"Integration aktiv" in Geretsried:Wissen statt Vorurteile

Beim ersten Integrationsforum in Geretsried geht es um die Frage, wie Zuwanderer und Einheimische einander näherkommen können. Am wichtigsten ist es, die deutsche Sprache zu vermitteln.

Von Ingrid Hügenell

"Integration aktiv" in Geretsried: Die deutsche Sprache lernen, die Regeln der neuen Heimat achten, aber dennoch die eigenen Wurzeln bewahren, um die Identität nicht zu verlieren: Das ist Migranten wie Suzan Jarrar (2.v.l.) und ihrem Mann Leith (daneben) wichtig. Auch Irina Pfafenrod (4.v.l.) ist als Deutsche aus Russland stolz auf ihre Wurzeln.

Die deutsche Sprache lernen, die Regeln der neuen Heimat achten, aber dennoch die eigenen Wurzeln bewahren, um die Identität nicht zu verlieren: Das ist Migranten wie Suzan Jarrar (2.v.l.) und ihrem Mann Leith (daneben) wichtig. Auch Irina Pfafenrod (4.v.l.) ist als Deutsche aus Russland stolz auf ihre Wurzeln.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Orte der Begegnung und Informationen - diese beiden Bausteine kristallisierten sich als wichtigste heraus, wenn Integration in der Stadt gelingen soll. An die 40 Geretsriederinnen und Geretsrieder waren am Donnerstagabend zum ersten Integrationsforum in die Mensa der Karl-Lederer-Schule gekommen um darüber nachzudenken, was Einheimische und Zuwanderer tun können, damit auch Letztere sich heimisch fühlen können in der Stadt.

Das Forum war eine Veranstaltung des Projekts "Integration aktiv in Geretsried - gemeinsam geht's besser" von Stadt und Trägerverein Jugendarbeit. "Wir müssen mehr übereinander wissen" - mit diesem Satz brachte Projektleiterin Dagmara Sosnowska auf den Punkt, dass Informationen Menschen einander näher bringen. Unkenntnis führe zu Vorurteilen, wie mehrfach betont wurde. Nicht nur Informationen über den jeweils anderen, sondern auch über vorhandene und neue Angebote sowie über häufig banal erscheinende Alltagsdinge seien für Zuwanderer wichtig.

Dafür braucht es Orte der Begegnung, auch das ist ein Ergebnis des Abends. Der Wunsch nach einem Bürgerhaus wurde immer wieder geäußert. Michael Müller, Vorsitzender des Trägervereins Jugendarbeit und Bürgermeisterkandidat der CSU, unterstützte ihn. Die Islamische Gemeinde verfüge über ein großes Gemeindehaus, war zu hören - ebenfalls eine mögliche Begegnungsstätte.

In der allgemeinen Diskussion herrschte unter den Teilnehmer Einigkeit, dass Offenheit und Toleranz von beiden Seiten ebenso notwendig sind wie die Möglichkeit, seine Identität und Wurzeln zu bewahren. Entscheidend: der Erwerb der deutschen Sprache. "Das ist das Wichtigste. Dann kann ich alles machen", betonte Projektleiterin Sosnowska, die selbst aus Polen stammt und Germanistin ist. Durch zahlreiche Abgebote versucht das Projekt bereits, Zuwanderern das Deutsche nahezubringen.

In sechs moderierten Kleingruppen zu den Themen Familie, Bildung, zweimal Kultur, Sprache und Arbeit sollten die Teilnehmer des Forums dann erarbeiten, wo es Handlungsbedarf gibt, und kreative Ideen zur Lösung finden. Stadträtinnen und Lehrer diskutierten dabei mit Migranten, Pfarrer mit Sozialarbeitern und Vertretern von Arbeiterwohlfahrt, Caritas und Diakonie. Was herauskam, klang teilweise weder besonders neu noch arg kreativ: Niederschwellig und kostengünstig sollten Angebote in der Kinderbetreuung zum Beispiel sein, schlug die schullastige Arbeitsgruppe Bildung vor, und: Man müsse den Bedarf ermitteln. Manches aber war sehr konkret.

Bei Aktionen wie "Erklär mir dein Kinderspiel", Kochkursen und Kulturfesten könnten die Kulturen einander kennenlernen und neugierig aufeinander werden, sagte Christian Lotz, Leiter des Jugendzentrums Saftladen, der eine der beiden Kultur-Runden moderiert hatte. Der andere Kultur-Tisch hatte die Idee, jungen Geretsriedern die Stadtgeschichte näher zu bringen und mit den Schulen, und zwar allen Schularten, die Zusammenarbeit anzustreben. Berufsbezogene Sprachkurse, die das spezifische Vokabular vermitteln, und die Einbindung der örtlichen Wirtschaft in das Integrations-Netzwerk waren Vorschläge der Arbeitsgruppe Arbeit.

Für "eigentlich überflüssig" hatte Dritter Bürgermeister Robert Lug die Zuwanderungsdebatte in seiner Begrüßung vor der Gruppenphase erklärt. Lug, der Bürgermeisterin Cornelia Irmer vertrat, erinnerte an die Geschichte der Stadt, die erst nach dem Krieg entstanden ist. "Jeder Geretsrieder war irgendwann ein Zuwanderer. Alle sind irgendwann nach dem Krieg hierhergekommen, und keiner freiwillig, sondern aus einer Zwangslage heraus", sagte er. Damals allerdings hätten alle nichts gehabt. "Heute kommen Leute, die nichts haben, wohin, wo manche viel haben." So kämen Ängste auf, etwa um den eigenen Arbeitsplatz. Das "tolle Projekt" werde helfen, die Integration voranzubringen.

Was die Gruppen notierten, wird nun vom Trägerverein Jugendarbeit ausgewertet. Am 14. November soll ein zweites Integrationsforum stattfinden.

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