Vogelgrippe H7N9:"Die Krankheit ist sehr ernst"

Fast täglich werden neue Infektionen mit der neuen Vogelgrippe-Variante gemeldet. Gleichzeitig gewinnen Forscher erste Erkenntnisse. Viele sind beruhigend, einige nicht. Fragen und Antworten zu H7N9.

Berit Uhlmann

Mindestens 80 Infizierte und 17 Tote: So lautet die Bilanz etwa drei Wochen, nachdem die chinesischen Behörden erstmals von der neuen Vogelgrippe-Variante berichteten. Wie gefährlich ist das bislang kaum bekannte Virus H7N9? Erste Antworten:

Was ist H7N9 für ein Virus?

H7N9 ist eine Virus-Variante, die in erster Linie unter Vögeln zirkuliert. Die Erreger lösen allerdings bei Vögeln keine Erkrankungen aus. Für die Seuchenkontrolle ist diese Situation schwierig, denn es ist nicht ersichtlich, welche Tiere infiziert sind.

Vogelgrippe-Viren können auch für Menschen gefährlich werden, bekanntestes Beispiel ist H5N1; seit 2003 erkrankten mehr als 600 Menschen an der Virus-Variante. Menschen haben sich in der Vergangenheit auch mit Erregern der Untergruppe H7 infiziert. Vor knapp zehn Jahren gab es beispielsweise in den Niederlanden fast 90 Infektionen mit dem Subtyp H7N7. Infektionen mit H7N9 allerdings sind beim Menschen neu. Erfahrungen fehlen, auch dies macht die Einschätzung schwierig.

Warum infiziert das Virus jetzt plötzlich Menschen?

Offenbar haben sich die Viren verändert. Die Gene des Virus stammen zwar alle von Vogelviren und haben sich nicht mit denen von Säugetierviren vermischt, wie es bei der Schweinegrippe der Fall war. Dennoch hat sich der Erreger jetzt offenbar besser an Säugetiere angepasst. Er kann sich nun an menschliche Zellen binden und sich bei deren niedrigeren Körpertemperaturen vermehren.

Wie verbreitet sich das Virus?

Die Behörden konnten keine Gemeinsamkeit zwischen den bislang infizierten Menschen feststellen. Es ist jedoch sicher, dass einige der Patienten beruflich enge Kontakte zu Vöglen hatten. In Shanghai wurde das Virus in Tauben nachgewiesen, in anderen Städten in Wachteln. Diese Erkenntnisse deuten darauf hin, dass Vögel eine Quelle der Infektionen sind. Allerdings ließ sich ein Kontakt zu Vögeln chinesischen Wissenschaftlern zufolge nur bei 40 Prozent der Patienten nachweisen. Wo sich die anderen ansteckten, ist unklar.

Warum Experten alarmiert sind

Derzeit gibt es keine Hinweise darauf, dass das Virus von Mensch zu Mensch übertragen werden kann. Die chinesischen Behörden stellten hunderte Menschen unter Beobachtung, die in Kontakt zu den Infizierten standen. Bisher ist keiner erkrankt.

A boy looks at pigeons at a public park in People Square, downtown Shanghai

Die Schutzmasken sind zurück in China. Mit ihnen wollen Einwohner eine Infektion mit H7N9 vermeiden.

(Foto: REUTERS)

Wie schütze ich mich?

Eine Impfung gibt es derzeit nicht. Die Weltgesundheitsorganisation WHO sieht jedoch keine Notwendigkeit, Reisen nach China einzuschränken. Auch Temperaturkontrollen an Flughäfen oder Grenzen seien unnötig. Reisende sollten allerdings Kontakt zu Vögeln meiden und zum Beispiel keine Geflügelmärkte aufsuchen. Es ist nach Angaben der WHO ungefährlich, gut durchgegartes Fleisch gesunder Vögel zu essen. Normalerweise überleben solche Grippeviren Temperaturen von über 70 Grad Celsius nicht. Ansonsten gelten die üblichen Hygieneregeln: häufiges gründliches Händewaschen vor allem vor dem Essen.

Was sind die Symptome der Infektion?

Die meisten Patienten leiden unter einer schweren Lungenentzündung. Sie macht sich durch Fieber, Husten und Schwierigkeiten beim Atmen bemerkbar. "Die Krankheit ist sehr ernst", sagte WHO-Vertreter Michael O'Leary.

Was hilft im Falle einer Erkrankung?

Grippe-Infektionen können mit den Medikamenten Tamiflu (Oseltamivir) oder Relenza (Zanamivir) behandelt werden. Bei Infektionen mit H5N1 sind sie laut WHO effektiv, wenn sie gleich zu Beginn der Erkrankung eingenommen wurde. Ob sie auch bei der neuen Virenkombination H7N9 anschlagen würden, ist noch nicht klar. Tamiflu ist jedoch umstritten, weil der Hersteller bislang nicht alle Forschungsdaten herausgegeben hat.

Wie gefährlich ist das Virus?

Da das Virus offenbar nicht von Mensch zu Mensch übertragen wird, ist derzeit nicht mit einer Pandemie zu rechnen. Das Europäische Zentrum für Krankheitsprävention und Kontrolle (ECDC) schätzt das Risiko einer Verbreitung in Europa gegenwärtig als gering ein. Es schließt jedoch nicht aus, dass das Virus in Einzelfällen durch Reisende eingeschleppt wird.

Warum sind Behörden dann alarmiert?

"Wir sind beunruhigt über das plötzliche Auftreten dieser Infektionen und die potenzielle Bedrohung für die Bevölkerung", schrieben die Forscher im renommierte Fachblatt New England Journal of Medicine.

Viren verändern sich ständig - unter Umständen auch zum Nachteil des Menschen. Theoretisch könnten Mutationen dem aggressiven Virus ermöglichen, sich leichter unter Menschen zu verbreiten. Das Risiko von solchen Veränderungen ist größer, wenn viele Tiere und Menschen auf engem Raum zusammenkommen. In Chinas gigantischer Geflügelzucht und auf den Fleischmärkten sind solche Bedingungen gegeben. Beunruhigend ist auch, dass die Infektionen in weit von einander entfernten Regionen auftraten. Das deutet darauf hin, dass sich das Virus bereits großflächig verbreitet hat.

Ist China der Situation gewachsen?

Zunächst hatte es Versunsicherung darüber gegeben, dass die ersten Patienten schon Anfang März starben, die Behörden aber erst Ende März darüber berichteten. Doch bislang zeigt sich die WHO zufrieden mit den chinesischen Reaktionen auf die Infektionen. Es sei erst Ende März sicher gewesen, um welchen Erreger es sich handele, hatte die WHO China verteidigt. China hat aus Sars gelernt, ist immer wieder von der Organisation zu hören. Damals hatte China zu langsam auf die neue Krankheit reagiert. Sie konnte sich rasant auch in etlichen anderen Ländern verbreiten.

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