Frankfurter Tatort "Wer das Schweigen bricht":Verlust, den man spürt

Frankfurter Tatort "Wer das Schweigen bricht" mit Nina Kunzendorf

"Wer das Schweigen bricht" ist Nina Kunzendorfs letzter Einsatz in Frankfurt.

(Foto: dpa)

Die Schwierigkeit dieser "Tatort"-Folge: Der Autor muss eine beklemmende Geschichte und gleichzeitig den Abschied von Nina Kunzendorf erzählen. Das gelingt. Die Gewaltszenen im Jugendgefängnis sind auch ohne Blutlachen greifbar und seine Kommissarin bekommt ein kleines Denkmal. Nach dem Abspann bleibt der Zuschauer dennoch verloren zurück.

Von Holger Gertz

In diesem Tatort muss der Autor Lars Kraume eine Geschichte erzählen und andererseits seine Hauptdarstellerin verabschieden, Nina Kunzendorf mag nicht länger die Kommissarin Conny Mey sein. Man kann in so einer Situation jemanden lieblos rausschreiben, aber Kraume setzt der Kunzendorf ein kleines Denkmal, und nach dem Abspann von "Wer das Schweigen bricht" bleibt man ein wenig verloren zurück. Gut so. Ein Verlust ist nur dann ein Verlust, wenn man ihn spürt.

Eine Geschichte aus dem Jugendgefängnis, wie immer bei den Frankfurtern nach einer Vorlage des Profilers Axel Petermann. Jede Menge Verlorene, innerhalb und außerhalb der Zellen. Die beklemmende Stimmung wird nicht herbeigequatscht, sie wird durch Bilder und Geräusche greifbar gemacht: Gefängnisflure wie frisch vereist. Menschliche Stimmen, metallisch verzerrt durch Gegensprechanlagen. Niemand muss zerschmettert in einer Blutlache liegen, damit der Zuschauer sich vorstellen kann, was der Begriff Folter eigentlich bedeutet. Kraume und Regisseur Edward Berger machen den Schmerz fühlbar durch die Beschäftigung mit Fußnägeln, die jemandem ausgerissen werden.

Ein Mann ist gequält und getötet worden, in der scheinbaren Sicherheit seiner Zelle. Jemand hat ihn getötet und gequält. Das ist der Fall. Conny Mey will als Polizeiausbilderin nach Kiel wechseln, das ist der zweite Strang dieser Episode, aber sie hat keinen Mut, ihrem Kollegen Frank Steier (Joachim Król) davon zu erzählen. Dann hört Steier nicht richtig zu, und als es schließlich doch zum Gespräch zwischen den beiden kommt, sieht man kurz die Uhr an der Wand, ein paar Minuten vor zwölf. Gerade noch rechtzeitig, um Dinge zu klären, die geklärt werden müssen.

Fünf Folgen mit Król und Kunzendorf hat der HR produziert, Kraume war immer Autor, manchmal auch Regisseur, er hat seine Figuren so präzise wie liebevoll entwickelt. Zum Schluss bindet er alles zusammen, Steier kann andeuten, warum er so kaputt ist. Nebendarsteller aus früheren Folgen treten auf, Begriffe ziehen nochmal vorüber, Mädchengemüse zum Beispiel, in der ungewaschenen Sprache Frankfurts wird ein Blumenstrauß so genannt.

Kann sein, dass Nina Kunzendorf sich nicht festnageln lassen wollte auf ihre Rolle als Tussi. Kann sein, dass es Spannungen gab zwischen ihr und Król. Wechselseitiges Fremdsein ist jedenfalls das große Thema dieses sehenswerten Finales. "Wenn es an mir liegt - Menschen können sich ändern" sagt Frank Steier, der natürlich weiß: das stimmt nicht.

ARD, Sonntag, 20.15 Uhr.

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