Sebastian Vettel wird Vierter beim GP von China:"Natürlich bin ich ein wenig verschnupft"

China Formula One Grand Prix

Am Ende knapp Vierter: Sebastian Vettel in Shanghai.

(Foto: dpa)

Platz drei verpasst, WM-Führung behauptet: Sebastian Vettel gelingt in Shanghai trotz der anhaltenden Probleme mit den Reifen ein weiter Sprung nach vorne, weil die Taktik von Red Bull zunächst aufgeht. Nur ein später letzter Stopp verhindert am Ende mehr. Alonso präsentiert sich unbezwingbar, Räikkönen und Hamilton landen dahinter.

Von Jonas Beckenkamp

Ganz zum Schluss pirschte sich Sebastian Vettel noch einmal heran. Er hatte klare Vorteile gegenüber Lewis Hamilton, der zu diesem Zeitpunkt auf Platz drei lag. Der Wagen des Engländers schien kleben zu bleiben auf dem Asphalt, während der Deutsche seinen Red Bull rasant über die Piste peitschte.

Der Abstand verringerte sich Meter um Meter, das Podium rückte für den Weltmeister doch noch in Reichweite - es war der spannende Höhepunkt eines Rennens, das Vettel letztlich als Vierter beendete. Seine Aufholjagd wurde nicht mehr belohnt, Hamilton schob sich nach einem kleinen Verbremser seines Verfolgers gerade so als Dritter ins Ziel.

Es war ein seltsamer Grand Prix in Shanghai, denn Probleme hatten irgendwie alle Fahrer - bis auf Fernando Alonso. Der Spanier gewann nach einer fehlerlosen Fahrt überlegen vor Kimi Räikkönen und Hamilton. Vettels vierter Platz ist angesichts seines missratenen Qualifyings mit Startplatz neun aber durchaus als Erfolg zu werten, zumal er damit die nötigen Punkte holte, um in der WM vorne zu bleiben.

"Ein fantastisches Rennen von uns. Die Reifen haben besser funktioniert als gedacht", sagte Alonso: "Die Saison sieht ganz gut aus, wir sind optimistisch. Wir haben noch mehr Potenzial." Vettel gab sich mäßig zufrieden mit dem Rennverlauf: "Im Nachhinein ist man immer schlauer. Wenn man die zwei, drei Sekunden sucht, die gefehlt haben, dann eher am Anfang des Rennens, wo wir ein bisschen im Verkehr festhängen", sagte der Heppenheimer, der sich auch etwas ärgerte: "Es hat nicht viel mit Rennfahren zu tun, wenn man das ganze Rennen praktisch nur auf die Reifen auslegt. Natürlich bin ich ein wenig verschnupft."

Für Alonso, den Mann aus Asturien, war es dagegen ein besonderer Sieg: Knapp neun Monate hatte er kein Rennen mehr gewonnen. Durch seinen zweiten Triumph in China nach 2005 zog er nach Siegen zudem mit Nigel Mansell (England) gleich und liegt nun auf dem vierten Platz der ewigen Siegerliste (31 Erfolge).

Das große Thema des Wochenendes war die richtige Wahl der Pneus. Harte oder weiche - die richtige Entscheidung sollte über den Ausgang dieses Events entscheiden. Alonso hatte sich zuvor als einziger der Top-Fahrer nicht über die Reifen beschwert. Er fuhr sein eigenes Rennen, wie erwartet gab am Ende die Strategie den Ausschlag. Vettel hatte zwar keine Chance auf den Sieg, aber auch er darf sich als taktischer Sieger fühlen. Die von Red Bull gewählte Herangehensweise, möglichst lange mit härteren Reifen zu fahren, erwies sich als guter Entschluss.

Schon beim Start verschob sich vor allem an der Spitze des Feldes das Klassement auf gravierende Weise. Die Ferraris von Alonso und Felipe Massa schossen am langsameren Räikkönen vorbei, Hamilton nutzte seine Pole Position und fuhr vorneweg, Vettel hing seinerseits weiter hinten fest, er blieb zunächst auf Platz neun. Doch dabei sollte es nicht lange bleiben. Schon bald mussten die Führenden zum Boxenstopp, während der Deutsche mit seinen stabilen Reifen weiterfahren konnte.

Vettel hält sich im Getümmel

Vettel begann auf komplett neuen Reifen und musste deshalb "nicht in den ersten fünf Runden an die Box fahren". Der Weltmeister blieb lange draußen im Getümmel, wo er sich gut behauptete und bereits nach der siebten Runde auf Platz zwei vorgespült wurde. Vor ihm sammelte ein weiterer Deutscher reichlich Führungskilometer: Nico Hülkenberg steuerte seinen Sauber äußerst vielversprechend über den Kurs, er lag streckenweise sogar ganz vorne. In der 14. Runde konnte Vettel dann durch einen besseren Boxenstopp den Emmericher überholen und reihte sich als Siebter zunächst wieder ein.

Zuvor waren in der fünften Runde Alonso und Massa in einem spektakulären Manöver an Hamilton vorbeigezogen, weil der Brite an Geschwindigkeit einbüßte. Mercedes reagierte auf die stark abbauenden Reifen, holte Hamilton an die Box, er fiel zurück. Mit der härteren Mischung ging es zurück auf die Strecke und immer mehr zeigte sich, dass Vettels Matchplan aufzugehen schien.

Nachdem die Favoriten ihre ersten beiden Stopps hinter sich hatten, neutralisierte sich das Rennen in der Folge etwas. Alonso gab das Tempo vor und dominierte das Feld von der Spitze. Vettel fuhr weiterhin mutig und aggressiv mit, doch die Spitze blieb ihm verwehrt. Auch ein Reifenwechsel musste noch her: Der Deutsche musste noch einmal die weichen Schlappen aufziehen lassen und reihte sich als Vierter wieder ein.

Unterdessen erlebte Vettels Teamkollege Mark Webber ein frustrierendes Wochenende. Nachdem der Australier bereits aus der Boxengasse starten musste (zu wenig Benzin, Getriebewechsel) verlor er nach einem Boxenstopp unverschuldet ein Hinterrad und schied aus (17.).

Auch für Adrian Sutil (Gräfelfing/Force India) war das Rennen bereits in der fünften Runde beendet, nachdem ihm Esteban Gutierrez (Mexiko/Sauber) ins Heck gerauscht war. An dem Wagen (Hinterradbremse) des Deutschen brach in der Box daraufhin sogar ein kleines Feuer aus. "Ein Rang in den Punkten wäre möglich gewesen", sagte Sutil.

Während an der Spitze Alonso dem Triumph entgegenzischte, kämpfte sich Räikkönen wieder auf Platz zwei nach vorne, Hamilton lag dahinter. Es folgte ein aufregender Zweikampf um den letzen Platz auf dem Podium. In den letzten beiden Runden kam Vettel noch einmal ganz nah an seinen Konkurrenten heran, doch dieser rettete Platz drei soeben noch ins Ziel. Das Reifen-Gambling hatte dem Weltmeister aber gute Dienste erwiesen, dabei scheint das Thema nach dem Umstieg auf die umstrittenen Pirelli-Pneus weiter zu köcheln.

Schon vor dem Rennen hatten die Fahrer heftig über die Reifen geklagt - wie schon die ganze Saison. "Ganz ehrlich, den Reifen gebe ich eine sechs", sagte Vettel, der sichtlich haderte. "Es macht schon Spaß, aber es ist anders. Früher konnte man jede Runde attackieren, aber jetzt fährt man ein bisschen im Dunkeln, was die Zweikämpfe angeht. Man versucht gar nicht mehr, sich zu duellieren, sondern will seine Strategie durchziehen." Er hatte eigentlich Glück mit seiner Taktik - ganz zufrieden schien er trotzdem nicht.

(Mit Material von sid)

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