Hilfe für Familien:Wenn die Eltern zum Kind werden

Die Caritas registriert immer mehr pflegende Angehörige und richtet in Ebersberg die dritte Beratungsstelle im Landkreis für Betroffene ein

Karin Kampwerth

Es geht um den 60-jährigen Sohn, der seine hochbetagte Mutter pflegt, genauso wie um das Paar, das Vollzeit arbeitet und sich neben den Kindern nun um die gebrechlichen Eltern kümmern muss. Oder um den Rentner, dessen Ehefrau von einer Demenzerkrankung langsam das gewohnte Leben genommen wird. Der Bedarf nach Beratung von Betroffenen, die die Pflege eines Angehörigen übernommen haben, steigt im Landkreis seit Jahren stetig an. Das stellte Maria Sommer von der Fachstelle für pflegende Angehörige in ihrer Jahresbilanz fest, die sie am Montag im Caritas-Zentrum in Grafing vorstellte. Weil die Nachfrage laut Caritas-Kreisgeschäftsführer Ludwig Mittermeier aufgrund der immer älter werdenden Gesellschaft in Zukunft kaum nachlassen wird, eröffnet im Familienzentrum in Ebersberg nach Markt Schwaben und Grafing nun eine dritte Beratungsstelle.

"Nur, wer für sich selbst sorgt, kann auch für andere sorgen", fasste Mittermeier den Auftrag der drei Fachstellen zusammen. Pflegenden Angehörigen wolle man bewusst machen, dass sie ihren Anvertrauten nicht helfen, wenn sie unter der Belastung selber zusammenbrechen. Demnach führen viele Pflegende ein Schattendasein. Diese Erfahrung hat Maria Sommer, die die Fachstelle bei der Caritas leitet, in ihrer jahrelangen Beratungstätigkeit immer wieder gemacht. "Und wie geht es Ihnen", fragen Sommer und ihre Kollegen Michael Münch in Ebersberg und Claudia Höwing in Grafing die Ratsuchenden deshalb als erstes.

169 Mal haben die Berater im Jahr 2012 diese Frage an Angehörige gerichtet: So viele Landkreisbürger fanden den Weg in eine der Caritas-Beratungsstellen. Darunter waren 131 Frauen und 38 Männer, was Sommer zufolge nach wie vor dokumentiere, dass es am häufigsten die Ehefrauen, Töchter oder Schwiegertöchter sind, die die Pflege von Angehörigen übernehmen. Eine Trendwende zeichne sich aber ab, Pflege laufe nicht mehr schmalspurig nur auf die Frauen zu.

Die Jahresbilanz zeigt auf, dass immer öfter eine Demenzerkrankung verantwortlich dafür ist, dass Landkreisbürger ihr Leben nicht mehr selbstständig meistern können. Die Angehörigen von 83 der Ratsuchenden litten unter Alzheimer oder ähnlichen Erkrankungen. Danach folgten 18 Beratungsanfragen infolge eines Schlaganfalls. In sechs Fällen war die Pflegebedürftigkeit aufgrund von Parkinson oder Multipler Sklerose entstanden. 24 Mal ging es um den Abbau der körperlichen und geistigen Fähigkeiten im Alter, sechsmal um Krebserkrankungen und 28 Mal um andere Leiden wie die Lungenkrankheit COPD oder degenerative Erkrankungen des Nervensystems wie die Muskellähmung ALS (Amyotrophe Lateralsklerose).

Wie sie mit der Krankheit der Pflegebedürftigen umgehen können, wollten mit 128 die meisten der Ratsuchenden wissen. Im Vordergrund standen auch hier die Demenenzerkrankungen. "Das ist sehr belastend für den Pflegenden, weil eine Demenz bedeutet, schon zu Lebzeiten Abschied von einem geliebten Menschen zu nehmen", sagte Sommer. Daneben ging es um entlastende Angebote oder die Organisation der häuslichen Pflege. Hilfestellung leisteten Sommer und ihre Kollegen auch bei Anträgen an die Pflegeversicherung und zu Fragen der gesetzlichen Betreuung.

Darüber hinaus waren Probleme mit der psychischen Veränderungen der Kranken, die Wohnungssuche oder die Anpassung der Wohnung an den Grad der Pflegebedürftigkeit etwa mit dem Einbau eines Treppenliftes Grund für Anfragen. Und nicht zuletzt wandten sich pflegende Angehörige mit finanziellen Sorgen, Belastungen durch Tod und Trauer und auch in akuten Krisensituationen an die Caritas-Beratungsstelle. Informationen zu Ansprechpartnern und Kontaktmöglichkeiten sind im Internet unter www.caritas-ebersberg.de zu finden.

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