiter verbreitet, in München wabert er durch die Sendlinger Straße. Auch hier: Empörung. Doch zumindest bleibt Abercrombie im Gespräch.

Aufstieg zum Kultlabel

Der Aufstieg zum Kultlabel begann 1992, als Jeffries die Kette übernahm. Seine Strategie war lange bedingungsloses Wachstum, Expansion um jeden Preis. Inzwischen stößt das Label an seine Grenzen, 2012 hat es etliche Läden in den USA dicht gemacht. 40 bis 50 Schließungen sollen folgen. Auch in Deutschland haben sich die Umsatzhoffnungen nicht erfüllt - und zwar nicht nur wegen der naserümpfenden Anwohner. Abercrombie hat immer öfter Schwierigkeiten, Ladenbesucher in Kunden zu verwandeln. Die Kette bietet ein Spektakel, jeder will es mal gesehen haben. Nur sparen sich viele den Kauf eines überteuerten Kapuzenpullis.

Jeffries geht auf die 70 zu, was ihn nicht daran hindert, weiter seinen Lebenstraum von der ewigen Jugend und der Ästhetik des Waschbrettbauchs zu vermarkten. Und zwar mit besonderer Inbrunst, einer ihm eigenen Radikalität. "Wir wollen coole, attraktive Menschen erreichen. Sonst niemanden", sagte Jeffries einmal in einem Interview. "Eine Menge Leute haben in unseren Klamotten nichts verloren." Der homoerotische Appeal des Labels verstört die Kundschaft in konservativen Landesteilen der USA, auch mit Push-Up-BHs für Minderjährige irritiert das Unternehmen.

Und dann sind da die Gerichtsprozesse, in denen sich die Kette aufreibt. Immer wieder muss sie sich gegen den Vorwurf verteidigen, Minderheiten zu benachteiligen. Doch Jeffries will sich nicht beirren lassen. Vor allem weiße Männermodels sollen für seine Marke arbeiten. Basta. Inzwischen wachsen die Zweifel an seiner Strategie, die Investoren verlieren die Geduld. Trotz der jüngsten Gewinne fiel die Abercrombie-Aktie am Freitag im frühen Handel um mehr als sechs Prozent. Abercrombie, so scheint es, hat seinen Zauber verloren. Reizüberflutung nennt sich das wohl.

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