NPD-Verbotsverfahren:Demokratie ist bunt

Nun also auch noch die Bundesregierung: Nach und nach stolpern die Verfassungsorgane in das Verbotsverfahren gegen die NPD, weil sie Geschlossenheit demonstrieren wollen. Dabei ist Konsens in einer Demokratie zwar ein wünschenswerter Zustand. Ihr eigentliches Merkmal aber ist er nicht.

Ein Kommentar von Nico Fried, Berlin

Es geschah hinter verschlossenen Türen, gerade so, als sei es dem Innenminister ein wenig peinlich. Hans-Peter Friedrich hat sich in der CSU-Landesgruppe dafür ausgesprochen, dass die Bundesregierung einen eigenen Antrag für ein NPD-Verbot einreicht. Friedrich, einer der größten Zweifler an einem Verbotsverfahren, nennt keine politische Begründung für seinen Schwenk, sondern eine formale. Er sagt unterm Strich, dass die Regierung einen Antrag stellen muss, um an einem Verbotsverfahren beteiligt zu sein, dessen Erfolg sie natürlich will, an dessen Erfolgsaussichten sie aber offenkundig zweifelt.

Politisch kommt dem Minister eine Fehleinschätzung zugute. Friedrich, der brave CSU-Mann, muss nicht sagen, dass er offenbar zu schwach ist, seine Zweifel aufrechtzuerhalten. Er muss nicht zugeben, dass er dem Druck seines Parteichefs Seehofer nicht standhält. Der Minister kann sich darauf berufen, dass die ursprüngliche Annahme, die Bundesregierung könne einfach einem Verbotsantrag der Länder beitreten, sich schlicht als Irrtum erwiesen hat. Das Vertrauen in den Verbotsantrag stärkt das nicht. Wenn es bei den formaljuristischen Fragen schon solche Unsicherheiten gibt, kann einem mulmig werden, was die Beweislage gegen die NPD betrifft.

So stolpern die Verfassungsorgane nach dem Beschluss des Bundesrates, den Weg nach Karlsruhe zu gehen, nach und nach in das Verbotsverfahren. Einer schaut auf den anderen - und alle auf die Wahltermine im Herbst.

Juristisch kompetente Zweifler

Als Nächstes wird die Bundesregierung entscheiden müssen, ob sie dem Votum ihres Innenministers folgt. Es ist anzunehmen, dass sich auch Angela Merkel und später eine große Mehrheit im Bundestag einem Argument beugen, das nun immer wieder zu hören ist: An der Geschlossenheit der Demokraten gegen die NPD dürfe es keine Zweifel geben.

An dieser Geschlossenheit gibt es aber im Ernst überhaupt keine Zweifel. Eine Demonstration guter politischer Gesinnung ist hingegen wenig wert, wenn sie am Schluss ihr juristisches Ziel verpasst. Der breite Konsens der Demokraten fehlt nicht bei der Ablehnung der NPD. Der Konsens fehlt über die Frage, ob das Verbotsverfahren der richtige Weg gegen die Neo-Nazis ist. Glücklicherweise reicht die Riege der Skeptiker von Wolfgang Bosbach über die liberale Justizministerin bis hin zum Grünen Hans-Christian Ströbele. Politisch sind diese Zweifler unverdächtig, juristisch von unbestreitbarer Kompetenz.

Das Verfahren gegen die NPD in Karlsruhe wird ein Verfahren gegen Feinde der Demokratie. Gerade deshalb sollte man achtsam sein, Prinzipien der Demokratie nicht aus politischem, geschweige denn wahltaktischem Kalkül zu vernachlässigen. Der Konsens ist in der Demokratie zwar ein wünschenswerter Zustand. Ihr eigentliches Merkmal aber ist er nicht. Vielmehr ist der Dissens und dessen Akzeptanz konstitutiv für die Demokratie. Daran sollte man sich erinnern, wenn andere in nächster Zeit mit ihren Zweifeln doch noch hartnäckiger bleiben, als es der Innenminister mit seiner Skepsis vermochte.

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