Konservative und Homosexuellen-Rechte:Auf dem Weg in die gesellschaftliche Moderne

In Deutschland bröckelt der Widerstand der Union gegen die Homo-Ehe, in Schweden stimmten die Konservativen gar einem Adoptionsrecht für Lesben und Schwule zu. In anderen Ländern hingegen ist die Haltung konservativer Parteien zur Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften weit weniger progressiv. Ein Überblick.

Der CDU steht eine neue inhaltliche Kehrtwende bevor: Die Bundestagsfraktion will eingetragene Lebenspartnerschaften mit der Ehe gleichstellen. Damit zollt die Union "der klaren Tendenz der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts" Tribut. Das Gericht stärkte unlängst die Rechte von Lesben und Schwulen - auch im Adoptionsrecht.

In den Niederlanden und in skandinavischen Ländern sind Eheschließungen und das Recht auf Adoption von Schwulen und Lesben längst Normalität - auch und gerade, weil sich die konservativen Kräfte dort neuen Lebenssituationen und -formen angepasst haben. Manch konservativ geprägte Partei in anderen Ländern aber hat noch Probleme damit, Homosexuellen dieselben Rechte wie Heterosexuellen einzuräumen.

Frankreich

Befürworter und Gegner gingen in den vergangenen Monaten zu Hundertausenden in ganz Frankreich auf die Straße. Der Protest der Kritiker richtete sich gegen ein zentrales Wahlversprechen des neuen Staatspräsidenten François Hollande: Die Ausweitung der Ehe auf homosexuelle Paare, einschließlich des Rechts, gemeinsam Kinder adoptieren zu dürfen. Jean-François Copé, Vorsitzender der konservativen UMP, wollte sich gar als "Hüter des Bürgerlichen Gesetzbuches" verstanden wissen und führte Protestmärsche gegen die "Ehe für alle" an. Doch der Widerstand blieb erfolglos: Anfang Februar stimmte die Nationalversammlung mit großer Mehrheit für die Einführung der Homo-Ehe. Die UMP kündigte daraufhin weitere Proteste gegen das Gleichstellungsgesetz an.

USA

Es ist vor allem die religiöse Rechte, die in den Vereinigten Staaten gegen die Gleichstellung Homosexueller kämpft - und diese besitzt bei den Republikanern durchaus Macht. Im Präsidentschaftswahlkampf 2012 positionierten sich die Partei und ihr Kandidat Mitt Romney eindeutig: Die Ehe als Fundament der amerikanischen Gesellschaft dürfe nur zwischen Mann und Frau geschlossen werden. Per Verfassungszusatz wollten die Republikaner gleichgeschlechtliche Partnerschaften, die in neun Bundesstaaten (New York, Washington, Maine, Vermont, Iowa, New Hampshire, Massachusetts, Connecticut und Maryland) und dem District of Columbia anerkannt werden, verbieten. Doch dazu kam es nicht: Romney verlor die Wahl.

Großbritannien

Großbritanniens Konservative sind tief gespalten - die Tories streiten über die künftige Ausrichtung ihrer Partei. Dies wird vor allem an der Diskussion über die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften deutlich. Parteichef und Premier David Cameron hat sich für die Homo-Ehe ausgesprochen: Sie mache die Gesellschaft stärker, betonte der Premier. Der Premier sieht sich aber auch massiver Kritik aus den eigenen Reihen gegenüber. Cameron verrate konservative Prinzipien, heißt es an der Basis. Das Unterhaus aber folgte Anfang Februar seiner Empfehlung und stimmte mit großer Mehrheit für die gesetzliche Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe. Allerdings verweigerten zahlreiche Konservative Cameron die Gefolgschaft; der Gesetzentwurf wurde dank der Stimmen des liberalen Koalitionspartners und der oppositionellen Labour Party angenommen.

Kanada

Premierminister Stephen Harper und seine regierende Konservative Partei haben aus ihrer Haltung nie einen Hehl gemacht: Kanadas Konservative sind mehrheitlich gegen die Homo-Ehe. Diese hatte im Jahr 2005 Harpers liberaler Vorgänger Paul Martin durchgesetzt; seitdem dürfen in allen kanadischen Provinzen Lesben und Schwule heiraten. Der Oberste Gerichtshof hatte zudem in einem Gutachten gleichgeschlechtliche Partnerschaften für zulässig erklärt. Nach dem Regierungswechsel im Jahr 2006 und einem erbitterten Wahlkampf, in dem sich Harper für die Wiederherstellung der "traditionellen Definition" der Ehe ausgesprochen hatte, versuchte die Konservative Partei die Homo-Ehe im Parlament wieder abzuschaffen. Eine deutliche Mehrheit der Abgeordneten sprach sich aber dagegen aus.

Spanien

In Spanien dürfen Lesben und Schule seit 2005 heiraten und Kinder adoptieren. Gemeinsam kämpften Spaniens Konservative von der regierenden Partido Popular (PP) und die katholische Kirche jahrelang lautstark gegen die gesetzliche Gleichstellung Homosexueller. Im November 2012 mussten Ministerpräsident Mariano Rajoy und die PP ihren Widerstand aber endgültig aufgeben: Das spanische Verfassungsgericht wies eine Klage der Regierungspartei ab. Die Konservativen wollen - anders als die katholische Kirche - das Urteil akzeptieren.

Polen

Die Fronten in Polen sind klar: Die liberal-konservative Regierung von Ministerpräsident Donald Tusk und linke Kräfte wollen neue Gesetzesentwürfe zur Stärkung der Rechte Homosexueller einbringen - die Partei Recht und Gerechtigkeit lehnt diese Initiative strikt ab. Es liege nicht im gesellschaftlichen Interesse, die Erfüllung egoistischer Wünsche zu ermöglichen, so die Argumentation der Nationalkonservativen. Die Partei des Vorsitzenden Jarosław Kaczyński weiß dabei die katholische Kirche und vor allem die Bevölkerung in den ländlich geprägten Regionen Polens auf ihrer Seite.

Italien

Auch in Italien bilden Konservative und Kirche eine harmonische Allianz. Allen voran die Partei Popolo della Libertà des ehemaligen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi stellt sich vehement gegen die Einführung der Homo-Ehe. In Berlusconis Regierungszeit wurden alle Initiativen zur Gleichstellung homosexueller Partnerschaften abgelehnt. Darunter war auch ein Vorstoß des früheren Regierungschefs Romano Prodi aus dem Jahr 2006, der einen Gesetzesentwurf zur Anerkennung gleichgeschlechtlicher Paare einbrachte. Auf Affären mit jungen Frauen angesprochen provozierte Berlusconi 2010 nicht nur Aktivisten. "Besser als schwul zu sein", gab der damalige Premierminister zu Protokoll.

Australien

Während Umfragen zufolge eine Mehrheit der Australier die Einführung der Homo-Ehe befürwortet, lehnt die politische Mehrheit eine gesetzliche Gleichstellung von lesbischen und schwulen Partnerschaften ab. Die oppositionelle konservative Liberal Party sprach sich gemeinsam mit Teilen der regierenden Labor gegen die Aufhebung des Verbots der Homo-Ehe aus. Auch Regierungschefin Julia Gillard wandte sich gegen "Liberalisierungstendenzen" in der Familienpolitik.

Russland

Von Gleichberechtigung durch den Gesetzgeber können Lesben und Schwule in Russland nur träumen - nicht nur die Regierungspartei "Einiges Russland" lehnt diese ab. Anfang Januar wurde der Staatsduma ein Gesetzesentwurf zum Verbot "Homosexueller Propaganda" vorgelegt, der bereits das Tragen von Kleidungsstücken mit Forderungen zur gleichgeschlechtlichen Gleichberechtigung unter Strafe stellt. Präsident Wladimir Putin bezeichnete Homosexuelle als "Teil des demografischen Problems" Russlands.

Schweden

Geht es um Rechte von Lesben und Schwulen, gilt Schweden als eines der liberalsten Länder weltweit. Seit 2009 ist dort die Zivilehe für Lesben und Schwule erlaubt, bis dahin gab es die einer Ehe gleichgestellte eingetragene Partnerschaft. Seit 2002 besitzen Lesben und Schwule das Adoptionsrecht. All diese Neuerungen wurden von einer breiten Mehrheit des Parlaments getragen - stets mit Zustimmung der größten liberal-konservativen Gruppierung, der Moderaten Sammlungspartei von Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt. Auch die evangelisch-lutherische Kirche Schwedens stimmte 2009 Eheschließungen von Lesben und Schwulen zu.

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