Kanadas nördlichstes Rasthaus:Hinter dem Parkplatz hört die Welt auf

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Wer den Motor abstellt, kommt nicht mehr weiter: Trucks vor der Eagle Plains Lodge am Dempster Highway. (Foto: JWO)

Üppige Burger, rustikale Gästezimmer und eine Tankstelle samt Werkstatt gleich nebenan. Klingt alles nach einer typischen Trucker-Herberge in Nordamerika. Doch die Eagle Plains Lodge am Dempster Highway ist das nördlichste Rasthaus auf dem amerikanischen Kontinent. Die Drinks serviert eine Deutsche.

Gleich hinter dem Parkplatz ist Schluss. Eine verschneite Straßensperre mit gelben Warnleuchten und großen Buchstaben lässt keine Zweifel: "Road closed". Über den Dempster Highway tobt ein Blizzard, ein heftiger Schneesturm. Mehr als zehn Trucks, die während des vergangenen Tages Richtung Inuvik in den hohen Norden Kanadas unterwegs waren, stehen mit voller Beleuchtung und laufenden Motoren auf dem Parkplatz der Eagle Plains Lodge. Wer bei minus 35 Grad Celsius abends den Motor abstellt, der hat Schwierigkeiten, ihn am nächsten Morgen wieder in Gang zu bekommen.

Die Eagle Plains Lodge ist das nördlichste Rasthaus auf dem amerikanischen Kontinent. Während draußen die Motoren sich selbst warmhalten, sitzen die Trucker in der Bar des Rasthauses vor einem dampfend heißen Kaffee oder einem eiskalten "Yukon Gold"-Bier. An der Wand hängen präparierte Bison-, Elch- und Karibuköpfe, Bärenfelle und betagte Schneeschuhe mit Holzrahmen. Dazu jede Menge verblichener Fotos, Urkunden und Sporttrophäen, die etwas über die Geschichte dieser Gegend erzählen. In der einen Ecke steht - eingerahmt von ein paar Topfpflanzen - ein ausgestopftes Rentier, in der anderen ein Billardtisch.

Rustikal: Eagle Plains Lodge am Dempster Highway. (Foto: JWO)

Außer der Bar gibt es noch ein - nun ja: Restaurant, dessen Spezialität üppige Burger sind, ein Motel mit 32 Betten in meist hellhörigen Zimmern, einen Waschsalon, eine Tankstelle mit zwei Zapfsäulen und eine Autowerkstatt, in der sich auch ganze Sattelschlepper warten lassen. Im Sommer gibt es zudem einen Campingplatz. Und das ganze Jahr: eine wundervolle Polarlandschaft.

Bis nach Dawson im Süden sind es von hier rund 400 Kilometer, bis nach Inuvik, einem 3400-Seelen-Dorf an der Mündung des Mackenzie-Rivers, ebenfalls. Häuser oder gar Ortschaften gibt es dazwischen weder in die eine noch in die andere Richtung. Für die Verbindung zwischen Dawson und Inuvik sorgt seit Ende der 1970er Jahre der Dempster Highway.

Der hat vor allem während der Wintermonate nicht viel mit den breiten, vierspurigen Asphaltbahnen zu tun hat, die man aus den USA so gewohnt ist. Der Dempster Highway ist im Winter eine rutschige Schnee- und Eispiste, die von mächtigen Räumfahrzeugen mehr planiert als freigeschaufelt wird.

Gefahren wird meist in der Straßenmitte. Nur bei den ein, zwei Fahrzeugen, die einem auf den 400 Kilometern entgegen kommen, weicht man auf die rechte Straßenseite aus. Ein paar zugeschneite Autos neben der Straße warnen ab und an davor, dem Straßenrand zu nahe zu kommen. Wer hier liegen bleibt, bekommt sein Auto frühestens wieder im Frühjahr auf die Straße.

Der Dempster Highway ist mit seinen insgesamt 735 Kilometern Länge die nördlichste öffentliche Straße in Kanada. Er führt auf Alpenhöhe durch weite Tundra-Ebenen, durch raues, vulkanisches Gebirge und über den North Fork Pass durch die Tombstone Mountains. Ein großer Teil des "Dempster", der erst im August 1979 offiziell eröffnet wurde, folgt einem alten Hundeschlittenweg.

Knapp ein halbes Jahr bevor der Highway fertig wurde, eröffnete Ende 1978 die Eagle Plains Lodge. Stan McNevin, ihr Besitzer, verdiente sich vorher sein Geld im Baugewerbe. Neben den Truckern sind es im Sommer vor allem Touristen, Biker und Motorradfahrer, die bei ihm auf dem Weg zum gerade mal 35 Kilometer entfernten Polarkreis einen Zwischenstopp einlegen. Mehr als die Hälfte seiner Gäste komme aus Europa, sagt McNevin.

Auch Evelyn stammt aus Europa. Die Deutsche war mit ihrem Ford Pick-up mitten auf dem Dempster Highway liegen geblieben, ein Ersatz für die kaputte Ölwanne sollte erst sechs Wochen später eintreffen. So lange wollte die Badenerin in der Lodge bleiben und Kost und Logis im Restaurant und in der Bar abarbeiten. Aus den sechs Wochen sind mittlerweile sechs Jahre geworden.

Weit weg von allem, was mit Zivilisation zu tun hat, ist die Eagle Plains Lodge komplett autark. Ein Generator sorgt für Strom. Im Winter rauschen dafür jeden Tag mehr als 1200 Liter Treibstoff durch das Aggregat. Das Trinkwasser wird aus 44 Kilometer Entfernung mit Tankwagen vom Eagle River angekarrt, die Tanks der Lodge fassen mehr als 60.000 Liter. Geöffnet hat Stan McNevin das ganze Jahr über. Anders als der Dempster Highway vor der Tür: Der war 2012 an 21 Tagen gesperrt. Wegen Schneesturm.

© Süddeutsche.de/pressinform/JürgenWolff - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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