Kritik an Facebook-Kampagne:Gleichstellung macht manche gleicher

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Das rosa-rot eingefärbte Logo der US-amerikanischen Human Rights Campain erobert Facebook

(Foto: privat)

Homo-Ehe? Finden Millionen Facebook-Nutzer super und tauschen ihr Profilbild gegen ein rot-rosa Gleichheitszeichen. Kritik daran kommt ausgerechnet aus der queeren Szene: Die Kampagne sei elitär und rassistisch.

Von Nadia Pantel

Als sich das Internet in den vergangenen Tagen rot färbte, sah es kurz aus, als wären sich alle einig. Ein kirschrotes Quadrat und darauf, hellrosa abgesetzt, ein dickes Gleichheitszeichen. Am 25. März postete die US-amerikanische Human Rights Campaign (HRC) dieses Symbol auf ihrer Facebook-Seite - mit der Aufforderung, alle Unterstützer der Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe sollten das Bild zu ihrem neuen Profilbild machen. Etwa zehn Millionen Nutzer sahen sich laut Facebooks firmeneigener Datenauswertung diesen Post an. Geschätzte 2,7 Millionen Nutzer änderten daraufhin prompt ihr Profilbild.

"Das ist meine neue Ikone" twittert eine Französin begeistert. Stars von Beyoncé bis Star-Trek Schauspieler George Takei machen mit. Auch 13 Abgeordnete des amerikanischen Kongresses sind in den sozialen Netzwerken nun in Rot unterwegs. "Mit einer solchen Resonanz haben wir nicht gerechnet", sagt Charlie Joughin vom HRC, "Wir freuen uns sehr, dass so viele bei unserer Kampagne mitmachen. Und dass so viele dadurch für die Gleichstellung der Ehe kämpfen."

Doch nun ist die Aktion in die Kritik geraten. Wohlgemerkt nicht bei Gegnern der Homo-Ehe, stattdessen greifen prominente Stimmen der transgender-queer-schwul-lesbischen Szene, kurz LGBT, sie an. Die HRC geriere sich als mächtigste Vertreterin der Interessen von Schwulen und Lesben, konzentriere sich allerdings nur auf die Probleme weißer Mittelständler.

Gerechtigkeit statt Liebe

Es gehe doch einfach nur um Liebe, argumentiert die HRC. "Nur um Liebe" könne es nur für diejenigen gehen, die alles andere schon haben, sagen die Kritiker.

Der HRC setze sich nur solange für Gleichstellung ein, wie weiße, wohlhabende Mittelständler betroffen seien, die außer in ihrer sexuellen Identität nicht von der Norm der Mehrheitsgesellschaft abweichen, schreibt der Blogger und Aktivist Scot Nakagawa. Am 25. März veröffentlichte er auf dem Blog "Racefiles" den Artikel "Why I support same sex Marriage as a civil right, but not as a strategy to achieve structural change". 11.000 Facebook-Nutzer drückten daraufhin auf "Gefällt mir" und trugen somit Nakawagas Idee in die heile Welt der Solidarität.

Es sei zwar wünschenswert, dass auch Homosexuelle das Recht erhielten, zu heiraten, doch dass die Ehe an sich Paaren Vorteile verschaffe, die nichtverheiratete Menschen nicht hätten, sei das eigentliche Problem. In Nakagawas Kritik reiht sich auch Derrick Clifton als Blogger der Huffington Post ein: "Wir dürfen diejenigen nicht vergessen, die mehr fordern und brauchen als nur das Recht auf die Gleichstellung der Ehe." Auch er beschreibt die HRC als eine Vereinigung der Bessergestellten, denen einzig das Recht zu heiraten noch fehle, um ihre gesellschaftlichen Privilegien komplett zu machen. Transgender-Thematiken würden vom HRC als die Randprobleme einiger Diven abgetan.

Transsexuelle fühlen sich aus Kampagne ausgegrenzt

Diese Kritik ist in der LGBT-Szene weit verbreitet, seit die HRC sich 2007 für ein Gesetz gegen sexuelle Diskriminierung stark machte, das Transgender-Persönlichkeiten, also diejenigen, deren sexuelle Identität mit den Begriffen Mann oder Frau nicht erfasst werden kann, bewusst aussparte. Für die Rechte der Transgender-Community könne erst in einem zweiten Schritt gekämpft werden, hieß es damals.

Heterosexuelle Fans der Schwulen-Ehe

Die Journalistin Karlee Johnson interpretierte diese Haltung der HRC in der Studenten-Zeitung Daily Sundial als ein ablehnendes "Wir kommen zuerst, ihr stellt euch hinten an." Der schwule Aktivist Tommi Avicolli Mecca schreibt in seinem Blog schlicht: "HRC doesn't support me". Auch wenn er schwul sei und sich die HRC als Lobby-Gruppe offiziell für seine Rechte einsetze, wolle er an einem Begriff von Gleichheit festhalten, der nicht nur sexuelle Gleichbehandlung, sondern auch soziale Gerechtigkeit bedeute.

Spätestens seit die HRC ausgerechnet den Investmentbankern von Goldman Sachs im Februar 2012 den Workplace Equality Innovation Award verliehen hatte, habe sich der HRC von seiner Idee von Gleichheit zu sehr entfernt. Wie könne die Bank, die für die Verarmung vieler Amerikaner stehe, als ein Symbol der Gleichheit gefeiert werden?

Aids und Obdachlosigkeit ignoriert

Doch ist die Kampagne des HRC gleich schlecht, nur weil sie vielen nicht weit genug geht? Nein, aber sie habe Verdrängungs-Potenzial, sagt der Journalist Richard Lawson. In The Atlantic Wire schreibt er, dass der Kampf für die Gleichstellung der Ehe eine ungeheure vereinende Kraft habe, die die Position von Schwulen und Lesben in der amerikanischen Gesellschaft gestärkt habe. Doch auch er gibt zu bedenken, dass die Kampagne immer nur eine Kampagne für die weiße Mittelschicht gewesen sei. Die Probleme und Bedürfnisse der nicht-weißen und sozial schlechter gestellten Lesben, Schwulen, Bi- und Transsexuellen seien dadurch an den Rand gedrängt worden. Probleme wie Aids und Obdachlosigkeit, unter denen überproportional viele jugendliche Homosexuelle litten, seien durch die Legalisierung der Ehe nicht zu lösen.

Gegen die Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe ist keiner der Kritiker. Lediglich gegen die ungeprüfte Einhelligkeit, mit der sich auf Facebook durch die roten Profilbilder mit der Kampagnen-Arbeit einer bestimmten Lobby-Gruppe solidarisiert wird.

Die Soziologie-Dozentin Laurie Essig schreibt in der Fachzeitschrift Psychology-Today vom Druck des "group thinking". Gerade ihre heterosexuellen Facebook-Freunde, die in festen Partnerschaften lebten, seien es, die begeistert das rote Symbol für sich entdeckten. Dass sie als lesbische, alleinerziehende Mutter die Gleichstellung der Homo-Ehe nicht zu ihren politischen Prioritäten zähle, könnten diese heterosexuellen Fans der Schwulenehe nicht verstehen.

Natürlich sei sie dafür, dass alle Menschen heiraten können, so sie es denn wünschen. Doch sie wolle nicht gezwungen werden, zu heiraten, nur um zum Beispiel ein Anrecht zu haben, ihre Nächsten und Liebsten im Krankenhaus besuchen zu können.

Wer den Hashtag "equalmarriage" bei Twitter eingibt, findet nicht mehr nur begeisterte Solidaritätsbekundungen in rot-rosa. Sondern zum Beispiel auch den lakonischen Kommentar "Slacktivism". Eine Wortschöpfung, die dem antriebslosen "Slacker" (Schluffi) ein wenig "activism" erlaubt. Erfunden wurde das Wort unter anderem für die allwöchentliche Veränderung des Facebook-Profilbildes für eine jeweils wechselnde politische Agenda.

Beyoncé und Takei sind inzwischen zu ehrlicher Selbstdarstellung zurückgekehrt. Auf ihrem Profilbild prangt kein Gleichheitszeichen mehr, sondern das eigene Konterfei.

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