Neues Phoenix-Album "Bankrupt!":Traurig auf höchstem Niveau

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Heiratete in den Hollywood-Hochadel ein: Phoenix-Sänger Thomas Mars. (Foto: Reuters)

Phoenix, die klügste Band der Nullerjahre, hat ein neues Album aufgenommen. "Bankrupt!" ist zwar nicht die beste Platte der französischen Indiepop-Formation, doch immer noch säuselt nichts so schön durch die unverdiente Traurigkeit wie Thomas Mars' Gesang.

Von Jens-Christian Rabe

Nur damit wir uns hier gleich richtig verstehen: Wer noch keinen Song von Phoenix gehört hat, deren neues, fünftes Album "Bankrupt!" (Warner) heute erscheint, der hat die Nullerjahre nicht gehört.

Vier Alben schenkte die französische Indiepop-Band der première décade du vingt-et-unième siècle und eines war besser als das andere: leichter, schwebender, klüger, hinreißender. Man höre nur "Too Young" oder "If I Ever Feel Better" vom ersten, "Everything Is Everything" oder "Run Run Run" vom zweiten, "Napoloen Says" oder "Long Distance Call" vom dritten oder "Lisztomania" und "1901" vom vierten.

Mit eben diesem vierten, das den irrsinnig guten Titel "Wolfgang Amadeus Phoenix" trug, wurde die Band dann auch endlich wirklich berühmt. So berühmt wenigstens, wie man als Indiepop-Band eben sein kann. Sie traten also in sämtlichen wichtigen amerikanischen Late-Night-Shows auf, spielten auf den großen Bühnen der bedeutendsten Musikfestivals, gewannen einen Grammy - und heirateten Sofia Coppola, die Tochter von Francis Ford Coppola, des Schöpfers des Paten.

Verzeihung. In den Hollywood-Hochadel heiratete natürlich nur Thomas Mars ein, der Sänger. Aber das macht bei dieser Band, deren vier Mitglieder allesamt wohlerzogene, clevere, gebildete Bürgerkinder aus dem vornehmen Pariser Vorort Versailles sind, eigentlich keinen Unterschied.

Sofia Coppola heiratete ja genau genommen auch nicht bloß einen französischen Sänger, sondern den Mann, der die Musik macht zu diesem im bürgerlichen Westen sehr zeitgenössischen Gefühl, das sie in Filmen wie "Lost In Translation", "Marie Antoinette" oder "Somewhere" als Regisseurin erforschte: Traurigkeit auf höchstem Niveau. Das zart elegische Gefühl also, das sich auf dieser Seite der Welt offenbar epidemisch einstellt, wenn man alles hat, aber - aus welchen Gründen auch immer - leider nicht hinreichend dumm ist, das einfach einmal zu genießen. Oder nicht mehr betrunken genug.

Die Konzerte sind ein großer Spaß

Thomas Mars hat dafür die schönen Worte gefunden: "Everything is everything / the more I talk about it / the less I do control" - Alles ist alles / je mehr ich darüber rede / desto mehr verliere ich die Kontrolle.

Tanzen oder vielmehr: so ein bisschen locker herumschweben kann man natürlich auch wunderbar zu dieser Musik, die Konzerte der Band sind einer großer Spaß. Bei Ihrem Auftritt 2009 im Berliner Berghain, dieser kargen Kathedrale des Minmal Techno, konnte man am Ende sogar fast das Meer sehen.

Wenn in den großen Lexika des Pop nun spitzfingrig steht, dass Phoenix "kunstvoll den supergeschmeidigen Sound des kalifornischen Poprocks der mittleren Siebziger" wiederauferstehen lasse, dann müssen wir das unbedingt als Ritterschlag verstehen. Für den supergeschmeidigen Poprock der Siebziger.

Falls Sie dem Text bis hierhin gefolgt und nun schon etwas ärgerlich darüber sein sollten, dass noch kein genaueres Wort verloren wurde über das neue Album, bitten wir selbstverständlich um Entschuldigung. Aber Sie müssen verstehen: Es ist einem immer gleich so tänzelnd zumute, wenn es etwas Neues von dieser Band gibt.

Man interessiert sich dann ja sogar dafür, dass sie ihren Schaffensprozess andächtig mit Stefan Zweig erklären oder "Bankrupt!" mit demselben Mischpult abgemischt haben, auf dem Quincy Jones das Jahrhundertalbum "Thriller" von Michael Jackson produziert hat. Obwohl das natürlich kein Mensch je hören würde, wenn er es nicht wüsste.

Ach. Also: Wahrscheinlich ist die neue Platte nicht die beste Phoenix-Platte, diesmal fehlen leider die ganz großen Songs. Aber die Drums patschen immer noch so schön flach, die Synthie-Flächen tragen weit und nichts säuselt so schön durch die unverdiente Traurigkeit wie Thomas Mars' Gesang.

© SZ vom 19.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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