NPD in Sachsen:"Wegducken und Weggucken"

Die NPD steht vor dem Wiedereinzug in den Dresdner Landtag - auch dank der CDU, behaupten SPD und Initiativen gegen Rechtsextreme. Die Union habe die Gefahr zu lange "verniedlicht".

Oliver Das Gupta

Als die NPD 2004 erstmals in ein ostdeutsches Landesparlament einzog, war der Schock groß: Mit 9,2 Prozent überflügelten die sächsischen Rechtsextremisten deutliche Grüne und FDP, die Landes-SPD erhielt nur 0,6 Prozentpunkte mehr.

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Die politischen Gegner als Schweine dargestellt: NPD-Plakate in Dresden.

(Foto: Foto: ddp)

Am kommenden Sonntag steht abermals ein Urnengang im Freistaat an und die Chancen gut, dass die NPD es abermals über die Fünf-Prozent-Hürde schafft. Die jüngsten Umfragen sprechen von 4,5 bis 6 Prozent.

Die braune Fraktion hat sich nicht vollends zerstritten, worauf viele gehofft hatten. Sie zählt acht Parlamentarier von einstmals zwölf. Fraktionschef Holger Apfel führt ein straffes Regiment.

Außerdem hat sich die Partei in Sachsen eingerichtet: Das Partei-Hetzblatt Deutsche Stimme hat seinen Sitz in Riesa, auf kommunaler Ebene stellt man Mandatsträger, die Vernetzung geht voran. Die NPD in Sachsen - in einigen Landstrichen gehört sie inzwischen dazu.

Initivativen gegen rechts und die sächsische SPD geben den Konservativen eine Teilschuld an dieser Entwicklung. "Gerade in der sächsischen Regierungspartei CDU ist die Kunst des Wegguckens und Wegduckens besonders ausgeprägt", schimpft Uwe-Carsten Heye im Gespräch mit sueddeutsche.de. Der Vorsitzende des Vereins "Gesicht zeigen" kritisiert die "schwächliche Abwehr" von Rechtsextremismus.

Die sächsische CDU regiert im Freistaat seit 1990, bis 2004 stellte sie die absolute Mehrheit. Seitdem koaliert sie mit der SPD, am Kabinettstisch sitzt auch Thomas Jurk. Der Sozialdemokrat ist Wirtschaftsminister und stellvertretender Ministerpräsident, dazu Landeschef in Wahlen erfolglosesten Landesverbandes.

SPD spricht von Augenwischerei

Der drohende Wiedereinzug der NPD in den Landtag ist für Jurk und die Genossen eine willkommene Gelegenheit, kurz vor dem Wahltag auf die dominierende Sachsen-CDU zu schimpfen.

Die Union täte zu wenig im Kampf gegen den Rechtsextremismus, ein Förderprogramm für Toleranz sei nur auf Druck der SPD zustandegekommen.

Jurk, der Spitzenkandidat der Sozialdemokraten bei der Landtagswahl ist, erinnerte an die Aussage des langjährigen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf (CDU), wonach die Sachsen "immun gegen Rechtsextremismus" seien. "Das Ergebnis dieser Augenwischerei sehen wir jetzt im Landtag sitzen", sagte Jurk zu sueddeutsche.de.

An einen ähnlichen Spruch von "König Kurt" aus dem Jahre 2001 erinnert Anne Hanneforth vom Kulturbüro Sachsen. Der Landesvater sagte damals mit Blick auf den grassierenden Rechtsextremismus in Ostdeutschland: "Bei uns haben noch keine Häuser gebrannt." Offenbar hatte der Ministerpräsident vergessen, dass zehn Jahre zuvor Neonazis im sächsischen Hoyerswerda ein Asylbewerberheim mit Molotowcocktails beworfen hatten.

In der sächsischen CDU und der FDP "bagetellisiert man die Gefahr von rechts", sagte Hanneforth zu sueddeutsche.de. Es sei fatal zu versuchen, das Problem kleinzureden. Es sei verniedlicht worden, "auch deshalb kann die NPD Fuß fassen".

No-go-Areas: Alles beim Alten

"Kontraproduktiv" seien auch Sprüche wie von der Dresdner Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU), die mit Blick auf die Ermordung der Ägypterin Marwa El-Sherbini in einem Dresdner Gericht am 1. Juli dieses Jahres von einem Einzelfall sprach. Bei mehr als 400 Gewalttaten von Rechtsextremen in Sachsen dürfe man nicht von Einzelfällen sprechen.

Hanneforth wies darauf hin, dass in manchen Gegenden Sachsens diejenigen gefährdet sind, "die nicht ins rechte Weltbild passen".

Uwe-Carsten Heye, der 2006 vor solchen "No-go-Areas" gewarnt hatte, sieht das ähnlich: In manchen ländlichen Gegenden habe sich die NPD "festgekrallt", dort grassiere der Rechtsextremismus. "Jeder, der dunkelhäutig ist, sollte sich dort hüten", sagte der frühere Regierungsprecher unter Bundeskanzler Gerhard Schröder und heutige Chefredakteur der SPD-Zeitung Vorwärts.

Die NPD setzte schon vor der Wahl 2004 darauf, im ländlichen Raum zu punkten. In der Provinz sieht man in manchen Dörfern und Städten fast nur Plakate der NPD. "Regelrecht zugepflastert" sei es mancherorts, sagt SPD-Kandidat Jurk.

Heye kritisierte das "Lamentieren" der CDU-geführten Landesregierungen in Thüringen und Sachsen im Kampf gegen rechts. "Wenn die neuen Länder nicht in der Lage seien das aufzuhalten, brauchen wir eine nationale Antwort, einen nationalen Aktionsplan."

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