Zum Tod von Jean-Paul Belmondo:Unschuld in Person

Mit "Außer Atem" und "Pierrot le fou" hat das französische Kino uns existenzielle Freiheit geschenkt. Im Mittelpunkt dieser Filme war Jean-Paul Belmondo: kratzig, manieriert, verträumt. Zum Tod eines Stars.

Von Fritz Göttler

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Jean-Paul Belmondo und Catherine Deneuve in "Das Geheimnis der falschen Braut"

Quelle: dpa

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Er war die Unschuld in Person, damals in den Sechzigern . . . So sah das auch François Truffaut, als er ihn für seinen Film La sirène du Mississippi (Das Geheimnis der falschen Braut, im Bild mit Catherine Deneuve) holte: Louis Mahé, ein reicher Tabakpflanzer auf der Insel Réunion, bieder und jungfräulich, der sich eine Braut bestellt per Inserat und sich mit Catherine Deneuve konfrontiert sieht, einer skrupellosen Abenteurerin.

Jean-Paul Belmondo 1964 auf dem Flughafen von Madrid

Quelle: dpa

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Die Vorlage für den Film kommt aus den USA, ein schwarzer historischer Roman von Cornell Woolrich, aber Belmondo ist ganz und gar französische Sechziger, jene Jugend in ihrer Freiheit, Unabhängigkeit, Selbstsicherheit, denen der Existenzialismus von Camus nach dem Krieg das Terrain bereitet hatte. Und die von den Helden des amerikanischen Kinos eine Spur Sarkasmus dazu borgte. So weit oben fing diese Jugend an, dass sie schnell ins Taumeln geriet, hin zu '68. Waltz Into Darkness hieß der Woolrich-Roman, den Truffaut auswählte.

Im Bild: Belmondo 1964 auf dem Flughafen von Madrid

Jean-Paul Belmondo 1996

Quelle: DPA

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Jean-Paul Belmondo (im Bild 1996) war, stärker als der eisige, selbstverliebte Alain Delon, der Held dieser Zeit, die im wilden Auf und Ab taumelte, in Aufstieg und in Niedergang. So ähnlich war es auch in der Liebe, es war die große Zeit des Amour fou. Als Louis Mahé merkt, dass seine falsche Braut ihn langsam umbringen will, akzeptiert er das, schluckt er weiter freiwillig die Dosis Gift. Ein Liebesbeweis. Als Belmondo 1970 mit Delon einen gemeinsamen Gangsterfilm machte, "Borsalino", musste er den Partner verklagen, der hatte sich vertragswidrig doppelt auszahlen lassen.

Jean-Paul Belmondo und Jean Seberg in "Außer Atem"

Quelle: imago stock&people

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Belmondo wollte Ernsthaftigkeit, der Vater war Bildhauer, die Mutter beim Ballett. Belmondo wollte ein richtiger Schauspieler werden, wurde von der Comédie Française abgelehnt, schrieb sich auf dem Schauspielkonservatorium ein. Er wollte Kunst, die, so schön sie auch ist, viel Arbeit macht. Godard und seine Spießgesellen waren fasziniert von diesem seriösen Hintergrund, aber sie mussten ihn schnell aufmischen für ihren neuen, wilden, poetischen Nouvelle-Vague-Existenzialismus, den À bout de souffle/Außer Atem genial und großkotzig in der Kinogeschichte lancierte. Dafür kam die Vorlage von Faulkner: "Wenn ich zu wählen habe zwischen dem Leiden und dem Nichts, wähle ich natürlich das Nichts . . ." Was natürlich auch die Parole ist für Louis Mahé.

Die Stunts, die Belmondo in Außer Atem macht, intellektuell und verbal, sind bei Godard abgeschaut, das Kratzige, Manierierte, Verträumte - selbst in den drei Filmen, die er dann mit dem rigorosen Jean-Pierre Melville machte - unter anderem Le Doulos -, bleiben Reste davon.

Im Bild: Belmondo mit Jean Seberg 1960 am Set von Außer Atem

Jean-Paul Belmondo 1975 "Der Greifer"

Quelle: OBS

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Die Stunts, die Belmondo dann in den Gangster- und Polizeifilmen der Siebziger macht, mit Henri Verneuil und Georges Lautner, dazwischen noch schnell einen mit Philippe de Broca, dem Kumpel aus der Nouvelle-Vague-Clique, einer erfolgreicher als der andere, auf den Straßen von Paris und auf den Dächern der Metro, all diese Stunts haben dann etwas Routiniertes, mehr Arbeit als Kunst. In Abenteuer in Rio war er durch die Rohbauten der Stadt Brasilia geklettert. Aber einen richtigen Profi erkennt man daran, wie gut er altern wird.

Im Bild: Belmondo 1975 in Der Greifer

Jean-Paul Belmondo in "Pierrot le fou"

Quelle: imago stock&people

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Der Bilderstürmer Belmondo (im Bild in Pierrot le fou) konnte durchaus subtil sein, unsicher und zärtlich. Truffaut hatte ihn eigentlich als Montag gewollt, den Feuerwehrmann in Fahrenheit 451, der das Lesen lernt und damit die Liebe (Oskar Werner hat ihn dann gespielt, aber es ist aufregend, sich Belmondo vorzustellen).

Jean-Paul Belmondo und Anna Karina in "Pierrot le fou"

Quelle: imago stock&people

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Pierrot le fou, das irrste Roadmovie aller Zeiten, gibt es nur, weil Belmondo, damals schon ein Star, mitmachte. Auch hier wird er von einer Frau vorgeführt, Anna Karina, er schnürt sich Dynamitstangen um den Kopf und sprengt sich in die Luft. Bewegt sich zwischen Sätzen, die er nicht verstehen kann, von Rimbaud, über die Ewigkeit, das Meer, die Sonne.

Jean-Paul Belmondo 2012 in Düsseldorf

Quelle: dpa

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Zur Zeit von Außer Atem, erinnert sich Godard in seiner "Einführung in eine wahre Geschichte des Kinos", "waren Jean-Paul und ich so etwas Ähnliches, wie Nicholas Ray und James Dean es womöglich waren. Damals machten Schauspieler die Geschichte. Heute hindern sie die Geschichte daran, sich zu entwickeln." Jean-Paul Belmondo, Star der Nouvelle Vague, ist am Montag im Alter von 88 Jahren gestorben.

Im Bild: Jean-Paul Belmondo 2012 in Düsseldorf

© SZ vom 09.04.2013/cag
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