Schuldenkrise in Europa:EU-Kommission fordert von Portugal Einhaltung der Sparziele

Mahnung aus Brüssel: Nach dem Veto des Verfassungsgerichts in Lissabon gegen den Sparhaushalt sorgt sich die EU-Kommission um die Einhaltung der vereinbarten Beschlüsse. Die portugiesische Regierung hat allerdings bereits neue Einsparungen angekündigt - vor allem im Sozialbereich.

Die EU-Kommission hat an die portugiesische Regierung appelliert, an dem mit den internationalen Geldgebern vereinbarten Sparprogramm festzuhalten. "Jedes Abweichen von den Zielen des Programms oder ihre Nachverhandlung würde die bereits geleisteten Anstrengungen der portugiesischen Bürger zunichte machen (...) und die Schwierigkeiten des Anpassungsprozesses verlängern", teilte die Kommission am Sonntagabend mit.

Man vertraue deshalb darauf, dass die portugiesische Regierung schnell die nötigen Maßnahmen zur Anpassung des Haushalts 2013 gemäß den mit der Troika aus EU, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds getroffenen Vereinbarungen vorlegen wird.

Regierung will an Sparzielen festhalten

Das krisengeschüttelte Land kündigte nach dem Veto des Verfassungsgerichts gegen einen Teil der Sparbeschlüsse der Regierung weitere Ausgabenkürzungen an. Portugal werde trotz des Gerichtsurteils seine Verpflichtungen gegenüber den internationalen Geldgebern erfüllen, sagte Ministerpräsident Pedro Passos Coelho in einer im Fernsehen übertragenen Rede. "Die Regierung hält an allen Zielen des Programms fest", fügte er hinzu. Coelho habe seine Minister angewiesen, die Ausgaben zu senken - vor allem im sozialen Bereich.

Die Regierung werde die Ausgaben in den Bereichen Sozialversicherung, Gesundheit, Bildung und staatliche Betriebe senken. Sie werde alles tun, um zu verhindern, dass das Euro-Krisenland bei der EU ein zweites Hilfegesuch stellen müsse. Passos Coelho betonte, die Regierung sei dagegen, diese Lücke mit Steueranhebungen zu schließen, weil dies die Chancen zu einer Erholung der Wirtschaft schmälere.

Passos Coelho warf den Verfassungsrichtern vor, die wirtschaftliche Erholung des Landes in Gefahr gebracht zu haben. Das Gericht hatte am Freitag mehrere Sparmaßnahmen im Haushalt 2013 für verfassungswidrig erklärt. Dadurch entstand im Staatsbudget eine Deckungslücke von etwa 1,3 Milliarden Euro.

Negative Folgen des Urteils für Portugal

Die Regierung sei mit dem Urteil des Gerichts nicht einverstanden, sagte auch Regierungssprecher Luís Marques Guedes nach einer Krisensitzung des Kabinetts von Ministerpräsident Pedro Passos Coelho. "Wir respektieren die Entscheidung des Tribunals, aber wir müssen die Portugiesen auch vor den negativen Folgen warnen, die das Urteil für das Land haben wird." Portugal verliere durch das Veto der Richter gegen Teile des Sparpakets im Ausland wieder das Vertrauen, das das Land bei den Anlegern und Investoren mühsam zurückgewonnen habe.

Staatspräsident Aníbal Cavaco Silva sprach sich trotz der Zuspitzung der Finanzkrise in seinem Land gegen eine Ablösung der Regierung und gegen Neuwahlen aus. "Die Voraussetzungen sind gegeben, dass die Regierung bis zum Ende der Legislaturperiode im Amt bleibt", sagte der Staatschef nach demKrisentreffen mit dem Ministerpräsidenten. Passos Coelho hatte nach einem Urteil des Verfassungsgerichts um eine Audienz beim Präsidenten gebeten.

Das Verfassungsgericht hatte nach mehr als dreimonatigen Beratungen entschieden, dass insgesamt vier Sparbeschlüsse im Budget 2013 verfassungswidrig seien. Das Urteil verschärfte die Lage in Portugal, das sich bei der EU zu einem harten Sparkurs verpflichtet hat. Das Gericht erklärte unter anderem die Kürzungen von Urlaubsgeldern für Beamte, Angestellte des öffentlichen Diensts und für Rentner sowie Einschnitte bei der Arbeitslosenhilfe und beim Krankengeld für verfassungswidrig.

Richter billigen andere Sparmaßnahmen

Eine Reihe anderer Sparmaßnahmen und Steuererhöhungen wurden von den Richtern gebilligt. Das Teil-Veto bedeutet nach Berechnungen portugiesischer Medien, dass sich im Staatshaushalt eine Deckungslücke von etwa 1,3 Milliarden Euro auftut. Die konservativ-liberale Regierungspartei PSD äußerte sich "sehr besorgt". "Wir haben praktisch keinen Handlungsspielraum", sagte die PSD-Politikerin Teresa Leal Coelho. Der sozialistische Oppositionsführer António José Seguro verlangte den Rücktritt der Regierung und Neuwahlen.

Gegen die Sparbeschlüsse hatten nicht nur die Linksparteien der Opposition geklagt, sondern auch Cavaco Silva, der ebenso wie der Regierungschef der PSD angehört. Der Staatschef hatte seine Klage damit begründet, dass der Haushalt "berechtigte Zweifel an der Gerechtigkeit bei der Verteilung der Opfer" wecke.

Portugal hatte 2011 von der Troika aus EU, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) ein 78-Milliarden-Euro-Hilfspaket erhalten. Im Gegenzug musste das ärmste Land in Westeuropa sich bei den Geldgebern zu einer drastischen Sparpolitik verpflichten, um das Haushaltsdefizit abzubauen und die Staatsfinanzen zu sanieren.

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