Christine Lagarde vor Gericht:"Ich werde meine Ehre verteidigen"

Christine Lagarde muss sich als ehemalige französische Finanzministerin bald in Paris vor Gericht verantworten.

Christine Lagarde muss sich als ehemalige französische Finanzministerin bald in Paris vor Gericht verantworten.

(Foto: AFP)

Der Vorwurf wiegt schwer: IWF-Chefin Christine Lagarde soll öffentliche Gelder veruntreut haben. Darauf stehen bis zu zehn Jahre Haft. Der Internationale Währungsfonds will das nicht kommentieren. Doch in Paris steht sie nun bald vor Gericht.

Von Michael Kläsgen, Paris

Als Jugendliche brillierte sie im Synchronschwimmen. Christine Lagarde, 57, gehörte zur Nationalmannschaft und gewann mit 15 Bronze bei den französischen Meisterschaften. Den Gleichklang übte sie anfangs auch in der Politik, in die sie spät, mit 49 Jahren, wechselte und der sie als Chefin des IWF, des Internationalen Währungsfonds, inzwischen wieder entflohen ist.

Rückblickend steht fest, dass die gelernte Anwältin die Fallstricke in der Politik unterschätzt hat. Als ehemalige französische Finanzministerin muss sie sich bald in Paris vor Gericht für eine Sache verantworten, in die sie hineingezogen wurde. Ihre Anhörung sei für Ende Mai geplant, sagte ihr Anwalt am Donnerstag.

In der Affären-Republik Frankreich glauben viele, sie habe nur eine Anweisung ihres damaligen Chefs, Nicolas Sarkozy, befolgt. Dass der frühere Staatspräsident die Order gab, diese lästige Affäre um Bernard Tapie ein für allemal aus der Welt zu schaffen, lässt sich freilich heute nicht mehr belegen. Dafür hat Lagarde jetzt den Ärger.

Adidas-Kauf für 300.000 Euro

Wohlwollend betrachtet, machte sie nur ihren Job, schnell und präzise, so wie die erfolgreiche Anwältin es zu tun gewohnt war, die nach 25 Jahren gerade aus den USA wieder nach Frankreich zurückgekehrt war. Kurz nach ihrem Amtsantritt 2007 beauftragte die pragmatisch denkende Ministerin ein privates Schiedsgericht, um den leidigen Fall nach 15 Jahren des Rechtsstreits endlich zu Ende zu bringen. Die Affäre, in die sie mit dieser Entscheidung schlitterte, ist mindestens ebenso spektakulär wie der jetzt anstehende Gerichtstermin.

Tapie, jener schillernde Emporkömmling und Geschäftsmann, Ex-Schauspieler, Ex-Politiker und Ex-Sänger, hatte 1990 das damals strauchelnde Sportartikelunternehmen Adidas für knapp 300.000 Euro gekauft. Ein Geniestreich aus heutiger Sicht. Doch Tapie entschied schon 1992, Minister für die Sozialisten zu werden. Dafür musste er Adidas verkaufen.

Seine Hausbank, die nicht minder skandalumwitterte staatliche und längst abgewickelte Crédit Lyonnais, kaufte Tapie die fränkische Firma für etwa den gleichen Preis ab und gab sie kurz darauf für den doppelten Betrag an den Unternehmer Robert Louis-Dreyfus weiter. Der brachte sie 1995 für 1,6 Milliarden Euro an die Börse. Lagarde nahm damals davon keine Notiz. Sie wurde in dem Jahr gerade im fernen Chicago in den Vorstand der Kanzlei von Baker & McKenzie berufen. Tapie hingegen fühlte sich übervorteilt und klagte. Jahrzehnte später kämpft Lagarde nun mit den Folgen dieser Klage.

Das von ihr angerufene Schiedsgericht sprach Tapie als Entschädigung 403 Millionen Euro zu, davon 285 Millionen Euro Schadensersatz und 45 Millionen Euro Schmerzensgeld. Trotz des öffentlichen Aufschreis und des Drängens von Fachleuten im Ministerium focht Lagarde das Urteil nicht an.

"Viele Anomalitäten und Unregelmäßigkeiten"

Medien zitierten bald darauf aus den Ermittlungsakten, sie habe sich "persönlich" für Tapie eingesetzt. Den Ermittlern stießen "viele Anomalitäten und Unregelmäßigkeiten" auf. Hatte die schlanke, stets elegant gekleidete Dame doch mehr als nur ihren Job gemacht?

Der Verdacht lautet auf Veruntreuung öffentlicher Gelder. Darauf stehen bis zu zehn Jahre Haft. Ihr Arbeitgeber, der Internationale Währungsfonds, will das nicht kommentieren. Ihr Anwalt betont, das Verfahren sei "keineswegs unvereinbar" mit ihrer Funktion als IWF-Generaldirektorin. Sie habe sich nichts vorzuwerfen.

Sie selbst kündigte an: "Ich werde meine Ehre verteidigen." Das Schiedsgericht sei "die beste Lösung" gewesen. Das sehe sie auch heute noch so. Die Verschwörungstheoretiker in Frankreich glauben hingegen, Lagarde habe mit dieser "Lösung" Tapie belohnt, dass der 2007 für Sarkozy Wahlkampf gemacht hat.

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