Ulla Schmidt: Dienstwagen-Affäre:Eine Ministerin fährt ins Leere

Ulla Schmidt und die Dienstwagen-Affäre: Die Antwort auf eine Anfrage der FDP bringt neue Ungereimtheiten ans Licht, der politische Gegner legt der Ministerin den Rücktritt nahe.

Thorsten Denkler, Berlin

Gut möglich, dass Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) nachträglich bereut, dieses Jahr überhaupt in den Urlaub gefahren zu sein. Die leidige Dienstwagen-Affäre hat ihr und vor allem SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier erheblich zu schaffen gemacht. Und jetzt geht die Debatte in die zweite Runde.

Ulla Schmidt, ddp

Ulla Schmidt und ihr Dienstwagen drohen zur erneuten Belastung für den Wahlkampf der SPD zu werden.

(Foto: Foto: ddp)

Eine Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage des FDP-Haushaltsexperten Otto Fricke bringt nun zu Tage: Der SPD-Politikerin Schmidt hat offenbar seit 2004 ihre gepanzerte Dienst-Limousine in ihrem spanischen Urlaubsort Alicante zur Verfügung gestanden.

Dabei hat sie vorschriftsmäßig die privaten Fahrten am Urlaubsort als geldwerten Vorteil in ihrer Steuererklärung geltend gemacht - für die Überführung der Limousine samt Fahrer von Berlin nach Alicante aber musste der Steuerzahler aufkommen. Die diesjährige Fahrt hingegen hat die Ministerin privat abgerechnet.

Im Wahlkampf sind die neuen Erkenntnisse ein gefundenes Fressen für die Opposition und die Union. Die nachträgliche Berufung Schmidts in das SPD- Wahlkampfteam sei ein schwerer Fehler - die SPD werde für die Affäre mit Stimmeneinbußen bezahlen, sagte etwa Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) der Mitteldeutschen Zeitung. "Es war ein fataler Fehler von Steinmeier, Frau Schmidt in sein Kompetenzteam zu holen."

Ähnlich äußerte sich auch der FDP-Politiker Patrick Döring. In der Bild-Zeitung forderte er Steinmeier auf, Schmidt den Rücktritt nahezulegen. "Angesichts der fortgesetzten Tarn- und Täuschungsmanöver von Frau Schmidt sollte die SPD sich grundsätzlich überlegen, ob so eine Ministerin noch tragbar ist", sagte Döring.

Der Grünen-Haushaltsexperte Alexander Bonde zeigte sich empört angesichts der neuen Erkenntnisse über die andauernde Dienstwagenaffäre der Gesundheitsministerin. "Der ganze Vorgang ist unanständig", sagte er sueddeutsche.de. Er habe den Eindruck, dass sich die "Inkonsistenzen in den Deutungsversuchen der Ministerin immer mehr häufen".

Ihn überzeugten die jüngsten Erklärungen der Ministerin nicht. Schmidt habe offenbar kein Empfinden, was noch ein anständiger Umgang mit einem vom Steuerzahler bezahlten "Wagen der gepanzerten Oberklasse" sei und ob der unbedingt "am Strand von Aliante rumstehen" müsse, sagte Bonde. Er forderte Schmidt auf einzusehen, "dass sie einen Fehler gemacht hat". Jedes andere Mitglied der Bundesregierung sei in der Lage gewesen, mit dem Dienstwagen "einen Umgang zu finden, über den sich niemand aufregt".

Der CDU-Haushaltspolitiker Georg Schirmbeck forderte ebenfalls den Ausschluss Schmidts aus Steinmeiers Team. "Steinmeier muss jetzt einen Posten in seinem Team neu besetzen. Ulla Schmidt hat sich mit ihren nebulösen Erklärungsversuchen politisch um Kopf und Kragen geredet", sagte er der Neuen Osnabrücker Zeitung.

Ulla Schmidt ficht die neuerliche Kritik an ihrer Dienstwagen-Nutzung nicht an: "Ich habe bei der Benutzung des Dienstwagens dienstliche und private Fahrten ganz eindeutig getrennt", betonte sie. "Wenn die ordnungsgemäße Nutzung der Richtlinien für die Nutzung von Dienstkraftfahrzeugen und auch die ordnungsgemäße Versteuerung nach den Einkommenssteuerrichtlinien zu solchen Diskussionen führt, dann muss der Haushaltsausschuss sich mit den Richtlinien und mit den Einkommenssteuerrichtlinien befassen."

Auch nach Lesart der Bundesregierung hat bei Schmidts Reisen alles seine Richtigkeit. Gemäß den "Lohnsteuerhinweisen des Bundesministeriums für Finanzen" handele es sich bei An- und Abfahrten des Dienstfahrzeuges "durch den Fahrer" um sogenannte "Leerfahrten", heißt es in der schriftlichen Antwort, die sueddeutsche.de vorliegt. Diese Leerfahrten wiederum seien den "dienstlichen Fahrten zuzurechnen", werden also voll vom Steuerzahler übernommen.

Dieses Jahr hingegen habe die Ministerin ihrem Fahrer zugebilligt, seinen Sohn mit nach Spanien zu nehmen. Aus "Fürsorgepflicht", wie eine Sprecherin Schmidts gegenüber sueddeutsche.de erklärt - der Sohn hätte ansonsten allein zu Hause bleiben müssen. Die genauen Hintergründe, warum der Filius in diesem Jahr mit nach Spanien musste, in den vergangenen Jahren jedoch nicht, bleiben im Dunkeln. Die Ministerin selbst ist jedes Jahr mit dem privat bezahlten Flugzeug an den Urlaubsort gereist.

Reichlich Ungereimtheiten

Ausführlich wird in der offiziellen Antwort beschrieben, dass Ulla Schmidt vor Ort allerlei dienstliche Termine wahrgenommen habe, etwa um die in Spanien lebenden deutschen Rentner, die so genannten Residenten, zu unterstützen. Dazu hätten beispielsweise "Diskussionen zu Fragen der Altersversorgung, der Krankenversicherung und der Pflegeversicherung" gehört.

Zuweilen habe sie sich auch mit lokaler Politprominenz getroffen oder eine deutsche Schule und eine deutschsprachige Zeitung besucht. Darüber hinaus habe sie ihren Urlaub zweimal wegen Sondersitzungen des Bundeskabinetts unterbrechen müssen, weshalb wohl Fahrten zum Flughafen und zurück angestanden haben.

Am Anfang der Antwort steht noch einmal wie in Stein gemeißelt, dass Mitgliedern der Bundesregierung nach den entsprechenden Richtlinien ihr "Dienstkraftfahrzeug" zur "alleinigen und uneingeschränkten Nutzung" bereit stehe. Nur müssten private Fahrten als geldwerter Vorteil verrechnet werden, was Schmidt stets getan habe.

Dem FDP-Haushälter Otto Fricke, auf dessen Anfrage das Ministerium jetzt antwortete, reicht das alles nicht. "Die von Frau Schmidt abgegebenen Erklärungen sind nach wie vor unzureichend und nebulös - meine Fragen betrachte ich in dieser Form als nicht beantwortet", teilt er mit. Auf dieser Grundlage sei "nicht einzusehen, dass der Steuerzahler für die Fahrten des Dienstwagens nach Spanien aufkommen soll". Er gehe davon aus, dass Frau Schmidt auch für die Jahre 2006 bis 2008 den Bundesrechnungshof um entsprechende Überprüfung bitten werde.

Reichlich Ungereimtheiten

Ulla Schmidt hat selbst ihr Bedauern darüber erklärt, dass der Eindruck bei den Bürgern entstehen könnte, sie habe Privates und Dienstliches nicht sauber getrennt. SPD-Kanzlerkandidat Steinmeier hatte die Gesundheitsministerin, der er persönlich nahe steht, erst vor etwas mehr als einer Woche doch in sein Wahlkampfteam gelassen, nachdem eine freiwillige Prüfung des Bundesrechnungshofes Ulla Schmidt vorerst entlastet hatte.

Die Frage ist, wie lange Frank Walter Steinmeier jetzt noch an ihr wird festhalten können. Sicher dürfte sein, dass in diesen wahlkampfschwangeren Zeiten weiter jede Ungereimtheit vom politischen Gegner dankbar aufgenommen wird. Und Ungereimtheiten gibt es in dieser Affäre noch reichlich.

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