Google Earth:Entdecker am Bildschirm

Mit Hilfe von Google Earth haben Forscher unbekannte Biotope entdeckt. Auch Naturvölker nutzen die Software - und patrouillieren mit ihr im Regenwald.

Daniel Lingenhöhl

Ein riesiger Urwald voller unbekannter Pflanzen, Schlangen und Schmetterlinge, seltener Säugetiere und Vögel - es ist eine Schatzkammer der Natur im südostafrikanischen Mosambik, auf die Biologen um Julian Bayliss vor einigen Monaten stießen. Nicht einmal die Einheimischen hatten etwas von dieser geheimnisvollen Welt am Mount Mabu gewusst.

Google Earth: Wie der Indianer Tuwe vom Volk der Huni Kuim kämpfen auch die Indios vom Volk der Surui gegen die Vernichtung von biologischer Vielfalt. Die Surui nutzen vor allem Google Earth, um ihr Territorium im brasilianischen Bundesstaat Rondonia zu überwachen.

Wie der Indianer Tuwe vom Volk der Huni Kuim kämpfen auch die Indios vom Volk der Surui gegen die Vernichtung von biologischer Vielfalt. Die Surui nutzen vor allem Google Earth, um ihr Territorium im brasilianischen Bundesstaat Rondonia zu überwachen.

(Foto: Foto: dpa)

Die Region war wegen des Bürgerkriegs jahrzehntelang von der Außenwelt abgeschnitten gewesen. Erst der Blick aus dem All offenbarte das Ausmaß des unbekannten Ökosystems.

Und so machte Bayliss, der als Botaniker im britischen Königlichen Botanischen Garten in Kew arbeitet, eine seiner wichtigsten Entdeckungen nicht bei einer Expedition durch Mosambik, sondern am Schreibtisch - mit Hilfe des Computerprogramms Google Earth: "Wir haben nach Bergwäldern gesucht, die wir zu Schutzgebieten verknüpfen könnten. Gerade in Entwicklungsländern gibt es noch große, unzugängliche Regionen, die wir nur mit Satellitenbildern auswerten können." Am einfachsten ging dies mit dem kostenlosen Programm von Google.

Bayliss' Fund ist bei weitem nicht alles, was der Atlas aus Satellitenfotos Ökologen und Naturschützern seit seinem Start 2005 bescherte. "Früher bekamen fast nur Wissenschaftler Zugang zu Satellitenbildern. Google Earth hat dies demokratisiert. Heute kann jeder die Abholzung am Amazonas, die schmelzenden Polkappen oder die Millionen kreuz und quer über den Planeten verlaufenden Straßenkilometer mit eigenen Augen sehen", sagt Mark Mulligan vom Londoner King's College.

Patenschaften übernehmen

Der Geograph hat mit den Satelliten- und Luftbildern, die sich zu einem virtuellen Globus formen, selbst schon einige Initiativen angestoßen. Darunter ist auch HealthyPlanet.org, eine Internetplattform, auf der Interessenten mithilfe von Google Earth Schutzgebiete sehen und eine Patenschaft für einen Hektar oder Quadratkilometer darin übernehmen können.

90 Prozent der Spenden fließen örtlichen Organisationen zu, die sich um das jeweilige Gebiet kümmern, der Rest dient dem Betrieb von HealthyPlanet.org oder geht an Reservate, die bisher kaum Beachtung fanden. Mit dem Geld konnte seine Organisation bereits ein Moor in Großbritannien schützen, Aufforstungen in Thailand finanzieren und Parks in Kolumbien und Brasilien unterstützen.

Andere Internetseiten zeigen, wie die Ölförderung Amazonien beeinträchtigt und welche Rolle Schutzgebiete für die Trinkwasserversorgung von Städten spielen.

Auf der nächsten Seite: Wann Nutzer von Google Earth mit noch schärferen Satellitenbildern rechnen können.

Überwachung des eigenen Territoriums

Google hat sein Programm für gemeinnützige Zwecke geöffnet. Seit 2007 gibt es Google Earth Outreach - eine Plattform, auf der Umwelt- und Wohlfahrtsverbände eigene Anwendungen und Karten entwickeln und veröffentlichen können. Sie wurde von der Programmiererin Rebecca Moore ins Leben gerufen, die kurz zuvor mit Hilfe einer animierten Karte erfolgreich gegen Abholzungen nahe ihres kalifornischen Zuhauses protestiert hatte und nun das Projekt leitet.

Mithilfe von Googles Keyhole Markup Language (KML) können Nutzer relativ einfach Bilder, Karten, Videos und andere Informationen Schicht um Schicht auf die Satellitenbilder legen. Aus dem All kann sich der Betrachter immer näher an die Erdoberfläche zoomen und am Boden bisweilen durch dreidimensionale Animationen fliegen, in denen beispielsweise Gebirge und Flusstäler plastisch werden.

Suche nach neuen Minen

Nur die Unschärfe mancher Satellitenbilder setzt dem Erlebnis oft noch eine Grenze. Doch auch das soll sich ändern: "Bald ersetzen Bilder des neuen Geo-Eye-1-Satelliten die alten von Landsat. Statt 15 Meter Auflösung werden dann 0,5 Meter erreicht", freut sich der Geowissenschaftler Mulligan. Dann lassen sich weltweit sogar einzelne Bäume aus der Ferne betrachten.

Mit den neuen Bildern dürften sich auch die Möglichkeiten für die Indios vom Volk der Surui weiter verbessern. Mit Hilfe von Google Earth überwachen sie ihr Territorium im brasilianischen Bundesstaat Rondonia.

"Die Indios gehen die Bilder auf der Suche nach neuen Minen und Rodungen Zentimeter für Zentimeter durch", sagt Vasco van Roosmalen von der Organisation Amazon Conservation Team, die zusammen mit Google Earth Outreach die Indianer berät und technisch unterstützt. Entdecken die Surui etwas Verdächtiges, bekommen sie von Google neuere und höher aufgelöste Bilder der Gegend zugeschickt.

Patrouille im Regenwald

Mit den Koordinaten verdächtiger Stellen patrouillieren die Surui anschließend ihren Regenwald und sorgen dafür, dass eingedrungene Holzfäller oder Goldsucher von den Behörden aus dem Schutzgebiet gewiesen werden.

Eine erfolgreiche Verknüpfung von Hightech und der traditionellen Beziehung der Indianer zu ihrem Wald: Sattgrün hebt sich im Satellitenbild das Reservat der Surui von den riesigen Kahlschlägen außerhalb seiner Grenzen ab.

Und auch der Botaniker Julian Bayliss kann noch einen Erfolg vermelden. Wegen des Artenreichtums am Mount Mabu stellte Mosambik das am Computer entdeckte Gebiet nun unter Schutz.

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