TV-Serie "The Hour" bei Arte:Vergesst den Martini

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Der Cast der britischen Serie "The Hour" - ab dem 7. März zu sehen bei Arte. (Foto: © Kudos Film & Television Limite)

In Ägypten brennt die Luft, Journalisten bestechen Polizisten, Frauen wollen Chefs sein. Klingt wie Nachrichtenstoff für die Jetztzeit. Doch die britische Serie "The Hour", die nun auf Arte läuft, erzählt von BBC-Journalisten 1956. Wie in "Mad Men" wird Zeitgeist nachgeschneidert - dennoch sind die Serien grundverschieden.

Von Claudia Fromme

Alles Gescheite ist schon gedacht worden, hat ein gescheiter Deutscher einmal gesagt, und so entschuldigt läuft die Verwurstung von Originalität überall auf Hochtouren. Bei den Fernsehserien zum Beispiel geht seit Mad Men im modernen Kostümfilm nicht mehr viel ohne Martini, Zigarettenetui und Lidstrich. Pan Am oder The Playboy Club sind da nur einige Beispiele.

Natürlich steht auch die BBC-Serie The Hour, die nun auf Arte läuft, dringend unter Dekorverdacht. Und natürlich wurden auch hier hektisch alte Ausgaben von Vogue und Esquire gewälzt, um Zeitgeist nachzuschneidern. Es wird viel geraucht, kokettiert und tief aus Lidstrich-Augen geblickt. Mad Men spielt 1960 in einer Werbeagentur in Manhattan, The Hour 1956 in einer Nachrichtenredaktion in London. Schrecklich weit auseinander ist das weder thematisch noch zeitlich, und doch, vergisst man Martini, Zigarettenetui und Lidstrich - meilenweit voneinander entfernt.

Geht es in Mad Men um den schönen Schein, Eitelkeit und Sexismus in ansprechender Agenturlandschaft, ist das Nachrichtengeschäft bei The Hour weniger glamourös. In Ägypten brennt die Luft, Journalisten bestechen Polizisten, Frauen wollen Chefs sein. Klingt, als wäre es Nachrichtenstoff für die Jetztzeit, ist aber von 1956.

In dem Jahr entscheiden sich der BBC-Reporter Freddie Lyon (Ben Whishaw) und seine Kollegin Bel Rowley (Romola Garai), dass sie nicht mehr Seichtheiten aus der Society reportieren wollen, sondern Missstände aufdecken. Ihr Begehr findet im Sender Gehör, und so wird in den Lime Grove Studios eine neue, unerhörte Art von Nachrichtensendung produziert, die The Hour heißt und der britischen Regierung gar nicht gefällt. Freddie berichtet von Einwanderern, die angefeindet werden, von Lords, die sich die Taschen füllen.

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Als in der Tube erst ein erstochener Dozent liegt und dann seine Upper-Class-Freundin Ruthie tot am Duschkopf hängt, recherchiert Freddie so hartnäckig auffällige Parallelen, dass er dem britischen Geheimdienst MI6 in die Quere kommt. Verschlüsselte Botschaften finden sich in Kreuzworträtseln, Rotspione tauchen auf, man denkt an Serien wie The Newsroom und Rubicon. Doch unser guter Mann Freddie lässt sich nicht beirren, nicht einmal von der Suezkrise.

Es ist sicher kein Zufall, dass The Hour vor allem bei Journalisten beliebt ist, mal nicht im Ansehen knapp vor dem Müllmann zu stehen, das hat etwas. Wahrheit um jeden Preis. Ehrlichkeit. Objektivität. Freddie hat ein Manifest verfasst, in dem diese Werte stehen. Aber wie das so ist: Es landet im Müll. Und nicht Freddie ist das Gesicht von The Hour, sondern Hector Madden (Dominic West), der durch Beziehungen an den Job gekommen ist. Am Ende landet Bel natürlich auch in dessen Bett. Tja. Der große Newsroom-Kitsch.

Nicht nur das wirkt ein wenig dick aufgetragen. Auch haben am Original Sprachwissenschaftler aus Oxford bemängelt, dass Idiome verwendet werden, die es erst in den achtziger Jahren gab. Und ob wirklich in Newsrooms damals exzessiv Cocktailkleider mit Goldbroschen getragen wurden? Egal, eine sehr schöne Vorstellung wäre das schon.

The Hour , Arte, 20.15 Uhr.

© SZ vom 07.03.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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