Großermittlung zu Nazi-Tätern:Fahnder sind 50 KZ-Aufsehern aus Auschwitz auf der Spur

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(Foto: AFP)

Sie sind um die 90 Jahre alt und leben in Deutschland, nun droht ihnen ein Prozess. Die Zentrale Stelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg will Vorermittlungen gegen 50 frühere Aufseher des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau einleiten. Der Vorwurf lautet: Beihilfe zum Mord.

Sieben Jahrzehnte nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs sind deutsche Fahnder einer größeren Zahl mutmaßlicher NS-Täter auf die Spur gekommen, die bislang nicht strafrechtlich belangt wurden. Die Zentrale Stelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg will in den kommenden Wochen Vorermittlungen gegen 50 frühere Aufseher des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau einleiten. Der Vorwurf lautet auf Beihilfe zum Mord.

Den Ermittlern lägen die Namen und Angaben zu den Wohnorten der Tatverdächtigen vor, bestätigte der Behördenleiter, der Leitende Oberstaatsanwalt Kurt Schrimm, einen Bericht der WAZ-Zeitungen. Sie lebten über ganz Deutschland verteilt. Sie seien um die 90 Jahre alt.

Schrimm hält es seit dem Urteil gegen John Demjanjuk, der Wachmann im Lager Sobibor war, für aussichtsreich, auch gegen KZ-Aufseher Prozesse zu führen - selbst, wenn ihnen unter anderem aus Mangel an Zeugen keine direkte Tatbeteiligung nachgewiesen werden kann. Demjanjuk war 2011 wegen Beihilfe zum Mord in 20.000 Fällen zu fünf Jahren Haft verurteilt worden. Dagegen gingen seine Anwälte und die Staatsanwaltschaft in Revision. Im März 2012 verstarb er jedoch, so dass es nicht zu einem rechtskräftigen Urteil kam.

Zuvor hieß es in der Urteilsbegründung des Landgerichts München: "Der Angeklagte war Teil der Vernichtungsmaschinerie." Anders als früher reiche seit diesem Spruch "jede Tätigkeit in einem Konzentrationslager aus, um wegen der Beihilfe zum Mord zu verurteilen", sagt Schrimm.

Die Ludwigsburger Zentrale Stelle wird seit 1958 von den Bundesländern unterhalten. Sie hat seither insgesamt 7485 Vorermittlungsverfahren geführt. Man sei zuversichtlich, weitere Täter auch außerhalb Deutschlands zu enttarnen. Die Staatsanwälte durchforsten derzeit brasilianische Einwanderungsakten aus der unmittelbaren Nachkriegszeit. Damals waren zahlreiche Nazi-Schergen nach Südamerika geflohen. Schrimm: "In Brasilien stehen die Dinge nicht schlecht."

Das Lager Auschwitz-Birkenau im besetzten Polen war zwischen 1942 und 1945 das größte deutsche Vernichtungslager. Mehr als eine Million Menschen wurde dort ermordet, die meisten davon europäische Juden. Vor fast genau 50 Jahren, am 16. April 1963, wurde die erste Anklage gegen Verantwortliche des Lagers erhoben. Bei den so genannten Auschwitz-Prozessen in Frankfurt am Main wurde gegen Mitglieder der Lagermannschaft verhandelt.

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