BVB in der Champions League:Hinten Grippe, vorne Poker

Ein Erfolg in der Champions League gegen Schachtjor Donezk würde dem BVB doppelt guttun. Er wäre eine Antwort auf den nationalen Alleingang des FC Bayern und würde Robert Lewandowski die Wechsellust vermiesen - dabei hängt viel von Mats Hummels ab, dessen Einsatz noch fraglich ist.

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Mats oder Nicht-Mats, für Marcel Schmelzer ist es offenbar eine heikle Frage. Borussia Dortmunds Innenverteidiger Mats Hummels hat in der vergangenen Woche eine Grippe erwischt, und trotz ärztlicher Unterstützung ist bislang nicht ganz klar, ob er für das Champions-League-Spiel gegen Schachtjor Donezk am Dienstag einsatzfähig wird. "Ein bisschen Hoffnung besteht noch", sagte Trainer Jürgen Klopp am Tag vor dem Spiel, Schmelzer aber trauert geradezu über den möglichen Ausfall seines Abwehr-Kollegen: "Er fehlt nicht nur mir, sondern uns allen. Es ist ein anderes Spiel, wenn Mats nicht dabei ist."

Die Hängepartie um Hummels, dessen Ausfall aus Dortmunder Sicht eine wichtige Ursache für das Pokal-Aus in München war, dokumentiert, dass die kurzfristigen Themen beim entthronten Meister und Pokalsieger derzeit viel mehr Aufmerksamkeit finden, als man angesichts der Schlagzeilen meinen könnte. Mannschaftsintern beschäftigt sich kaum jemand mit der Debatte, ob und wann BVB-Torjäger Robert Lewandowski den Klub verlassen wird - und ob und wie Dortmund ihn ersetzen könnte.

Am Freitag bekam der Pole in der Kabine Applaus, als er von der erfolgreichen Sportgerichts-Verhandlung aus Frankfurt rechtzeitig zum Training zurückkehrte. Am Samstag schoss er zwei Tore gegen Hannover und spielte dabei sogar auf der ungewohnten Spielmacher-Position.

Klubchef Hans-Joachim Watzke hat die Debatte am Sonntag allerdings selbst erneut angeheizt. In einer Sport1-Talkrunde kündigte der Vorstandschef nicht ganz überraschend an, dass Dortmund in der kommenden Transferphase "deutlich netto investieren" wolle. Und um die Neuigkeit gleich in den richtigen Kontext zu bringen, wiederholte Watzke seine Ankündigung, Lewandowski voraussichtlich nicht aus seinem bis 2014 laufenden Vertrag entlassen zu wollen.

"Wir haben in dieser Saison schon mehr als 40 Millionen Euro in der Champions League eingenommen", argumentiert Watzke, "man kann sich also ausrechnen, dass es uns wesentlich mehr nützen kann, noch eine weitere Saison mit Robert zu spielen, als für ihn in diesem Sommer eine hohe Ablöse zu kassieren." Lewandowski sei ein charakterlich besonders guter Spieler, er werde auch in der kommenden Saison mit voller Kraft für den BVB auf Torejagd gehen.

Heilsame Flucht nach vorne

Man kann diese Ankündigung als typischen Vertragspoker abtun. Schon viele Vereinsbosse haben vor Transfers ähnlich gesprochen. Lewandowski und - wie man hört - auch seine Berater Cesary Kucharski und Maik Barthel sollen die Ankündigung aber sehr ernst nehmen. Intern soll das Szenario bereits fest abgesprochen sein, dass der Stürmer in Dortmund bleibt.

Der BVB würde trotzdem im Sommer einen zweiten Mittelstürmer verpflichten, als Back-up für den 24-jährigen Lewandowski. Für diesen hätte ein Auslaufen des Vertrags 2014 kaum Schrecken. Zwar würde er noch ein weiteres Jahr für ein vergleichsweise bescheidenes Gehalt von geschätzten 1,5 Millionen Euro beim BVB spielen - aber dafür wäre er dann ablösefrei und könnte ein um so üppigeres Handgeld vom neuen Verein erwarten.

Schlecht wäre die Konstellation nur für Kucharski und Barthel, die bei einem Lewandowski-Transfer Millionen an Provision verdienen würden. Lewandowskis Ablösewert wird auf an die 30 Millionen Euro taxiert. Die Dortmunder rechnen insgeheim damit, dass Lewandowskis Wechselwille erlahmen dürfte, je länger er an der Erfolgsgeschichte der Mannschaft teilnimmt, je länger der BVB also beispielsweise in der Champions League spielt. Die Aussage von Karl-Heinz Rummenigge, dem Vorstandschef des FC Bayern ("Wir planen nicht, mit Dortmund in Verhandlungen über einen Transfer einzutreten"), soll bei Lewandowski wie ein Warnsignal angekommen sein. Im Subtext heißt das: München ist nicht bereit, für Lewandowski Ablöse zu zahlen.

In der bisweilen besonderen Psychologie des Fußballers kommt so eine Botschaft schlecht an. Schließlich hält sich Lewandowski für einen Top-Stürmer, für den man bereit sein sollte, tief in die Tasche zu greifen. Und so stellt sich in Dortmund nicht nur Lewandowski die Frage, ob die Bayern ihn wirklich wollen. Rummenigge wird, falls es opportun wird, seine Äußerung vermutlich schnell wieder zurücknehmen, wie man es umgekehrt seinem Pendant Watzke zutrauen muss, Lewandowski doch schon 2013 ziehen zu lassen.

Trotz allem geht Watzke davon aus, dass die Flucht nach vorn in die Champions League die einzige Antwort auf beides ist: den nationalen Alleingang des FC Bayern und den Abwanderungswillen des Torjägers. Gegen die mit neun Brasilianern besetzte Auswahl aus Donezk würde nach dem 2:2 im Hinspiel ein 1:1 reichen, um unter die letzten Acht zu kommen. Es ist in Dortmund kein Geheimnis mehr, dass sich die selbstbewusste Mannschaft inzwischen sogar den ganz großen Coup in der Champions-League zutraut. Allerdings nur mit Mats Hummels und Robert Lewandowski.

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