Franziskus besucht Benedikt:"Wir sind Brüder"

Päpstliches Gipfeltreffen: Der emeritierte Benedikt empfängt seinen Nachfolger Franziskus - zum Meinungsaustausch, zu einem Essen und einem gemeinsamen, gleichberechtigten Gebet. Der neue Papst macht seinem Vorgänger ein Geschenk.

Historisches Treffen der Kirchengeschichte: Der emeritierte Papst Benedikt XVI. hat seinen Nachfolger Franziskus in Castel Gandolfo zu einem privaten Besuch empfangen. Auf der Piazza des Ortes über dem Albaner See kamen Applaus und Rufe nach Franziskus und Benedikt auf, als der neue Papst am Samstagmittag dort eintraf.

Der Helikopter kreiste ein paar Mal über der Residenz, bevor er landete. Benedikt empfing Franziskus mit einer herzlichen Umarmung, wie Bilder des Fernsehkanals des Vatikans zeigten. Die beiden Kirchenmänner unterhielten sich etwa eine Dreiviertelstunde unter vier Augen, bevor sie in Begleitung zu Mittag aßen. Danach gingen sie gemeinsam in die Kapelle von Castel Gandolfo, wo sie nach Angaben von Vatikan-Sprecher Federico Lombardi gemeinsam auf einer Bank kniend beteten.

In der Kapelle bot Benedikt Franziskus die traditionell dem Papst bestimmte Betbank an. Franziskus lehnte deren alleinige Nutzung mit den Worten "wir sind Brüder" ab, und beide beteten auf derselben Bank.

Auch ein Geschenk hatte der 76-Jährige dabei: Eine Madonnenfigur, die er dem neun Jahre älteren Ratzinger überreichte. "Die Madonna der Bescheidenheit, erlauben Sie mir das zu sagen, hat mich an Sie denken lassen", sagte Franziskus. Benedikt bedankte sich mehrmals mit brüchiger Stimme, wie Lombardi berichtete.

Beide tragen die Farbe der Päpste

Anschließend begaben sich beide zu einem privaten Gespräch in die päpstliche Bibliothek der Residenz. "Das private Treffen dauerte etwa 40 bis 45 Minuten", sagte Lombardi. Am darauf folgenden Mittagessen nahmen auch die Privatsekretäre des Papstes und seines Vorgängers, Alfred Xuereb und Georg Gänswein, teil. Am Nachmittag flog Franziskus zurück in den Vatikan.

Franziskus und sein Vorgänger trugen bei dem Treffen beide weiß, die Farbe der Päpste. Den weißen Schulterumhang und den breiten Gürtel - beides Symbole der Papstes - trug allerdings nur Franziskus. Benedikt, der sehr bewegt und zugleich geschwächt wirkte, trug eine weiße Steppjacke.

Der am 28. Februar zurückgetretene Benedikt wohnt in der Residenz der Päpste bis zu seinem späteren Umzug in ein Kloster im Vatikan. Wie es heißt, hatte Benedikt ein persönliches Memorandum für seinen Nachfolger vorbereitet. Dieser muss sich mit mehreren Krisen befassen, so mit der "Vatileaks"-Affäre um Machenschaften im Vatikan.

Der emeritierte deutsche Papst und der südamerikanische Nachfolger kennen sich seit langem und haben auch die Bücher des jeweils anderen gelesen. Jorge Mario Bergoglio hat Joseph Ratzinger seit seiner Wahl zum Papst mehrmals gewürdigt. Er dankte ihm vor den Kardinälen. Seit dem Konklave rief Franziskus außerdem zweimal bei Benedikt an.

Zwei Männer mit unterschiedlichem Auftreten

Der 85-jährige Ratzinger war am 28. Februar wegen nachlassender Kräfte von dem Amt des Oberhirten seiner Weltkirche von knapp 1,2 Milliarden Katholiken zurückgetreten. Es war ein spektakulärer Schritt, weil er sein Pontifikat nicht bis zum Tod ausführen wollte.

Benedikt gelobte dem Nachfolger bedingungslosen Gehorsam und betet für Franziskus. Ein Schattenpapst will er nicht sein. Das Konklave mit der Papstwahl und die Amtseinführung des Argentiniers am vergangenen Dienstag verfolgte Ratzinger im Fernsehen vom Apostolischen Palast in Castel Gandolfo aus.

Es ist das erste Mal seit Jahrhunderten, dass ein Papst seinen Vorgänger treffen kann, da Benedikt das erste Kirchenoberhaupt seit dem Mittelalter war, das zurückgetreten ist. Coelestin V. war 1294 zum Papst gewählt worden, um einen Streit zwischen den Kardinälen zu beenden. Kurz nach seiner Ernennung erließ er ein Dekret, das Papstrücktritte ermöglichte, und dankte bereits nach fünf Monaten ab.

Wenn sie auch bei traditionellen Themen wie Homoehe und Abtreibung eine konservative Ansicht teilen, so unterscheiden sich die beiden Kirchenmänner doch in ihrem Auftreten. Franziskus gab sich in seinen bisherigen Auftritten bescheiden und volksnah, während Benedikt als weniger spontan und reservierter galt. Beobachter gehen davon aus, dass das theologische Vermächtnis des Kirchenlehrers Benedikt auch das Papsttum Franziskus' prägen wird.

Anmerkung der Redaktion:

In einer früheren Version des Artikels hieß es im Teaser, auch der alte Papst hätte dem Neuen ein Geschenk gemacht. Das ist nicht korrekt. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.

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