David Livingstone zum 200. Geburtstag:"Meine Erscheinung erregt schallendes Gelächter"

Zentralafrika David Livingstone Afrika-Forscher Tanganjikasee

Auf Europas Landkarten war das Innere Afrikas nur ein weißer Fleck. Nach Berichten von Forschern wie David Livingstone wurden die ersten Karten gezeichnet.

(Foto: SDS AG)

Entdecker David Livingstone hatte auf seinen Forschungsreisen in Afrika nicht nur mit Großkatzen und Fieberschüben zu kämpfen, sondern auch mit den Folgen der Sklaverei. Der Schotte galt zwischenzeitlich als verschollen - bis ihn ein Journalist aus New York wiederentdeckte.

Auszüge aus seinen Tagebüchern.

Für die Europäer war das Innere Afrikas Mitte des 19. Jahrhunderts noch ein unbekannter, weißer Fleck auf der Landkarte. Der schottische Missionar und Forscher David Livingstone erkundete als erster Weißer den mächtigen Fluss Sambesi und entdeckte die gewaltigen Wasserfälle, die er nach seiner Königin Victoria benannte. Am 19. März jährt sich der Geburtstag des Entdeckers zum 200. Mal.

Fast wäre er gar nicht in Afrika gelandet, er träumte von China - doch dann brach der Opiumkrieg aus und vereitelte seine Pläne. Also landete Livingstone 1840 in Afrika, lehrte das Evangelium und lernte die Geißel Afrikas kennen: die Sklaverei. Denn wohin er auch kam, arabische Sklavenhändler waren schon da gewesen. Stammeshäuptlinge verkauften nicht nur Menschen aus benachbarten Dörfern, sondern auch die eigenen Leute. Auf seinen Forschungsreisen durch den Schwarzen Kontinent versuchte Livingstone, den Clanchefs klarzumachen, welche Folgen der Sklavenhandel für ihr Land hatte: Krieg und Hungersnot, unter anderem weil die Menschen für den Ackerbau fehlten.

Livingstones Ziel war es, die Quellen des Nils zu finden. Jahrelang forschte er und galt den Europäern als verschollen. Der New York Herald sandte den Reporter Henry Morton Stanley, um ihn zu suchen. Er fand ihn am Ufer des Tanganjika-Sees in Zentralafrika und soll ihn mit den Worten begrüßt haben: "Mister Livingstone, nehme ich an." Livingstone fand anschließend zwar nicht die Nilquellen, aber den Ursprung des Kongo. Auf dieser Reise starb der Entdecker am 1. Mai 1873.

Auf den folgenden Seiten lesen Sie Zitate aus Livingstone Reisetagebüchern aus den Jahren 1866 bis 1873: "Die Erschließung des dunklen Erdteils" (Übersetzung von Edmund T. Kauer, SDS AG mit traveldiary.de). Darin schildert er seine Erlebnisse bei seinem Fußmarsch bis zum Tanganjika-See und während der Erforschung von Flussläufen in der Hoffnung, die Nilquellen zu entdecken. Da sich Livingstone durch ein Land bewegte, das den Europäern noch unbekannt war, nannte er als Orte meist nur die Dörfer, in denen er Station machte.

David Livingstone Afrika-Forscher

Der schottische Afrikaforschers David Livingstone. Als erster Europäer seiner Zeit drang er in noch unbekannte Gegenden auf dem schwarzen Kontinent vor.

(Foto: dpa)

20. Juni 1866: Kurz nach Einbruch der Nacht kam ein Leopard trotz des hellen Mondlichts in unser Lager und holte sich aus unserer Mitte einen kleinen Hund heraus; vor einigen Tagen, höre ich, soll er einen erwachsenen Menschen verschleppt haben.

26. Juni: Unterwegs stießen wir auf die Leiche einer erschossenen oder erstochenen Sklavin; eine Gruppe Eingeborener stand gaffend etwa hundert Schritte abseits; sie erzählten uns, dass ein Araber heute morgen hier vorbeigekommen sei; da die Sklavin nicht mehr weiter konnte, hatte er sie aus Wut über den Verlust des Kaufpreises umgebracht.

2. Juli: Das südliche Ufer des Flusses ist reich an Schlammquellen; Reis gedeiht prächtig. Die Umgegend liefert reichlich Sorghum, Kongobohnen und Kürbisse. Die Eingeborenen strömen herbei, um uns zu betrachten. Alles was ich tue, ja sogar meine bloße Erscheinung erregt schallendes Gelächter; wenn ich plötzlich aufstehe, stiebt die ganze Menge kreischend auseinander.

15. Juli: Die Sepoys (indische Soldaten, die als Träger fungierten) sind ganz unerträglich; wenn ich sie nicht bald los werde, müssen wir alle verhungern. Zu der Marschstrecke, die wir am Morgen des 13. Juli zurücklegten, brauchten sie vierzehn Tage.(...) Sie töteten meinen jungen Büffel und aßen das ganze Fleisch davon, in der Hoffnung, mich durch eine frech erlogene Geschichte täuschen zu können. Sie sagten nämlich, Tiger hätten ihn gefressen, und sie selbst hätten es gesehen. "Habt ihr denn auch die Streifen der Tiger gesehen?" Natürlich hatten alle die Streifen gesehen. Und dabei gibt es in ganz Afrika keine gestreiften Tiger.

Wie klatscht man "Vielen Dank"?

14. Oktober: Die Tschipeta sind stark tätowiert. Man hält hier sehr viel auf gute Manieren; wenn wir jemand begegnen, tritt er zur Seite und setzt sich auf die Erde. Wir müssen die Hand auf die Brust legen und sagen "Re peta", lass uns vorübergehen; sofort antwortet der andere bejahend, indem er in die Hände klatscht. (...) Es gibt tausend Arten, wie dieses Volk hier in die Hände klatscht: bald bedeutet dieses höfliche Händeklatschen: "Ich bitte um die Erlaubnis", bald "Würden Sie gefälligst entschuldigen", bald "Vielen Dank", es gilt bei Begrüßungen und Verabschiedungen und hat überdies noch die Bedeutung des in unseren europäischen Parlamenten üblichen "Hört, hört!". Ruft man einen Untergebenen, so antwortet er durch zweimaliges Händeklatschen, und das bedeutet dann "Sofort, ganz zu Ihren Diensten!"

20. März 1867: Der Regen hatte die Treiberameisen unruhig gemacht; zwei Stunden nachdem wir Lager bezogen hatten, fielen sie über mich her. Sie werden hier Kalandu oder Nkalanda genannt. Ich erwachte, ganz übersät von diesen Tieren; auch mein Haar war voll von ihnen. Langsam beißen sie sich ins Fleisch ein, und je mehr man sie stört, umso bösartiger werden sie. Ich floh aus der Hütte, aber da gab's kein Entrinnen mehr. Beißend und kneifend setzten sie sich an meinen Beinen fest. Sie lassen erst von ihrem Opfer ab, wenn sie satt und müde sind.

1. Januar 1868: Oh Herr, wenn es mein Schicksal sein soll, in diesem Lande zu sterben, so bereite mich darauf vor! (nach Fieberschüben)

Im Rausch des Regenbogens: Die Victoriafälle in Afrika

Seit 1989 sind die Victoriafälle Unesco-Weltnaturerbe. Ihr Entdecker David Livingstone nannte sie den wundervollsten Anblick, der sich ihm je in Afrika geboten habe.

(Foto: dpa-tmn)

19. März: Heute besuchte uns Mpwetos Lieblingssohn; ich höre, dass der Vater nichts unternimmt, ohne den Rat dieses Jünglings anzuhören, aber ich fand den Jungen reichlich blöd.

2. April: Zuverlässige Berichte besagen, dass die Quellen des Nil zwischen dem neunten und zehnten Grad südlicher Breite liegen, mindestens fünfhundert Meilen südlich von Spekes See. Der Tanganjika soll sein Wasser gegen Norden in den Tschowambésee abfließen lassen, der auch nach seinem Entdecker Bakers See genannt wird. Wenn diese Nachricht wahr ist, wäre der Tanganjika die Urquelle des Nil.

21. April: Ich kann nicht begreifen, wozu ein Durchstich des Nasenknorpels dienen soll, wenn nicht zum Hineinstecken eines Ziergegenstandes. Heute allerdings sah ich einen Mann, der gerade Federn an seine Pfeile nähte; er bediente sich des Nasendurchstichs, um die überzähligen Nadeln darin zu halten.

10. November 1871: In Udschidschi. In meiner Verlassenheit gleiche ich dem Mann, der von Jerusalem nach Jericho ging und unter die Räuber fiel. Nur dass ich keine Hoffnung habe, dass ein freundlicher Samariter mir zu Hilfe kommt. (...) Wie hätte ich ahnen sollen, dass in dieser Stunde höchster Beschwernis der gute Samariter wirklich schon an meiner Tür stand. (...) Es war Henry M. Stanley, Reporter des New York Herald, den James Gordon Bennett Junior mit viertausend Pfund nach Afrika geschickt hatte, damit er mich auffinde, "lebend oder tot". (...) Sofort stellte sich mein Appetit wieder ein, statt täglich zwei geschmacklose Mahlzeiten hinunterzuwürgen, aß ich wieder viermal, und nach einer Woche fühlte ich mich im Besitz neuer Kräfte.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: