Umstrittene Erdgasförderung:Bundesregierung einigt sich auf Regeln für "Fracking"

Bundesregierung will Gas-Förderung rasch regeln

Vielleicht bald auch in Deutschland: Eine "Fracking"-Anlage in  Tunkhannock, Pennsylvania. 

(Foto: dpa)

Im deutschen Untergrund liegen große Mengen Erdgas, nur fördern lässt sich die Ressource nicht so leicht. Jetzt haben sich Wirtschaftsminister Rösler und Umweltminister Altmaier auf Vorgaben für das sogenannte Fracking geeinigt. Besonders für Wasserschutzgebiete sollen strenge Regeln gelten.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Der Schatz ist verlockend, aber gut verborgen. Bis zu 2,3 Billionen Kubikmeter Erdgas könnten im deutschen Untergrund lagern, genug für 30 Jahre Gasautarkie. "Gemessen am bundesdeutschen Jahreserdgasverbrauch von rund 86 Milliarden Kubikmetern ist diese Energieressource als sehr bedeutsam einzustufen", heißt es in einer Regierungsunterlage.

Nötig sei "eine detaillierte Analyse der Umweltauswirkungen"

Nur fördern lässt sich die schöne Ressource nicht so leicht. Gestein will gesprengt werden; großer Druck, Sand, Chemie müssen nachhelfen - nur mit dem so genannten "hydraulic fracturing", kurz "Fracking", lässt sich der fossile Schatz bergen. Vorausgesetzt, die Behörden erlauben es.

Das könnte in Zukunft noch erheblich schwieriger werden als bislang. Am Montag verständigten sich Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) und Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) auf Vorschläge für eine neue Regelung. Danach müssen Investoren künftig sowohl für die Aufsuchung von Lagerstätten als auch für die eigentliche Förderung eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorweisen.

Nötig sei "eine detaillierte Analyse der vorhabenspezifischen Umweltauswirkungen", heißt es in dem Entwurf, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Nur dieses Verfahren stelle sicher, "dass sämtliche Belange des Umweltschutzes sorgfältig und strukturiert beurteilt werden können" Auch für die Aufsuchung von Erdwärme in mehr als 1000 Metern Tiefe würde dem Vorschlag zufolge künftig eine solche Prüfung fällig.

Bürgerinitiativen protestieren gegen Förderstätten

Die Neuregelung könnte eine lange Unsicherheit beenden - auch bei den Förderfirmen. Bis dato müssen Fracking-Projekte nur dem vergleichsweise laxen Bergrecht genügen. Zugleich haben sich aber überall in Deutschland Bürgerinitiativen gegründet, die gegen die Aufsuchung neuer Förderstätten protestieren.

Sie befürchten vor allem eine Beeinträchtigung des Grundwassers durch den Chemikalien-Cocktail, der beim Fracking genutzt wird. Ein Teil der Chemie bleibt zwangsläufig im Boden - mit unklaren Spätfolgen. Das räumt auch der Entwurf der beiden Minister ein. Selbst der rückfließende Flowback könne "im Einzelfall ein Risiko für die Wassergewinnung darstellen", heißt es dort.

Die Regeln für Wasserschutzgebiete gehen deshalb noch wesentlich weiter: Dort sollen Tiefbohrungen, bei denen Gestein auf der Suche nach fossilen Energien aufgebrochen wird, komplett verboten werden. Damit wäre ein Siebtel der Landesfläche für die neue Fördermethode tabu. Darüber hinaus räumt die Regelung den Behörden einigen Ermessensspielraum ein.

Wirtschaftsministerium sieht Zukunftsperspektive

Denn auch außerhalb der Schutzgebiete können sie künftig die Förderung beschränken. Schließlich könnten Gefahren für das Grundwasser auch dann entstehen, "wenn Bohrungen neue Verbindungen zwischen verschiedenen Erdschichten herstellen".

Die Wahrscheinlichkeit, dass die Regelungen so vom Bundestag erlassen werden, ist groß. Denn Ausgangspunkt des Minister-Vorstoßes ist eine Initiative von Union und FDP. Deren Experten hatten Ende Januar ein Papier erarbeitet und genau diese Regelungen gefordert: eine obligatorische Umweltprüfung einerseits, ein Verbot in Wasserschutzgebieten andererseits. Mit der Einigung am Montag haben Rösler und Altmaier sogar fast die Frist bis zur Fertigstellung eingehalten - die war erst am vorigen Freitag verstrichen.

Bundesrat ist die große Unbekannte

Allerdings gibt es noch eine große Unbekannte in dem Verfahren: den Bundesrat. Er muss der Neuregelung zustimmen. Allerdings fordern einige rot-grüne Länder ein Moratorium: Erst sollten alle Risiken der neuen Fördermethoden geklärt sein, ehe überhaupt Genehmigungen erteilt werden könnten. Selbst die Umweltverträglichkeitsprüfung ginge nach dieser Lesart zu weit: Denn ist die erst bestanden, müssen die Behörden auch die Genehmigung zum umstrittenen Fracking erteilen.

Dagegen setzt das Bundeswirtschaftsministerium darauf, dass sich die Unternehmen nun selbst um schonendere Technologien bemühen. "Die Industrie hat angekündigt, umweltfreundliche Methoden zu entwickeln", heißt es aus dem Hause Rösler. "Das bietet eine gute Zukunftsperspektive, auch wenn die tatsächlichen Fortschritte zunächst abgewartet werden müssen."

Interessenten an den unterirdischen Lagerstätten gibt es zuhauf. Unternehmen wie ExxonMobil, Wintershall oder die kanadische BNK Petroleum haben sich hierzulande schon entsprechende Claims gesichert. Ob sich die 2,3 Billionen Kubikmeter allerdings jemals fördern lassen, ist ungewiss, und das nicht nur der Auflagen wegen.

Wie viel Gas steckt im deutschen Schiefer?

Wie viel Gas sich tatsächlich im deutschen Schiefer verbirgt, konnte auch die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe nicht eruieren. Die 2,3 Billionen sind das Maximum - das Minimum liegt dagegen bei 700 Milliarden Kubikmetern.

Auch Polen, das sich einst riesige Mengen des unkonventionellen Gases versprach, musste seine Erwartungen zwischenzeitlich herunterschrauben. Allerdings gibt es auch andere Beispiele: Die USA etwa stehen vor einem unverhofften Überfluss, seit sie sowohl Öl als auch Gas mit den unkonventionellen Methoden fördern. Allerdings sind die auch weniger dicht besiedelt.

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