Rücktritt von Benedikt XVI.:Warten auf den weißen Rauch

Benedikt XVI. ist offiziell zurückgetreten und die Zeit der Sedisvakanz hat begonnen. Mehrere Tage werden die Katholiken jetzt ohne religiöses Oberhaupt sein. Eine Zeit der Unsicherheit, die jedoch Chancen für die Zukunft der Kirche birgt. Mit seinem Rücktritt hat Joseph Ratzinger den Boden für mögliche Neuerungen bereitet.

Von Felicitas Kock

Zehntausende waren zu den letzten öffentlichen Auftritten Benedikt XVI. gekommen. Zum Angelusgebet etwa oder zur Generalaudienz an diesem Mittwoch. Als er sich von den Kardinälen verabschiedete, wurde er von Kameras begleitet, ebenso bei seinem Helikopterflug zur päpstlichen Residenz Castel Gandolfo. Um 20 Uhr aber, wenn die Amtszeit Benedikt XVI. nach acht Jahren offiziell zu Ende geht, geschieht das im Stillen. So, wie er es mag, Joseph Ratzinger, der Menschenansammlungen und zu viel Lärm vor seiner Wahl zum Heiligen Vater stets gemieden hatte.

17 Tage blieben den Gläubigen und den Organisatoren im Vatikan, um sich auf diesen Augenblick vorzubereiten. Scheidet ein Papst - wie fast alle Vorgänger Benedikt XVI. - durch seinen Tod aus dem Amt, fehlt diese Vorbereitungsphase in der Regel. Doch obwohl die Sedisvakanz diesmal angekündigt war, wird die Zeit des "leeren Stuhls" wie immer eine Zeit der Unsicherheit sein.

Äußerlich wird das Fehlen des Kirchenoberhauptes zunächst dadurch sichtbar werden, dass sich die Schweizer Garde von ihren Posten zurückzieht. Mit dem offiziellen Rücktritt Benedikt XVI. gilt es für das kleinste Heer der Welt nicht mehr, den Papst zu bewachen, es unterstützt den Camerlengo, Kardinal Tarcisio Bertone - bis ein neuer Heiliger Vater gewählt ist.

Innerlich wird die Kirche, sofern es um Entscheidungen geht, die nur ein Papst treffen kann, zum Stillstand kommen. So ist vorgeschrieben, dass "in der Leitung der Gesamtkirche nichts verändert werden darf". Während der Sedisvakanz führt zwar das Kardinalskollegium die Kirche, dessen Befugnisse sind aber auf bestimmte Aufgaben und Entscheidungen beschränkt. Von Päpsten erlassene Gesetze dürfen weder korrigiert noch abgeändert werden - damit ist zu warten, bis ein neues Kirchenoberhaupt gewählt ist.

Die richtungsweisende Entscheidung des Konklaves

Ebendiese Wahl ist es, um die sich das Kardinalskollegium hauptsächlich bemühen wird. Vom 4. März an sollen die Kardinäle im Rahmen der sogenannten "Generalkongregation" zusammenkommen, um über die Einberufung des Konklaves zu beraten. Wann die Versammlung zur Wahl des neuen Papstes beginnen soll, ist ungewiss - Benedikt XVI. hat es in die Hände der Kardinäle gelegt, über den Zeitpunkt der Eröffnung zu entscheiden.

Wen die voraussichtlich 115 Teilnehmer des Konklaves zum neuen Papst wählen werden, ist vollkommen offen. Der beliebte Kardinal Peter Turkson aus Ghana ist genauso im Gespräch wie der Wiener Erzbischof Christoph Schönborn oder Odilo Scherer, der als Erzbischof den Gläubigen der Mega-Metropole Rio de Janeiro vorsteht. Wen die Kardinäle auch wählen - es wird eine Richtungsentscheidung sein, die den Weg der katholischen Kirche in den kommenden Jahren prägen wird.

Doch selbst dann, wenn der erlösende Moment gekommen ist und weißer Rauch aus dem Schornstein der Sixtinischen Kapelle aufsteigt, wird die Zeit der Unsicherheit nicht vorbei sein. Die Kirche muss sich erst daran gewöhnen, einen Menschen unter sich zu haben, der einmal Papst war und der sich mit einem Mal von sämtlichen Kirchenämtern zurückgezogen hat.

Natürlich, die Kleinigkeiten sind mittlerweile geregelt. Wo der Papst wohnen wird etwa (zunächst in der päpstlichen Sommerresidenz Castel Gandolfo, später, wenn es in etwa zwei Monaten fertig renoviert ist, im Vatikan-Kloster Mater Ecclesiae). Wie er angesprochen werden soll ("Emeritierter Papst", "Römischer emeritierter Pontifex" oder "Eure Heiligkeit"). Oder was er tragen wird (eine weiße Robe und braune Schuhe von einem Schuhmacher aus Mexiko).

Die großen Fragen aber werden sich im Laufe der Zeit selbst beantworten müssen. Wie groß der Einfluss des emeritierten Papstes sein wird, zum Beispiel. So wird Joseph Ratzinger zwar kein Bischof oder Kardinal mehr sein, er will sich nach eigener Aussage ganz dem Gebet und der Meditation widmen. Doch ist es wahrscheinlich, dass sich der neue Papst mit seinen Fragen an das ehemalige Kirchenoberhaupt wenden wird. Benedikt XVI. hatte seinem Nachfolger wenige Stunden vor dem Ende seines Pontifikats "bedingungslose Hochachtung und Gehorsam" versprochen.

Doch so groß die Unsicherheit nach dem Rücktritt des "deutschen Papstes" auch ist, ihr wohnt eine große Chance für die Zukunft der katholischen Kirche inne. Benedikt XVI. hat mit seiner Entscheidung einen Weg beschritten, der für einen Papst bislang undenkbar war. Zu Beginn seiner Amtszeit hatten viele Gläubige gehofft, er würde die Kirche modernisieren. Eine Hoffnung, die der heute 85-Jährige nicht erfüllen konnte. Erst mit seiner Rücktrittsentscheidung hat er eine Neuerung gewagt - und eine Stimmung des Aufruhrs erzeugt, die sich ein neuer Papst nun zunutze machen könnte.

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