"Bild" und der angebliche Merkel-Rücktritt:Das längste Nein der Welt

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So sieht die Zukunft aus: Angela Merkel will bis 2017 regieren. Vorausgesetzt, sie wird 2013 wiedergewählt. (Foto: dpa)

Tritt Angela Merkel 2015 vorzeitig zurück, falls sie im September ein drittes Mal gewählt wird? Nein, heißt es aus dem Kanzleramt. Die "Bild"-Zeitung hindert das nicht daran, ihr eigenes Gerücht auf 6300 Zeichen aufzublasen.

Von Michael König

Eines muss man der Bild lassen: Sie geht mit ihren Fehlern, äh, offensiv um. Nehmen wir zum Beispiel die Meldung, wonach Bundeskanzlerin Merkel im Falle ihrer Wiederwahl nach zwei Jahren aufhören wolle. Also 2015, Mitte der Legislaturperiode.

Um dieses Gerücht herum hat Bild-Hauptstadtbüroleiter Nikolaus Blome ein Buch geschrieben und den "zentralen Punkt" am Montag in der Zeitung ausgebreitet: "Mit 60 Jahren ist für Angela Merkel Schluss! Am 17. Juli 2015 wird sie 61."

"Etliche Hinweise" aus "ihrer engen Umgebung" und "aus vertraulichen Runden" deuteten darauf hin, schreibt Bild. Und weil Transparenz im Verlagshaus Axel Springer, äh, ernst genommen wird, berichtete bild.de mittels einer Agenturmeldung noch am selben Tag das Gegenteil: Merkel werde im Falle eines Wahlsiegs für die komplette Legislaturperiode zur Verfügung stellen. Quelle: Angela Merkel, beziehungsweise Merkels Sprecher, Steffen Seibert.

Eine gleichlautende Aussage hatte vor der Veröffentlichung von Blomes Theorie auch die Süddeutsche Zeitung aus dem Kanzleramt bekommen, weshalb die SZ-Kollegen Nico Fried und Susanne Höll am Dienstag schrieben: "Nachfolge-Debatte ist eröffnet - und beendet."

Bundeskanzlerin
:Merkels Nachfolgedebatte ist eröffnet - und beendet

Im September will Angela Merkel ein drittes Mal Bundeskanzlerin werden. Und im Jahr 2015 dann von diesem Amt zurücktreten, mutmaßt ein Buchautor. Das Dementi folgt prompt.

Von Nico Fried und Susanne Höll, Berlin

Das war allerdings voreilig, wie wir heute wissen. Denn Bild ließ noch die Opposition zu Wort kommen: SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück entblödete sich nicht, zu fordern, "der Bürger" müsse "aufgeklärt werden."

Mittwoch war Ruhetag, aber am Donnerstag hatte Blome die Chuzpe, Merkel "die deutlichen Hinweise" in einem halbseitigen "Exklusiv-Interview" selbst dementieren zu lassen: "Nein, ich habe mich immer, wenn ich mich um ein Amt beworben habe, ernsthaft geprüft, was genau damit für die Zukunft auch für mich ganz persönlich verbunden ist. So habe ich es auch jetzt wieder getan." (Im selben Interview macht Merkel Mindestlöhne für die hohe Arbeitslosigkeit in vielen europäischen Ländern verantwortlich, aber das nur am Rande.)

Zur Sicherheit stellte bild.de noch eine Agenturmeldung ins Netz: "Merkel will weitere vier Jahre als Regierungschefin." Spätestens jetzt durfte man Blome und Bild gratulieren: Sie haben die längste, äh, Korrekturspalte der Welt geschaffen. Gerücht und Dementi nehmen inzwischen 6300 Zeichen ein. Fortsetzung nicht ausgeschlossen.

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