Reform der Grundschule:Spaenle plant mehr Flexibilität

Ob Spätzünder oder Hochbegabte, der bayerische Kultusminister Spaenle will den Unterricht kindgerechter gestalten - und in bestimmten Fällen sogar das Sitzenbleiben abschaffen

Kassian Stroh

Kaum hat er seine Pläne für eine Reform der Hauptschule vorgestellt, da wendet sich Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) der Grundschule zu. Die will er flexibler gestalten, damit sie "entwicklungs- und kindgerechter" werde, wie er der Süddeutschen Zeitung am Rande des CSU-Parteitags sagte.

Reform der Grundschule: Vorige Woche trug er eine riesengroße Schultüte herum - jetzt will Kultusminister Ludwig Spaenle auch noch den Umbau der Grundschule stemmen.

Vorige Woche trug er eine riesengroße Schultüte herum - jetzt will Kultusminister Ludwig Spaenle auch noch den Umbau der Grundschule stemmen.

(Foto: Foto: dpa)

Sein neuester Plan: Wenn ein Kind Startschwierigkeiten hat und die erste oder zweite Klasse wiederholt, soll dies künftig nicht mehr als Durchfallen gelten. Er wolle das Schulgesetz derart ändern, "dass das nicht auf die Pflichtschulzeit angerechnet wird", kündigte Spaenle an.

"Wenn das Kind schnell ist, warum soll es die ersten beiden Grundschuljahre nicht in einem machen?", fragte der Minister. "Wenn es eine längere Entwicklungsphase braucht, warum nicht in drei Jahren?"

Mehr Flexibilität also - denn Spaenle formuliert als sein Credo, Maßstab müsse die individuelle Entwicklung der Schüler sein. "Wir haben zu sehr auf den ganzen Jahrgang geschaut, man muss aber mehr auf das einzelne Kind schauen."

Diesem Ziel soll auch eine neue Regelung für die Einschulung dienen. In diesem Jahr werden alle Kinder schulpflichtig, die bis Ende November ihren sechsten Geburtstag feiern. Im kommenden Jahr, so steht es bislang im Gesetz, soll die Grenze auf Ende Dezember verschoben werden.

Diesen Schritt werde er aber nicht mehr vollziehen, kündigte Spaenle an. Vielmehr wolle er den Stichtag wieder zurückverlegen - und zwar auf Ende September.

Denn bislang würden 70 Prozent der von der früheren Einschulung betroffenen Kinder zurückgestellt - auf Antrag der Eltern. "Es geht nicht, dass man hier eine Art Defizit feststellen muss", sagte Spaenle. Er wolle deshalb den Stichtag wieder auf September verlegen - "das ist den Familien zu vermitteln". Eltern, die ihr Kind früher einschulen wollten, könnten dies weiter beantragen.

Das Einschulungsalter schrittweise vorzuverlegen, hatte die CSU gegen den Widerstand der Opposition im Jahr 2005 beschlossen. Damals war ihre Begründung, man müsse den "gestiegenen Anforderungen der Berufswelt an junge Menschen" Rechnung tragen. Zudem seien die bayerischen Kinder bei der Einschulung zu alt verglichen mit dem europäischen Durchschnitt.

Diese Pläne für mehr Flexibilität in den ersten Schuljahren sind dabei Teil eines größeren Konzeptes, das man Spaenles Sechs-Jahres-Plan nennen könnte. Zwar will der Kultusminister an der vierjährigen Grundschule festhalten, diese aber sukzessive an den Rändern aufweichen.

Die endgültige Entscheidung für eine weiterführende Schule soll künftig - um den Leistungsdruck aus der vierten Klasse zu nehmen - erst am Ende der fünften Klasse stehen. Diese will er so zu einer "Gelenkklasse" machen und zugleich die Beratung der Eltern und die individuelle Förderung der Kinder verbessern.

Zudem will Spaenle den vorschulischen Bereich im Kindergarten enger auf die Grundschule abstimmen - was nicht zuletzt eine Forderung des liberalen Koalitionspartners ist.

Der Bildungsplan für den Kindergarten und der Grundschullehrplan sollten "gemeinsam weiterentwickelt und verzahnt werden", forderte erst am Freitag die FDP-Bildungspolitikerin Renate Will bei einem bildungspolitischen Kongress ihrer Fraktion. "Nur so können Defizite frühzeitig erkannt und behoben werden."

Vier Jahre Grundschule, davor ein Jahr Vorschule, danach eine "Gelenkklasse" - gibt zusammen sechs Jahre. "In diesen sechs Jahren sollen Kindergarten und Schule schauen, wie sich das Kind entwickelt", sagt Spaenle. "Das ist unsere Antwort auf die Frage der sechsjährigen Grundschule", also auf die Forderung nicht zuletzt der Opposition, dass alle Kinder die ersten sechs Jahre Schule gemeinsam absolvieren sollen.

Doch für Spaenle krankt auch diese Idee an dem "Denkfehler, nur auf den ganzen Jahrgang zu schauen" - also keine individuellen Wege zu öffnen, sondern allen Kindern eines Geburtsjahres dieselben.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: