Bundestag beschließt Leistungsschutzrecht:Verzweifelte Suche nach guten Argumenten

Die schwarz-gelbe Mehrheit hat im Bundestag das entkernte Leistungsschutzrecht beschlossen. Doch es bleibt unverständlich, warum die Regierung dieses Gesetz trotz seiner offensichtlichen Schwächen durchgesetzt hat.

Ein Kommentar von Johannes Boie

Das Leistungsschutzrecht ist im Bundestag verabschiedet worden und wird aller Voraussicht nach in Kraft treten, eventuell mit ein, zwei kleinen Verzögerungen. Das ist schlecht, denn das Leistungsschutzrecht war von Anfang an keine gute Idee.

Zur Erinnerung: Kern des Gesetzesvorhabens war ursprünglich eine Lizenzierungspflicht, die für Suchmaschinen-Betreiber, allen voran Google, gegolten hätte. Das klingt kompliziert, hätte aber eigentlich einfach funktionieren sollen. Google verlinkt in seinem Dienst Google News, mit dem man im Netz nach Nachrichten suchen kann, in aller Regel auf Angebote von Verlagen, zum Beispiel auf Süddeutsche.de oder Spiegel.de. Um dem Leser kurz zu zeigen, auf welchen Text er gelangt, wenn er auf der Google-Seite auf den entsprechenden Link klickt, zeigt Google zusammen mit dem Link einen kurzen Textausriss aus dem entsprechenden Nachrichtentext an.

Wäre das Leistungsschutzrecht wie geplant verabschiedet worden, hätte Google künftig dafür an die Verlage Geld überweisen sollen. Die Befürworter des Gesetzes, allen voran der Axel-Springer-Verlag, aber auch der Süddeutsche Verlag, in dem Süddeutsche.de erscheint, wollten so an Googles Geschäft mitverdienen. Denn, so der wichtigste Teil ihrer Argumentation, das Geschäft wäre ohne das Nachrichtenangebot der Verlage gar nicht möglich.

Doch zahlreiche Juristen, Netzaktivisten, selbst Wirtschaftsverbände und Journalisten, die eigentlich von dem Gesetz profitieren sollten, lehnten das Vorhaben strikt ab. Denn immerhin verdienen die Verlage Geld an jedem Nutzer und Leser, den Google ihnen schickt. Auch verwendet Google nicht den vollständigen Nachrichtentext, das wäre ein klarer Verstoß gegen das bestehende Urheberrecht. Und außerdem bietet der Internetkonzern allen Verlagen (und auch Privatpersonen, die Webseiten besitzen), die Möglichkeit, mit einer einfach vorzunehmenden, technischen Sperre, die eigene Seite nicht länger bei Google anzeigen zu lassen. Diese Gegenargumente waren so überzeugend, dass sich jetzt sogar Unionsabgeordnete gegen das Gesetz stellten.

Was sind "kleinste Textausschnitte"?

Doch anstatt das Gesetz zu kippen, oder weitere Anhörungen durchzuführen, wurde das Gesetzesvorhaben nur Tage vor seiner Verabschiedung kurzerhand umgeschrieben. Jetzt heißt es im Text: "einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte, wie Schlagzeilen, (...), fallen nicht unter das Schutzgut des Leistungsschutzrechtes", kurz: Dafür müssen keine Lizenzgebühren entrichtet werden.

Das Gesetz wurde also entkernt, es wurde um genau jenen Teil vermindert, wegen dem es ursprünglich initiiert worden war. Und diese Änderung ist unpräzise. Wie lang darf ein Textausschnitt denn nun sein? Was sind "kleinste Textausschnitte"? Ab wann muss bezahlt werden? Muss ein Unternehmen wie Google überhaupt bezahlen?

Es ist unverständlich, warum die Regierungskoalition dieses Gesetz trotz seiner offensichtlichen Schwächen durchgesetzt hat, vielleicht, um nach Jahren der Debatte nicht das Gesicht zu verlieren und dem Koalitionsvertrag gerecht zu werden. Dort wird das Gesetzesvorhaben bereits erwähnt. Wie verzweifelt in der Koalition nach Argumenten für das Gesetz gesucht wurde, zeigte sich kurz vor der Abstimmung im Bundestag zum Beispiel in der Rede von Günter Krings.

Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende von CDU/CSU behauptete zum Beispiel, ohne das Leistungsschutzrecht könnten Verlage überhaupt keine journalistischen Angebote gegen Bezahlung im Netz schaffen. Seltsam nur, dass es solche Angebote längst gibt - und zwar ohne Leistungsschutzrecht.

So wurde aus einem Gesetzesvorhaben, dessen Inhalt schlecht war, ein Gesetz, das schlecht gemacht ist.

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