NBA-Engagement von Tim Ohlbrecht:Erfolgreich ins Paradies geflüchtet

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Nationalspieler und jetzt bald NBA-Profi: Center Tim Ohlbrecht (li.) wechselt in die stärkste Basketballliga der Welt.  (Foto: dpa)

"Ich habe es geschafft! Ich kann es nicht glauben": Der deutsche Basketball-Nationalspieler Tim Ohlbrecht bekommt überraschend einen langfristigen Vertrag beim NBA-Klub Houston Rockets. Der Center galt lange als großes Talent - dass es jetzt mit seinem Traum klappt, liegt an einem gewagten Karriereschritt.

Von Andreas Burkert

Die Fahrt zur Vertragsunterschrift erfolgte standesgemäß, wie es sich für die beste Liga der Welt halt gehört: in einer Limousine. Am frühen Montagmorgen chauffierte man Tim Ohlbrecht in die Zentrale der Houston Rockets, wo für den 24-jährigen Basketballer aus Wuppertal eine Flucht vor Vorbehalten mit der unerwarteten Ankunft im Paradies seines Sports endete.

Ohlbrecht ist jetzt Spieler in der nordamerikanischen Profiliga NBA, die Houston Rockets um Allstar James Harden haben ihn mit einem Vertrag bis Saisonende ausgestattet - eine Option für weitere zwei Jahre inklusive. "Ich habe es geschafft!!! Ich kann es nicht glauben . . . Mein Traum ist wahr geworden!", übermittelte der Deutsche anschließend aus Übersee.

Die Emotionen des 2,10 Meter großen Centers sind verständlich, denn trotz seines Talents und seiner Jugend hatte der deutsche Basketball gerade ihm das Abenteuer NBA nicht mehr wirklich zugetraut.

Ohlbrecht begann seine Karriere in Leverkusen - als Fußballtorwart. Beim früheren Basketball-Serienmeister Bayer 04 zählte er mit 17 zum Bundesliga-Kader, 2006 wechselte er nach Bamberg. Aber den Durchbruch zum konstanten Leistungsträger, dem man dem Junioren-Nationalspieler stets zutraute, den schaffte er nirgends; auch nicht in den beiden Spielzeiten darauf in Bonn und bei seinem Halbjahres-Engagement zuletzt in Frankfurt.

"Vom Talent her war Tim schon früher einer, der es in die NBA schaffen kann", erinnert sich Bambergs Manager Wolfgang Heyder. "Aber er hatte in den jungen Jahren nicht die hundertprozentige Einstellung. Irgendwann hat er seinen Ruf weggehabt." In Bonn wurde Ohlbrecht 2011, so war damals im Rheinland zu hören, vorzeitig verabschiedet, da er eine Ferienreise einem PR-Termin vorgezogen haben soll.

Nicht immer gut beraten durch sein Umfeld war da offenkundig jemand, der, was viele vergaßen, stets blutjung war und zwangsläufig auch ein großer Junge. Im Nationalteam, für das er 84 Spiele bestritt und mit dem er 2008 an Olympia teilnahm, kam er ebenfalls kaum zum Zug. Und so glich sein Schritt in die Staaten also auch einer Flucht, er schlug Offerten aus der BBL und Europa aus. "Ich wollte raus aus Deutschland, aus der Masse, die ab und zu schlecht über mich redet", hat er kürzlich dem Basketball-Podcast Got Nexxt! erzählt, "raus dem Hexenkessel."

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Ohlbrecht wurde von den Rio Grande Valley Vipers verpflichtet, dem Farmteam der Rockets in der zweiklassigen Development League. Der Kontakt war über regelmäßige Aufenthalte in den vergangenen vier Sommern in New Jersey zustande gekommen, wo er mit Privatcoach Joe Hohn arbeitete. "Finanziell war das ein Rückschritt, aber ich wollte als Spieler reifen. Ich kannte da unten überhaupt keinen."

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Wenn die beste Basketballliga der Welt ruft, kommen sie alle. Wichtiger als das Ergebnis sind jedoch andere Dinge. Dunkings, Berühmtheiten und singende Künstler prägen das Wochenende. Mittendrin ist diesmal auch ein Deutscher - und er heißt nicht Nowitzki.

Die Bilder aus Houston.

In der D-League, deren Partien allesamt im Fernsehen gezeigt werden, spielte sich Ohlbrecht regelrecht frei. Seine Statistiken wurden immer besser, auf 13,4 Punkte und 7,4 Rebounds kam er im Schnitt und erhielt eine Einladung zum 62. Allstar-Spiel der D-League. Bei der Show-Veranstaltung, die in den USA durchaus ein Ereignis ist, gelangen ihm zwölf Punkte und ebenso viele Rebounds. Ohlbrecht war damit endgültig auf dem Radar jener NBA-Klubs, die noch einen big man suchten, einen langen, soliden Brettspieler, "der unter dem Korb dorthin geht, wo es wehtut, und Offensivrebounds holt", wie er sich selbst beschreibt.

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Die Boston Celtics offerierten ihm vergangene Woche einen Vertrag für zunächst zehn Tage, doch den schlug er zur allgemeinen Überraschung aus. Er hatte etwas in der Hinterhand: das Interesse der Rockets. Mit seiner Spielweise hat er sie überzeugt. Ohlbrecht kann auf der tiefen Flügelposition spielen, sein Revier ist aber die Zone, wo er sich für seine Größe beweglich präsentiert. Sein Halbdistanzwurf ist solide.

Bundestrainer Frank Menz hat Ohlbrecht erst vorige Woche in Texas besucht, er plant fest mit ihm für die EM in Slowenien im September. Dirk Nowitzki, der deutsche Star der Dallas Mavericks, wird dann fehlen; Ohlbrecht dürfte erstmals mit der Aussicht auf viel Spielzeit in ein Turnier gehen. Nowitzki kann dem Landsmann bald persönlich gratulieren: Sonntag und nächsten Mittwoch treffen Dallas und Houston aufeinander.

© SZ vom 27.02.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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