Die CDs der Woche - Popkolumne:Außen scheußlich, innen schön

Das Album "New Day Dawn" von Gentleman

Der sonst so leichte Sound von "Gentlemen" ist mit dem Album "New Day Dawn" einem erwachsenen Mix gewichen.

(Foto: Universal Music)

Hinter dem abstoßenden Cover von den "Yeah Yeah Yeahs" tut sich ein schönes Stück Indie-Rock auf. Der erwachsen gewordene "Gentleman" klingt nach einer Mischung aus Jamaika und Köln-Porz, während "The Knife" einen feinen Schmerz verursachen - zum Lesen und Hören in unserer Popkolumne.

Von Max Scharnigg

Gentleman

Zweifellos, die große Überfahrt des Mannes, der sich Gentleman nennt, fand schon vor über 20 Jahren statt und sie führte von Köln nach Jamaica. Seitdem arbeitet er von Album zu Album lustvoll weiter in am Reggae-Steinbruch und hat das Genre dabei maßgeblich verjüngt und mit internationaler Achtung an allen Grenzen erweitert.

Was nun das sechste Album "New Day Dawn" (Universal) angeht, so schlägt es in mancher Hinsicht etwas aus der Reihe. Das Intro ist ein Originalton vom Kairoer Tahir-Platz 2012. Gentleman kam auf Konzertreise durch die Nachwehen der Revolution, die Ungewissheit und Aufbruchstimmung, die er dort erfuhr, machte er zu Kammertönen dieser Platte. Sie ist unter diesen Vorzeichen aufrichtiger und weniger sorglos geraten als die Vorgänger, die Tracks mischen Dancehall und Roots-Reggae sehr ausgewogen auch mit Pop-Elementen zu einem ziemlich intimen Sound.

Dass Gentleman zunehmend auf dem Klavier komponiert und die Produktion zwischen Köln und Kingston diesmal über weite Strecken in seinem neu ausgebauten Studio selbst besorgt hat, dürfte ebenfalls zum ausgesprochen introvertierten Charme dieses Albums beigetragen haben. Da ist wenig Durchsatz, wenig Blabla, der leichtfertige Sommerfestivalsound ist einem ziemlich erwachsenen Gentleman-Mix gewichen. Es klingt noch nach Jamaika, aber diesmal eben auch sehr persönlich, nach einem Songwriter aus Porz-Wahn. Dieses Album ist ein gutes Basislager für die nächsten Jahre.

Yeah Yeah Yeahs

Eigentlich verwunderlich, wie schnell die ehemalige amerikanische New-Rock-Vorzeigeklasse mit den Strokes, White Stripes und den Yeah Yeah Yeahs ihre gewaltige Bugwelle verkleckerte. Die Strokes klingen jetzt nach New Wave, die Oberstreber White Stripes haben sich aufgelöst und übrig und nach wie vor knietief in der New Yorker Rumpelkiste verortet sind nur die Yeah Yeah Yeahs.

"Mosquito" von den Yeah Yeah Yeahs

Das Album "Mosquito" von den Yeah Yeah Yeahs ist ein gut verträgliches Stück Indie-Rock.

(Foto: PR)

Die schrammten bisher immer knapp an den Regressforderungen der Fans vorbei, weil ihre Platten nie ganz einlösen konnten, was Band-Attitüde und Selbstbewusstsein vorgaben. Man wollte sie mögen, wegen diesem ganzen Art-Punk-Chic und dieser Frontfrau, die alles war, was man sich hinter diesem Titel vorstellen konnte. Aber das Werk war immer ein bisschen zu verhunzt, die eine Platte für die Ewigkeit eben noch nicht dabei.

Was sich nun hinter dem kolossal scheußlichen Cover ihres vierten Albums "Mosquito" (Universal) auftut, ist deswegen eine schöne Offenbarung, so gut hat die Musik das Prinzip der Yeahs noch nie ausgefüllt. Karen O. ist von den ersten Takten an sehr präsent und führt als leicht durchgeknallte Zirkus-Domina durch ein insgesamt angenehm nervöses und bissiges Gitarrenfieber. Das Ruppige und ihre gebleckten Zähne etwa beim Titelsong sind diesmal aber nicht nur Ablenkung, sondern tatsächlich Qualität. Die Rhythmusabteilung ordnet die anachronistisch verzerrten Riffs doch wieder ins Jahr 2013, genau wie die wohl geratenen Kollaborationen mit Musik-Urbanisten wie James Murphy. Was hier so vielseitig schallt ist nicht der Sound von 2001 und nicht 80er-Post-Punk, auch wenn manche Sequenzen das vorgaukeln. Es ist ein gutverträgliches Stück Indie-Rock und sicherlich die eindrucksvollste Mannschaftsleistung dieser Band.

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The Knife

Das Album "Shaking The Habitual" von The Knife

The Knife verursachen mit ihrem Album "Shaking The Habitual" einen feinen Schmerz im Ohr und gute Gänsehaut.

(Foto: Cooperative Music)

Zu den interessantesten und seltsamsten Werken des Jahres dürfte die neue Platte des schwedischen Geschwisterpaars Karin und Olof Dreijer gehören. Man tut sich schwer, so etwas wie ein übergreifendes Merkmal dieses Klang-Konvoluts zu benennen - vielleicht das beständige Schürfen an der Hirnrinde des Hörers. Die früher noch einigermaßen handelsüblich arbeitenden Elektro-Avantgardisten ließen sich sieben Jahre lang Zeit für das neue Opus Magnum mit dem treffenden Titel "Shaking The Habitual" (Cooperative Music).

Seine vertrackten Oszillationen führen nun beim Hörer meist ohne Umwege zu einem feinen Schmerz, wenn wie in dem zehnminütigen "Fracking Fluid Injection" stummes Unheil endlos aus den bellenden Soundschnipseln trieft. Das Stück erreicht aber mit zunehmender Schichtung eine hypnotische Tiefe und endet doch in guter Gänsehaut. Ähnliches gelingt The Knife mehrfach und sorgt so für maximale Anspannung. So viel popmusikalische Herausforderung kam aus Schweden lange nicht mehr. Gerade wenn Karin Dreijers Stimme wie in "A Tooth For an Eye" ausgemergelt zu den hohlen Trommeln tanzt, ist aber auch viel Schönheit im Raum.

Fortlaufende Popkolumne der SZ.

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